Laband, Paul, Staatsrechtliche Vorlesungen. Vorlesungen zur Geschichte des Staatsdenkens, zu Staatstheorie und zum deutschen Staatsrecht des 19. Jahrhunderts, gehalten an der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg 1872-1918, bearb. und hg. v. Schlüter, Bernd (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 67). Duncker & Humblot, Berlin 2004. 328 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Paul Laband wurde in Breslau am 24. Mai 1838 als Sohn eines jüdischen Arztes geboren. Während seines Studiums der Rechtswissenschaft an den Universitäten Breslau, Heidelberg und Berlin ließ er sich 1857 christlich taufen, was er jedoch lebenslang verschwieg. Nach der Promotion in Berlin (1858) und der Habilitation in Heidelberg (1861) wurde er 1864 außerordentlicher, 1866 (nach der Einleitung 1872) ordentlicher Professor in Königsberg, von wo aus er nach dem Übergang von Elsass-Lothringen von Frankreich an das Deutsche Reich (1871) 1872 (so auch die Einleitung) an die Universität Straßburg wechselte, an der er bis zu seinem (kinderlosen) Tode am 23. März 1918 verblieb.

 

Am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn stand die Rechtsgeschichte, in der sich Laband mit dem Schwabenspiegel (1861), dem Magdeburg-Breslauer systematischen Schöffenrecht (1863), den vermögensrechtlichen Klagen nach den sächsischen Rechtsquellen des Mittelalters (1869) und Magdeburger Rechtsquellen (1869) befasste. Mit dem Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde wandte er sich jedoch ab 1871 entschieden dem Staatsrecht der Gegenwart zu. Bald wurde er einer der bedeutendsten deutschen Staatsrechtler des 19. Jahrhunderts.

 

Es war dementsprechend nur folgerichtig, dass Laband auch Gegenstand rechtsgeschichtlicher Forschung wurde. Auf der Suche nach dem Nachlass Labands stieß Bernhard Schlink, wie er in seinem kurzen Geleitwort mitteilt, im Regional- und Departementalarchiv in Straßburg auf gedruckte Gutachten, die Laband als Mitglied des Staatsrats des Reichslands Elsass-Lothringen zu anstehenden Gesetzes- und Verordnungsvorhaben verfasst hatte und die ihn in einem neuen Licht erscheinen ließen. Als Gutachter zeigte der als Positivist geltende Laband politisches Gespür und praktischen Sinn, stellte Verhältnismäßigkeitsüberlegungen und Billigkeitserwägungen an, fragte nach der Gleichheit und Freiheit der Bürger und forderte für Eingriffe Rechtfertigung.

 

Die weitere Suche führte zu der Wahrscheinlichkeit, dass Labands an Neffen gelangter privater Nachlass am 9. November 1938 vernichtet wurde. Dagegen ließ sich von Bernd Schlüter im Zuge seiner Forschungen zur Staatsrechtslehre an der einstigen Straßburger Kaiser-Wilhelm-Universität im Bundesarchiv Berlin ein über verschlungene Wege dorthin gelangter, bisher unbekannter Teil des wissenschaftlichen Nachlasses finden. Es handelt sich um die handschriftlichen Vorlesungsvorbereitungen, die das Bild Labands nochmals wesentlich erweitern und vertiefen lassen.

 

In seiner verdienstvollen Edition beschreibt der Herausgeber in seiner Einleitung zunächst kurz Person und Werk Paul Labands. Danach behandelt er die Entstehung und die Bedeutung der Vorlesungsmanuskripte. Bei ihnen handelt es sich um ein Manuskript Der Staat, ein Manuskript Staatsrecht und einen Manuskriptteil Deutsche Staats- und Verfassungsgeschichte (ohne diesen Titel), die der Herausgeber im Einzelnen sorgfältig untersucht.

 

Im Anschluss hieran ediert der Herausgeber die neu aufgefundenen Quellen, deren Verschränkung von staatstheoretischen, historischen, methodischen und positivrechtlichen Erwägungen hinreichend Stoff für ein differenzierteres Bild des Begründers des modernen deutschen Staatsrechts bietet. Im Anhang folgen Abbildungen einiger Seiten der Manuskripte und der Vorlesungsverzeichnisse von 1872, 1874 und 1900. Ein Sachverzeichnis von abgeleiteten Rechten bis zu Wohlstand erleichtert die Orientierung des Lesers.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler