Hanawalt, Barbara A., The Wealth of Wives - Women, Law, and Economy in Late Medieval London. Oxford University Press, Oxford 2007. XIV, 317 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Nach der These dieses Buches leisteten Frauen nicht so sehr − wie bislang angenommen − durch ihre Arbeitskraft einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung Londons im Spätmittelalter, sondern vielmehr durch die Weitergabe von Vermögen (insbesondere durch Heirat).

 

Im ersten Teil wird auf der Grundlage einer Vielzahl von Einzelbeispielen der Lebensweg von Frauen von der Geburt bis zur (Wieder-)Heirat nachgezeichnet. Kapitel 1 (Daughters and Identities) fragt, ob alle Kinder gleichbehandelt wurden. Am Beispiel der Londoner Vorschriften zu Erbschaftsangelegenheiten wird aufgezeigt, dass dies von offizieller Seite aus durchaus der Fall war. Allerdings wird vermutet, dass im familiären Umfeld Unterschiede gemacht wurden, sich zum Beispiel in den Familien intensiver um männliche Kleinkinder gekümmert worden sein könnte, da 10% weniger Mädchen im court of orphans nachzuweisen sind. Kapitel 2 (Education and Apprenticeship) bestätigt, dass die Erziehung von Mädchen darauf abzielte, sie auf die Ehe vorzubereiten, wobei sich ihr Marktwert steigerte, wenn sie jungfräulich in die Ehe gingen. Aus dem folgenden Kapitel (Inheritance, Dowry, and Dower) geht hervor, dass Mädchen bei Erreichen der Volljährigkeit (21 Jahre) oder zum Zeitpunkt der Eheschließung (in der Regel mit 16 Jahren) ihr Erbe antreten durften. Wenn möglich wurde Land von den Eltern an die Mädchen vererbt, wie auch Grundbesitz gerne als Mitgift (dowry) gegeben wurde. Das Wittum (dower) konnte im Rahmen der Eheschließung ausgehandelt werden und es konnte auch Land umfassen, doch konnte Grundbesitz von Ehemännern nicht auf ihre Frauen vererbt werden. Falls das Wittum nicht zu Beginn der Ehe festgelegt wurde, erhielt die Witwe beim Tod ihres Mannes ein Drittel seines Gutes auf Lebenszeit, falls es Kinder gab, oder (seit 1356) die Hälfte, falls die Ehe kinderlos geblieben war. Da die Bedeutung der Heirat zentraler Bestandteil der These dieses Buches ist, wird der Eheschließung ein ganzes Kapitel gewidmet (Kapitel 4, The Formation of Marriage), wobei sich allerdings die Frage stellt, warum Aspekte wie Hochzeitsfeier und Liebe behandelt werden müssen. Im nächsten Kapitel Kapitel 5, Recovery of Dower and Widow’s Remarriage) wird das Ende einer Ehe thematisiert. Witwen waren durchaus in der Lage, gegebenenfalls um ihr Wittum zu kämpfen, und gingen häufig kurz nach dem Tod des Partners eine neue Bindung ein, wobei die neuen Ehemänner oftmals denselben Beruf ausübten wie der verstorbenen Ehemann. Da Frauen oftmals früh verwitweten, konnten sie mehrmals heiraten und so ein beträchtliches Vermögen anhäufen. Kapitel 6 (For Better or Worse: The Marital Experience) befasst sich näher mit der Ehe, die als lebenslange Partnerschaft angesehen wurde, in der die Frau der untergeordnete Partner war.

 

Die Erkenntnisse, die sich aus diesen Kapiteln gewinnen lassen, sind nicht wirklich neu. Wer hätte bestritten, dass Witwen Vermögen vererben konnten? Wer nun aber erwartet, dass im zweiten Teil des Buches diese These durch Kontrastierung mit der bisherigen Forschungsmeinung untermauert wird, sieht sich enttäuscht, denn in den verbleibenden drei Kapiteln werden, nach dem nun schon gewohnten Muster, alle nur erdenklichen Aspekte aus dem wirtschaftlichen Lebensbereich von Frauen angesprochen und ausführlich an Hand von Einzelbeispielen beschrieben. Hier geht es um Frauen als Konsumenten (Kapitel 7, Standard of Living and Women as Consumers), Unternehmer (Kapitel 8, Women as Entrepreneurs) und Dienstleister (Kapitel 9, Servants, Casual Labor, and Vendors). Der Leser nimmt die Erkenntnis mit, dass Frauen mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Vermögen einkaufen konnten und sie in der Lage waren, ein Geschäft zu führen, doch die Mehrzahl der Frauen sich als Dienstmagd verdingen mussten.

 

Im Kapitel 10 (Conclusion) werden die Kapitel zusammengefasst und wird die These wiederholt. Ein Glossar erläutert einige wichtige Begriffe und ein Namens-, Sach- und Ortsindex erschließt den Band.

 

Das Buch basiert hauptsächlich auf Sekundärliteratur und gedruckten Quellen, mit gelegentlichem Rückgriff auf ungedrucktes Material, wozu ich jedoch nicht den Ancient Deeds Catalogue, ein Findbuch, zählen würde, der unter Manuscript Sources aufgelistet ist. Zumindest eine Fußnote ist fehlerhaft (vgl. S. 260 Anm. 74: Ein Statute of Treason 26 Edward III c. 2 gibt es nicht) und die beiden Kanzleipetitionen, die ich überprüft habe, sind nicht richtig verstanden worden: John Nele verlangte keinen Schadenersatz für die Vergewaltigung seiner fünfjährigen Tochter, wie auf S. 47 behauptet. Richard Roberd, der sich mit seiner Petition an den Kanzler wandte, beklagte vielmehr, dass Nele eine Trespassklage gegen ihn eingereicht hat und zugleich die Stellung von Surety of Peace vor dem Bürgermeister und den Sheriffs von London verlangte. Er konnte außerdem keine Bürgen stellen to his utter slaundre and damage’, da er aufgrund des Befehls eines Ältermannes inhaftiert war, und erbat daher ein corpus cum causa writ (C1/66/233). Und der Schuldner John Peris war nicht aus London geflohen und hatte seine Frau ins Gefängnis gehen lassen, obwohl er die Verbindlichkeiten aus seinem Vermögen hätte begleichen können, wie man auf S. 171 lesen kann. Peris war vielmehr ‚daily present within the citee of London’. Daher beklagte seine Frau, dass der Gläubiger sie hatte verhaften lassen, während ihr Mann ‚at large’ war, was soviel bedeutet wie ‚frei’(C1/67/174).

 

Um die These dieses Buch zu belegen, wird weit, oftmals zuweit, ausgeholt. Das gesamte Spektrum wird abgehandelt, von wohlhabenden Frauen bis hin zu Bettlerinnen, von Ehefrauen bis hin zu Prostituierten. Es wird nicht deutlich, warum es zum Beispiel notwendig ist, Eheversprechen, Ungehorsam, Treue und Untreue, häusliche Gewalt, Einkaufsmöglichkeiten in London oder die Bedeutung der Privatsphäre zu erwähnen. Zur Untermauerung der These können die dort gemachten Ausführungen jedenfalls nicht dienen. Argumentiert wird allerdings auch in erster Linie mit der Aneinanderreihung von Beispielen, aus denen aber, je nach Gewichtung, alles herausgelesen werden kann. Eine echte Beweisführung wird nicht erbracht, was nur zum Teil an der mitunter dürftigen Quellenlage liegen dürfte. Es ist auch nicht ganz klar, an wen sich das Buch eigentlich richtet. Als Einführung in die Welt der spätmittelalterlichen Frauen scheint es – aufgrund der vielen Beispiele und der Breite der abgehandelten Themen – durchaus gelungen. Von der These bin ich jedenfalls nicht überzeugt. Aber schließlich wollte Hanawalt ja auch nur die Basis für weitere Forschungen legen (S. vi).

 

Fürth                                                                                                                         Susanne Jenks