Klein, Peter, Die „Gettoverwaltung Litzmannstadt“ 1940-1944. Eine Dienststelle im Spannungsfeld von Kommunalbürokratie und staatlicher Verfolgungspolitik. Verlag Hamburger Edition, Hamburg 2009. 683 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Unter der reichhaltigen Literatur über das Getto Litzmannstadt (Lodz) (hierzu zuletzt umfassend Gordon J. Horwitz, Gettostadt: Łódź and the making of a Nazi city, Cambridge/ Mass.; London 2008) nimmt das Werk Peter Kleins insofern eine Sonderstellung ein, als dieses erstmals primär von der Gettoverwaltung vor Ort durch den Bremer Großkaufmann Hans Biebow ausgeht. Klein beschreibt zunächst die Einrichtung der Gettogründung, die Ende 1940 abgeschlossen war, nachdem sich eine Evakuierung der Juden vornehmlich in das Generalgouvernement zerschlagen hatte. Die Gettoverwaltung unterstand im unmittelbaren Reichsauftrag der Ernährungs- und Wirtschaftsstelle Getto der Stadt Lodz (später „Gettoverwaltung Litzmannstadt“). Biebow war zuständig für die Sicherung und Finanzierung der Ernährung von 160.000 Personen, deren Durchführung der (Schein-)Autonomie der Judenältesten oblag. An deren Spitze stand Chaim Romkowski, der eine umfangreiche Verwaltung aufbaute, die auch eine eigene Polizei und Justiz mit einem „Getto-Rechtssystem“ umfasste (hierzu, leider nur sehr knapp, Andrea Löw, Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten, Göttingen 2006, S. 112ff.). Die Ältesten der Juden sahen es als ihre Aufgabe an, die Ernährung der Eingesperrten durch Arbeitsleistung zu sichern und die Subsistenz der beraubten Juden zu professionalisieren. Die deutsche Gettoverwaltung war, auch wenn sie eigene Interessen verfolgte, ein Instrument der Judenverfolgung und Judenvernichtung, deren Mitwirkung in der Anfangszeit der Verwaltung Romkowskis auferlegt wurde. Besonderes Gewicht legt Klein auf die polykratische Organisationsstruktur, die bestimmt wurde durch den Reichsstatthalter, die SS-Führung, die Polizei und Wirtschaftsorganisationen. Die Lektüre des Werkes wird dadurch etwas beeinträchtigt, dass es detaillierte Kenntnisse über den Verwaltungsaufbau im Reichsgau Wartheland, in dem Lodz lag, voraussetzt. Insgesamt bringt das Werk neue Details über die Anfänge des Holocaust und des Verwaltungshandelns in den eroberten Gebieten, ohne dass allerdings die rechtliche Einordnung immer hinreichend deutlich wird, zumal die Darstellung besonders im zweiten Teil einige Längen aufweist. Gleichwohl verdient das Werk auch die Aufmerksamkeit des Rechtshistorikers, der hier zahlreiche Details über die Verwaltungsgeschichte während der Kriegszeit und über ihre Akteure erfährt, deren Biographie für die Nachkriegszeit leider nicht mehr verfolgt wird.

 

Kiel

Werner Schubert