Heise, Volker, Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken – Exemplarisch dargestellt an den „Commentarii de iure civili“ von Hugo Donellus (1527-1591) (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 7). V&Runipress, Göttingen 2004. 314 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Wulf Eckart Voß angeregte und betreute, im Graduiertenkolleg Bildung in der frühen Neuzeit mit Unterstützung der deutschen Forschungsgemeinschaft erstellte, in Osnabrück angenommene Dissertation des Verfassers. Unter Ulpians Beschreibung der Jurisprudenz als divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia fragt der Verfasser nach dem Grund, der das Recht trägt. Ohne Bezug zu außerrechtlichen Faktoren hält er eine Findung einer gerechten Lösung bei der Entscheidung nicht nur bei Grenzfällen nicht möglich, wobei er stellvertretend für humanistisches Arbeiten das Werk Hugo Donellus’ nimmt und untersucht, wie sich in seinem juristischen Denken humanistische Ansätze mit calvinistischen Gedanken verbinden und dem Recht einen neuen Aussagegehalt verleihen.

 

Gegliedert ist die Arbeit außer in Einleitung und Ergebnis in drei Abschnitte. Dabei folgt den Grundlagen der Untersuchung die Beschäftigung mit den Commentarii de iure civili. Danach wird der calvinistische Einfluss aufgespürt.

 

Bei den Grundlagen bietet der Verfasser zunächst Donellus’ Biographie in Grundzügen mit den Hauptstationen Bourges, Heidelberg, Leiden und Altdorf, wobei am Ende die Commentarii als Lebenswerk erfasst werden. Im Anschluss hieran wendet sich der Verfasser dem juristischen Humanismus zu und erklärt nach Ermittlung des besonderen Ansatzes des Donellus zwischen mos Italicus und mos Gallicus Donellus als humanistischen Praktiker. Danach untersucht er Naturrecht und Gesetzesbegriff als Grundbegriffe calvinistischer Ethik.

 

Bei den Commentarii beginnt er mit der Rechtslehre des Donellus, in der das römische Recht als herausragendes Beispiel Vorbildfunktion einnimmt. Auf dieser Grundlage kritisiert Donellus jedoch die überkommene römische Legalordnung und versucht zwecks besseren Verständnisses der Einzelsätze eine Neusystematisierung. Der Verfasser versteht die Subjektivierung des Rechts als Grundstruktur des Systems und das System als Abbild der Einheit des Rechts und als Sinnbild der Gerechtigkeit.

 

Bei der Untersuchung des calvinistischen Einflusses auf das Rechtsdenken des Donellus sieht er bereits das ius divinum als Beispiel an. Besonderes Gewicht misst er dem Einfluss auf die Darstellung des Naturgesetzes bei. Auch die Systematik versteht er als Beispiel für calvinistischen Einfluss, doch wirkt sich auch der Dekalog auf das System in beachtlicher Weise aus.

 

Als wesentliches (nach dem Verfasser wesentlicher) Verdienst des Donellus sieht der Verfasser die Hervorhebung der individuellen Komponente im Recht und die Herausbildung eines Systems individueller Rechte. Dabei geht Donellus von bestehenden Ansätzen im römischen Recht aus, prägt aber seine Rechtslehre individuell durch die Verwendung calvinistischen Denkens. Insbesondere macht sich Donellus in der Gemengelage von Rechtswissenschaft, Theologie und Moralphilosophie die Ansicht Calvins zu Nutze, dass das Naturgesetz und das Gesetz Gottes deckungsgleich sind.

 

Nach den gründlichen Überlegungen des Verfassers sieht Donellus den Menschen  unter dem ethischen Anspruch des Naturgesetzes, der Gerechtigkeit und der Billigkeit. Um seiner Verantwortung gerecht zu werden, muss der Mensch sich in der Gestaltung seiner rechtlichen Handlungen an Regeln wie den praecepta iuris und dem Dekalog ausrichten. Dabei kann ihm das von Donellus erarbeitete System der individuellen Rechte behilflich sein.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler