Mies, Christoph, Wolfgang Siebert - Arbeitsverhältnis und Jugendarbeitsschutz im Dritten Reich und in der frühen Bundesrepublik. Diss. jur. Köln 2007. 2008, VII, 216 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Hans-Peter Haferkamp betreute, von der hohen rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln 2007 angenommene Dissertation des Verfassers. Sie betrifft einen bekannten Arbeitsrechtslehrer in wichtigen unterschiedlichen Lebenslagen. Sie schließt eine auffällige, trotz mancher Einzeluntersuchungen bisher bestehende Lücke zumindest in zentralen Bereichen, wobei im Mittelpunkt die Frage steht, inwieweit Sieberts Werke zu den ausgewählten Teilbereichen auf nationalsozialistischen Denkansätzen beruhen.

 

Gegliedert ist die Arbeit nach einer Einleitung, in welcher der Verfasser Untersuchungsgegenstand, Aufbau, Fragestellung, Forschungsstand und verwendete Quellen darlegt, in drei Teile. Zunächst behandelt er die Person. Danach erörtert er Arbeitsverhältnis und Jugendarbeitsrecht.

 

Siebert wurde am 11. April 1905 in Meseritz (Posen-Westpreußen) als Sohn eines promovierten, später als Landgerichtsrat nach Halle versetzten Staatsanwalts geboren. Nach dem gymnasialen Schulabschluss in Halle begann er im Wintersemester 1923/1924 das Studium der Rechtswissenschaft in Halle-Wittenberg, wechselte für ein Semester nach München, kehrte danach aber nach Halle-Wittenberg zurück und bestand im Dezember 1926 mit 21 Jahren die erste juristische Staatsprüfung mit vollbefriedigend im schriftlichen und gut im mündlichen Teil. 1930 legte er die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note vollbefriedigend ab.

 

Seine Dissertation über den strafrechtlichen Besitzbegriff war bereits 1927 mit magna cum laude bewertet worden. Am 1. April 1931 wurde er außerplanmäßiger Fakultätsassistent. 1932 wurde er für bürgerliches Recht habilitiert, wobei Dekan Gustav Boehmer bemerkte, dass Herr Siebert, wie auch der Gesamteindruck seiner Persönlichkeit zeige, schwerlich jeden Adlerflug wissenschaftlicher Genialität nehmen, aber sicherlich ein zuverlässiger, tüchtiger und gewissenhafter Rechtslehrer und Rechtsforscher werden werde, der der Fakultät nie Unehre machen werde.

 

Zum 1. April 1935 wechselte der am 1. Mai 1933 mit der Mitgliedsnummer 2255445 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei eingetretene Siebert auf eine freigewordene planmäßige verbeamtete Professur nach Kiel. Nach kurzer Tätigkeit sah ihn Reinhard Höhn als den fähigsten nationalsozialistischen Theoretiker auf dem Gebiete des Zivilrechts, der in seiner Grundhaltung kompromisslos sei. Am 1. 10. 1938 wurde er als Nachfolger Derschs nach Berlin berufen, im Frühjahr 1945 nach Innsbruck, ohne dass er die für ihn dort vorgesehenen Aufgaben noch ausführen konnte.

 

Politisch ordnet der Verfasser Siebert als überzeugten Nationalsozialisten ein, der seinen beruflichen Weg innerhalb der Strukturen mit sämtlichen Vorteilen und Annehmlichkeiten zunächst gesucht und gefunden hatte. Möglicherweise habe er sich im Laufe der Zeit tatsächlich zumindest innerlich davon distanziert. Letztlich könne dies aber nicht mehr unzweifelhaft festgestellt werden, so dass nur zu vermuten sei, dass Siebert nicht zwingend der Antisemit gewesen sei, der in letzter Konsequenz die Vernichtung der jüdischen Rasse befürwortet habe, aber jedenfalls auch den Mut nicht aufgebracht habe, sich zu widersetzen.

 

Ende August 1945 konnte Siebert von Innsbruck nach Einbeck fliehen. Die Folgezeit klärt der Verfasser nicht überzeugend, doch ist dem tabellarischen Lebenslauf die Entlassung an der Universität Berlin im Jahre 1945 zu entnehmen. Dem folgt eine Tätigkeit als Repetitor im nahen Göttingen ab Frühjahr 1946, ehe Siebert 1950 einen Lehrauftrag an der Universität erhielt und 1953 zum ordentlichen Professor ernannt wurde, der 1957 nach Heidelberg wechselte, aber dort bereits am 25. 11. 1959 mit 54 Jahren verstarb.

 

Sachlich ermittelt der Verfasser in Sieberts Ansätzen und Thesen deutliche Bezüge zu nationalsozialistischen Dogmen und Parolen. Daneben erkennt er jedoch Ergebnisse, die für sich genommen auch außerhalb des Dritten Reiches nachvollziehbar und sogar begrüßenswert erscheinen konnten. Insgesamt ergibt damit die Untersuchung ein doch vielfach gespaltenes Bild.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler