Grypa, Dietmar, Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866). Institutioneller Aufbau und soziale Zusammensetzung (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 37). Duncker & Humblot, Berlin 2008. 600 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die im Sommersemester 2005 von der geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt angenommene Habilitationsschrift des bei Heinz Hürten am 5. Mai 1987 beginnenden, bei Walter Ziegler promovierten, 1991 mit Studien zu Kriegsende und Neuanfang im Landkreis Altötting hervorgetretenen, der Zeitschrift bereits als Rezensent bekannten Verfassers. Sie beschreibt in der Einleitung eingehend Fragestellung, Aufbau und Quellenlage, für die der Editionsstand nicht wesentlich über das bereits vor 1914 erreichte Niveau hinausgelangt ist. Die wichtigste Grundlage der Studie bildet freilich die davon unabhängige archivalische Überlieferung des preußischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, wobei vor allem die Personalakten im Mittelpunkt stehen, für die sich ein normierter Fragebogen erst nach 1865 nachweisen lässt.

 

Die Arbeit gliedert sich in zwei Abschnitte. Zunächst beschreibt der Verfasser den institutionellen Aufbau des diplomatischen Dienstes. Danach wendet er sich der sozialen Zusammensetzung zu.

 

Der institutionelle Aufbau geht vom bestimmenden König und seiner Familie, vom königlichen Kabinett und vom Hof und der Hofgesellschaft aus. Daran schließt sich die Beschreibung des Ministeriums an, das sich vom Kabinettsministerium zum Ressortministerium fortbildete. In seinem Mittelpunkt stehen naheliegenderweise die Minister von Hardenberg bis zu Bismarck, der selbst als Quereinsteiger in den auswärtigen Dienst gelangte und diesem Weg auch später Raum gewährte.

 

Bedeutsam sind die einzelnen diplomatischen Missionen. Sie betreffen im Deutschen Bund die Bundestagsgesandtschaft, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen. Anhalt, Baden, Bayern, Braunschweig, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Lippe-Detmold, Lippe-Schaumburg, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Österreich, Oldenburg, Reuss-Ebersdorf, Reuss-Ebersdorf-Lobenstein, Reuss-Greitz, Reuss-Lobenstein, Reuss-Schleitz, Sachsen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck und Württemberg, außerhalb des Deutschen Bundes Belgien, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Krakau, La-Plata-Staaten, Lucca, Mexiko, Modena, Neapel, Niederlande, osmanisches Reich, Parma, Persien, Portugal, Russland, Sardinien, Schweden, Schweiz, Spanien, Toskana, Vatikan und Vereinigte Staaten von Amerika sowie kurzzeitig Zentral-Amerika und Neu-Granada. Für sie alle führt der Verfasser das Personal unter Berichtigungen in Einzelfällen umfassend auf.

 

Bei der sozialen Zusammensetzung beginnt der Verfasser mit der Aufnahme, bei der er zwischen Tradition und Neubeginn und zwischen Examen und Bewährungsaufstieg unterscheidet. Für die Herkunft seiner etwa 630 Personen sucht er nach Verwandtschaftsbeziehungen, Adel, Region, Konfession, Schule und Studium. Die Laufbahn überprüft er ebenso gründlich wie die Bezahlung.

 

In der übersichtlichen Zusammenfassung seiner vielfältigen neuen Erkenntnisse geht er vom König aus, der seine Macht dem Minister nur lieh und der dem Außenministerium große Aufmerksamkeit schenkte. Im diplomatischen Corps kann er drei Generationen unterscheiden, wobei die Einführung des diplomatischen Examens im Jahre 1827 sehr starke Veränderungen bewirkte. Von den vielleicht 20000 adeligen Familien Preußens lassen sich 160 im auswärtigen Dienst nachweisen, dem katholischen Glauben gehörten rund 16,5 Prozent der Amtsträger an.

 

Größte Bedeutung hatte das Leistungsprinzip. Große Schwierigkeiten bereitete die angemessene Vergütung. Insgesamt spricht die beeindruckende, durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis abgesicherte und durch ein ausführliches Register aufgeschlossene, gründliche und klare Untersuchung alle erkennbaren Fragen angemessen an und kann so als gutes Vorbild für parallele Forschungen dienen.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler