Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, Albrecht (= Hansische Studien 17). Porta Alba Verlag, Trier 2007. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Es kann sein, dass einem Herausgeber und einem Rezensionsinteressenten ein Buchtitel auffällt und der Herausgeber ihn bestellt und dem Interessenten zusagt. Wenn der Herausgeber dann das Werk nicht erhält, kann er es dem Interessenten nicht zusenden. Im Zweifel kann er das Buch dann nur ausleihen und selbst in einigen Worten anzeigen.

 

Unter dem genannten Buchtitel befasste sich die durch ein Blockseminar gespiegelte und begleitete Rostocker Pfingsttagung des hansischen Geschichtsvereins 2005 mit der Rechtsgeschichte des Hanseraums. Die dort gehaltenen Referate hat der Herausgeber geringfügig erweitert zum Druck gebracht. In Freundschaft gewidmet ist das in zwei Teile gegliederte Werk dem verdienstvollen Ehrenhanseaten Götz Landwehr.

 

Unter einer Abbildung der Innenseite der Türe des Audienzsaales des Rathauses Lübecks mit Gerichts- und Gerechtigkeitsmotiven befasst sich zunächst Udo Schäfer mit Hanserezessen als Quelle hansischen Rechts und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Hanserezesse Protokolle sind, so dass normativen Charakter immer nur einzelne Elemente der Niederschriften haben können.. Volker Henn betrachtet die Hansekontore in Nowgorod, London, Brügge und Bergen und ihre Ordnungen. Dabei kann er zeigen, dass die Kontorordnungen hansisches Recht enthalten, das auf älterem Gewohnheitsrecht beruht, das durch Satzungen und Beschlüsse erweitert wurde.

 

Carsten Jahnke untersucht hansisches und anderes Seerecht, das vor allem aus Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Betriebsrecht und Handelsrecht für Seefahrzeuge besteht, und zieht aus seinen Ermittlungen den Schluss, dass es ein hansisches Seerecht vor dem 16. Jahrhundert nicht gibt, weil die Hanse nur ein Teil eines größeren internationalen Gefüges ist. Nils Jörn zeigt, dass eine statistische Auswertung der Inanspruchnahme der Reichsgerichte durch die Hanse durchaus zu interessanten Ergebnissen führen kann. Tiina Kala legt dar, dass sich in Revaler Quellen bis zum 16. Jahrhundert ein Zurückdrängen der Mündlichkeit durch Schriftlichkeit nicht feststellen lässt.

 

Im zweiten, über die Hanse ausgreifenden Teil der Tagung verneint Friedrich Ebel, der sein Manuskript gerade noch vor seinem frühen Tod abschließen konnte, eine lex mercatoria im strengen Wortsinn, bejaht aber ein europäisches ius mercatorum. Nach Frank Eichler gehören zu den Quellen des Hamburger Stadtrechts Landrecht und Lübecker Recht als einzelne Ströme, daneben auch viele einzelne Rinnsale aus ganz verschiedenen Richtungen. Tilman Repgen schält aus der Sicherung der Mietzinsforderungen des Wohnungsvermieters  im mittelalterlichen Hamburger Stadtrecht den Gedanken der prinzipiell gleichen freien Selbstbestimmung der Person auf der Ebene des Privatrechts heraus, während Stephan Dusil auf Grund seiner inzwischen veröffentlichten Forschungen eine Südwestfalen umspannende Soester Stadtrechtsfamilie als historiographische Fiktion erweisen kann.

 

Den Beschluss bildet eine nachträgliche Stellungnahme des Herausgebers zu Wilhelm Ebels Referat zum Tagungsthema in Celle 1949. Danach ist Ebels Konzeption eines homogenen, wirtschaftsrechtlichen Raums Nordeuropa aus den Zeitumständen zu verstehen. Gleichwohl vermag der Herausgeber positiv hierauf aufzubauen und schlägt vor, hansisches Recht als die materiellen und prozessualen Rechtssätze zu verstehen, die neben, zwischen oder über den einzelnen Stadtrechten hansischer Städte eine einheitliche und gemeinsame Ordnung des hansischen Rechtslebens (und des Wirtschaftsverkehrs insbesondere) schaffen konnten und schufen.

 

Insgesamt erscheint damit hansisches Recht in neuer Form und neuem Rahmen zu neuem Leben erweckt. Dafür ist allen Beteiligten sehr zu danken. Ein von Administration bis Zurückbehaltungsrecht reichendes Register erschließt den vielseitigen Sammelband vorteilhaft.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler