Parteien in Thüringen. Ein Handbuch, hg. v. Schmitt, Karl/Oppelland, Torsten (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 16). Droste, Düsseldorf 2008. 493, A 135 S. Besprochen von Ralf Lunau.

 

 

Es gibt Bücher, die es vermögen, über einen verführerisch instruktiven Anhang für ihr Thema zu interessieren, dem Leser Raum für eigene Erkenntnisse zu lassen und letztlich zur Lektüre des redaktionellen Hauptteils anzuregen. Das von Karl Schmitt und Torsten Oppelland herausgegebene Buch „Parteien in Thüringen“ dürfte für zahlreiche Leser zu dieser Kategorie gehören. Der insgesamt neunzigseitige Anhang enthält bezogen auf den Untersuchungszeitraum von 1990 bis 2007 für die fünf politisch bedeutendsten Parteien in Thüringen, CDU, SPD, PDS, FDP und Bündnis 90, chronologische, statistische, personelle und biographische Angaben, die Ergebnisse aller Wahlen zu den Vertretungskörperschaften, die zum Teil namentliche Erfassung aller gewählten Mandatsträger sowie die personelle Zusammensetzung aller Landesregierungen. Schon diese umfassende Dokumentation löst das Versprechen des Untertitels als Handbuch ein, weil sie es möglich macht, schnell und gut aufbereitet die wichtigsten Daten zur parteipolitischen Landschaft Thüringens aufzufinden. Letztlich ermöglicht sie es auch, während der Lektüre immer wieder einmal nachzuschlagen, zu prüfen und selbst nachzudenken.

 

Der redaktionelle Teil des Buches besteht im Kern aus in sich geschlossenen Beiträgen: Die CDU (Thomas Sauer), Die SPD (Matthias Bettenhäuser und Sebastian Lasch), Die PDS/Linkspartei.PDS/Die Linke (Thomas Sauer und Torsten Oppelland), Die FDP (Andreas Hallermann), Bündnis 90/Die Grünen (Sven Leunig und Björn Memmler) sowie Rechtsextreme Parteien: NPD, DVU und „Republikaner“ (Janine Patz und Torsten Oppelland). Alle sechs Beiträge folgen dabei dem selben analytischen Schema mit Abschnitten zu folgenden Themenkomplexen: Historischer Abriss, Programm und Strategie, Parteiorganisation, Mitglieder, Wähler und Wahlen, Vernetzung im vorpolitischen Raum und Resümee. Diese einheitliche Gliederung erlaubt nicht nur eine schnelle Orientierung, sondern vor allem eine Lektüre entlang bestimmter Fragestellungen. Das Material ist außerordentlich umfangreich sowie aus zahllosen und sehr unterschiedlichen Quellen geschöpft. Neben dem ohnehin schon mit Begeisterung erwähnten Anhang sind in weiteren 40 Tabellen und 36 graphischen Darstellungen vor allem statistische Daten aufbereitet.

 

Doch die Stärke des Buches liegt zweifellos in der analytischen Tiefe im Umgang mit dem umfangreichen Material. Karl Schmitt setzt schon in seinem einleitenden Beitrag über „Thüringen 1990: Die Neuformierung einer Parteienlandschaft“ Maßstäbe mit der soziodemographischen Analyse und der kritischen Auseinandersetzung manchmal als geradezu selbstverständlich hingenommener Thesen über vermeintliche historische Fakten. Das betrifft beispielsweise die Feststellung, wonach „das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Thüringer Landtagswahl von 1946 und den Wahlen vor dem Aufstieg des Nationalsozialismus umso bemerkenswerter“ (S. 31) sei. Die Beiträge zu den einzelnen Parteien halten diesem hohen Niveau stand und vertiefen sowohl die Analyse als auch die Bewertung der Daten.

 

In der Zusammenfassung unter der Überschrift „Gelungene Konsolidierung? Parteien und Parteiensystem in Thüringen 1990-2007“ arbeiten Karl Schmitt und Torsten Oppelland noch einmal die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der parteipolitischen Landschaft Thüringens im Verhältnis zum gesamten Bundesgebiet, vor allem auch im Verhältnis zu den anderen Ländern des Beitrittsgebiets heraus. Dieser Abschnitt lässt die Relevanz des Buches für Leser aus dem gesamten Bundesgebiet erkennbar werden.

 

Nicht ganz unerwähnt bleiben darf der einzige Mangel des Buches, auch wenn er dessen Qualitäten insgesamt nicht in Frage stellt: das Bild von der historischen Entwicklung Thüringens und der Parteien bis zum Inkrafttreten der Landesverfassung von 1946, vor allem die Besonderheiten gegenüber den anderen Ländern der sowjetischen Besatzungszone sind wissenschaftlich in der Zwischenzeit bereits deutlich differenzierter herausgearbeitet. Manche Ausführungen zu den widersprüchlichen Entwicklungen in den Blockparteien bis zu deren Neuorientierung ab 1990 werden erst plausibel, wenn diese Differenzierung berücksichtigt wird.

 

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass ein solches Handbuch bald auch für andere Bundesländer erscheint.

 

Dresden                                                                                 Ralf Lunau