Grundlagen der modernen bayerischen Geschichte. Staat und Politik im Spiegel der Regierungsprotokolle des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Willoweit, Dietmar (= Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 78). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 133 S. Besprochen von Dietmar Grypa.

 

Der vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegebene Band dokumentiert die Referate einer Tagung, die von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Februar 2003 durchgeführt wurde und die 2005 noch einmal aktualisiert wurden. Das Kolloquium verstand sich „als Schlüssel zu den Regierungsprotokollen“ Bayerns, wie es Lothar Gall, der Präsident der Historischen Kommission, formulierte (S. 7). Der zeitliche Horizont der Aufsätze des Bandes spannt sich vom späten Kurfürstentum über das Königreich bis zum Freistaat Bayern. Reinhardt Stauber, der die von der Historischen Kommission getragene Edition der Protokolle der Geheimen Staatskonferenz, des Staatsrats und des Geheimen Rats von 1799 bis 1817 konzipiert und vor seiner Berufung nach Graz deren ersten Band bearbeitet hat, schildert die institutionelle Neuorganisation der obersten bayerischen Staatsbehörden unter Montgelas und stellt ihre archivalische Überlieferung dar. Er zeigt, dass die personelle Kontinuität trotz des Regierungswechsels von 1799 relativ hoch war, und bietet ausgesprochen anregende Ausführungen zur Verwaltungstechnik und Arbeitspraxis der vorgestellten Staatsorgane (S. 15-45). Bernhard Grau, Archivar im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, stellt die Protokollserien von Staatsrat und Ministerrat für die Zeit von 1817 bis 1918 als Quellen für das Regierungshandeln von Monarch und Kabinett vor. Hierbei weist er mit zwei Graphiken sehr eindrücklich auf die sich in Qualität und Quantität sehr stark von einander unterscheidende Überlieferungslage der Protokolle des Staats- bzw. Ministerrats hin (S. 46-69). Johannes Merz veranschaulicht am Beispiel der Sozialisierungsdebatte am Anfang der Weimarer Republik den Quellenwert der Protokolle des Bayerischen Ministerrats in den Jahren von 1919 bis 1933 (S. 70-82). Hermann Rumschöttel, der als Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns maßgeblich an der Institutionalisierung der Edition der Ministerratsprotokolle der Ära Montgelas und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mitgewirkt hat, widmet sich an Hand der Protokolle des Bayerischen Ministerrats in der NS-Zeit dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Ebenen staatlicher Verwaltung und den Organen der NSDAP. Rumschöttel gliedert den Wandel der bayerischen Exekutive hierbei in vier Phasen, in denen sich die bayerische Regierung nach der nationalsozialistischen Machtergreifung von der Versammlung der verantwortlichen Ressortminister zu einem „Gesamtministerium“ entwickelte, in dem in der Person des Gauleiters Paul Giesler ab 1942 alle Ministerämter der Landesregierung in einer Hand vereinigt waren (S. 83-93). Karl-Ulrich Gelberg, der bereits mehrere mustergültige Editionsbände der Protokolle des Bayerischen Ministerrats nach 1945 vorgelegt hat, verdeutlicht den Wert dieser Protokolle als Quelle zur bayerischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte der Nachkriegszeit (S. 94-113). Beschlossen wird der schmale, aber ausgesprochen anregende Band durch die Dokumentation der Podiumsdiskussion über „Verwendung und Gebrauchswert zeitgeschichtlicher Protokolleditionen in Forschung und Lehre“ (S. 114-129), die am Ende des Münchener Kolloquiums stand und an der mit Maximilian Lanzinner und Wolfgang Neugebauer auch die Leiter zweier besonders wichtiger außerbayerischer Editionsunternehmen beteiligt waren. Ein Personenregister (S.132-133) erleichtert den schnellen Zugriff auf die zahlreichen Informationen des Buches.

 

Eichstätt                                                          Dietmar Grypa