Fastenmayer, Birgit, Hofübergabe als Altersversorgung. Generationenwechsel in der Landwirtschaft 1870 bis 1957 (= Lebensalter und Recht 1 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 246). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. X, 312 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das Werk entstand als Dissertation von 2007 im Rahmen der unter der Leitung von Stefan Ruppert stehenden selbstständigen wissenschaftlichen Arbeitsgruppe „Lebensalter und Recht“ am Frankfurter Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte. Das umfangreiche Programm dieser 2005 begründeten Arbeitsgruppe befasst sich u. a. mit Fragen des Sozial-, Arbeits-, Jugend-, Straf- und Familienrechts. Ein wichtiges Teilgebiet betrifft die Altersversorgung in der Landwirtschaft, über die umfangreiche Enqueten bereits für die Zeit der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts vorliegen (vgl. S. 8). Beginn und Ausgestaltung des Alters in der Landwirtschaft sind, so Fastenmayer, „das Ergebnis einer sozialen, rechtlichen und individuellen Definition“ (S. 2). Diese Einschätzung stützt sich auf die Grundannahme der Nachwuchsgruppe, dass das menschliche Lebensalter ein soziales Konstrukt sei, ebenso wie die Zeit, nach der es sich bemesse. Die Untersuchungen Fastenmayers befassen sich von der Zeit des späten 19. Jahrhunderts an bis zur frühen Bundesrepublik. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht der Hofübergabevertrag, der Eigentum und Altersversorgung miteinander verknüpft, was bis heute den landwirtschaftlichen Generationenwechsel bestimmt. Die in agrarpolitischen Diskussion vertretenen Reformvorschläge werden nach juristischem Ansatzpunkt, ideengeschichtlicher Herkunft und Praktikabilität analysiert (S. 10). Das erste Kapitel befasst sich mit der Kaiserzeit und der Weimarer Zeit unter der Überschrift: „Freiheit in der Krise: Der hofinterne ,Generationenvertrag’ im Interventionsstaat“ (S. 17-133). Die in der nur kurz geschilderten Bauernbefreiung errungene Vertragsfreiheit hinsichtlich des Zeitpunkts der Hofübergabe und der Versorgungselemente blieb trotz einiger interventionistischer Bestrebungen, die Fastenmayer im Einzelnen darlegt (S. 41ff.), erhalten. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestätigte in diesem Zusammenhang im EGBGB die Vertrags- und Vergabefreiheit (vgl. hierzu auch die Verhandlungen der 1. BGB-Kommission bei Jakobs/Schubert, Beratungen des BGB, Recht der Schuldverhältnisse III, 1983, S. 432ff.; dies., EGBGB und Nebengesetze, 1990, Teilband 1, S. 540ff.). Im Einzelnen erörtert Fastenmayer den Übergabezeitpunkt (S. 69ff.), wobei sie zwischen der Diskussion über verfrühte Übergaben am Ende des 19. Jahrhunderts und über infolge des Kapitalverlustes verzögerten Übergaben nach dem 1. Weltkrieg unterscheidet. Als Elemente der Altersversorgung arbeitet Fastenmayer im Einzelnen heraus den Altenteil (Natural-, Geld- und Dienstleistungen, Taschengeld, Wahlrechte), den Übernahmepreis (Gutsabstandsgeld) und dingliche Elemente (Rückauflassungsrecht, sog. Eigentumsvorbehalt, Nießbrauch, dingliche Sicherung der Altenteilsleistung). Eine außerfamiliale Absicherung war möglich durch private Versicherung, seit 1889/99 auch durch eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Zwangsversicherung wurde abgelehnt.

 

Im zweiten Kapitel: „Zwang und Kontrolle: Der Generationenwechsel unter staatlicher Lenkung im Nationalsozialismus“ (S. 135-203) geht es um die Einführung eines Zwangsanerbenrechts durch das Reichserbhofgesetz von 1933 und die Möglichkeiten umfassender Vertragskontrolle durch die Anerbengerichte. Hinzu kam noch für die nicht dem Anerbenrecht unterliegenden landwirtschaftlichen Betriebe und Grundstücke eine Verschärfung des Grundstücksverkehrs im Jahre 1937, die auch Verwandtengeschäfte der durch den Kreisbauernführer vorzunehmenden Genehmigung unterwarf. Zu dessen Genehmigungspraxis liegen bisher keine Einzelheiten vor, während für die Praxis der Anerbengerichte reichhaltiges Material vorhanden ist. Im Einzelnen behandelt Fastenmayer insbesondere die Möglichkeiten der Abmeierung und der Pflicht zur Hofübergabe. Im Genehmigungsverfahren konnten gesetzliche Erbfolge und lebzeitige Übergabe in Übereinstimmung gebracht werden. Die Altenteiler konnten nur noch Naturalleistungen und grundsätzlich keine Geldrenten mehr verlangen. Nicht genehmigungsfähig waren Grundstücksvorbehalte, dingliche Sicherungen des Altenteils, Wegzugsklauseln und Gutsabstandsgelder. – In dem der unmittelbaren Nachkriegszeit und der frühen Bundesrepublik gewidmeten dritten Kapitel (S. 205-277) behandelt Fastenmayer zunächst das Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 20. 2. 1947, mit dem das Erbhofgesetz und das Grundstücksverkehrsgesetz aufgehoben, jedoch gleichzeitig die Veräußerung und Belastung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke einer behördlichen Genehmigung unterstellt wurden. Zur selben Zeit wurde für die Britische Zone eine Höfeordnung erlassen, die für Höfe ab einem bestimmten Einheitswert bis 1976 zwingend galt. Für die Auswahl des Hofnachfolgers ließ jedoch die Höfeordnung einen weitaus größeren Spielraum als das Reichserbhofgesetz.

 

Der Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen liegt auf der Überalterung und dem Generationenkonflikt sowie in der Übergabepraxis, über die umfangreiche agrarsoziologische und agrarpolitische Untersuchungen vorliegen (S. 220ff., 235ff.). Über den Zeitpunkt der Übergabe und die Ausgestaltung des Unterhalts herrschte wieder Vertragsfreiheit. Die Tendenz zum Geldanteil verstärkte sich. Die spezielle Praxis in den Geltungsgebieten der Höfeordnung einschließlich der Judikatur ist nicht gesondert behandelt worden. Zur Lösung der „sozialen Frage“ in der Landwirtschaft (S. 258ff.) und der Übergabeproblematik der Nachkriegszeit führte der Gesetzgeber 1957 im Gesetz „über eine Altershilfe der Landwirte“ (GAL) ein eigenständiges staatliches Alterssicherungssystem für eine selbstständige Personengruppe ein. Mit Vollendung des 65. Lebensjahrs konnte ein Landwirt die „Altershilfe“ (neben den Altenteilsleistungen) beziehen, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Hofübergabe erfolgt war. Bis 1965 verdreifachten sich daraufhin die Übergaben, die sich auf das 65. Lebensjahr des Hofeigentümers konzentrierten. Indem das GAL den, so Fastenmayer in ihrer präzisen Zusammenfassung, „den Eintritt des versicherten Risikos mit dem Übergabezeitpunkt gleichsetzte, generalisierte es den Beginn des Alters in der Landwirtschaft“. So habe die Altersgrenze von 65 Jahren „zu einer wirkmächtigen Zäsur im bäuerlichen Lebenslauf“ werden können.

 

Insgesamt war die Kontinuität in der unmittelbaren Nachkriegsentwicklung auf dem Gebiet des Agrarrechts deutlicher als der Bruch mit der NS-Gesetzgebung (vgl. S. 217ff.), eine Thematik, die noch eingehenderer Analysen insbesondere auch der Judikatur (insbesondere auch zur Höfeordnung) und der Genehmigungspraxis bedarf. Mit Recht hat Fastenmayer für ihre Untersuchungen einen „nationalen Zuschnitt“ (S. 12) gewählt. Gleichwohl wäre eine zusammenfassende Einbeziehung der Entwicklung in Österreich nützlich gewesen, wo das Reichserbhofgesetz zum 27. 7. 1938 eingeführt und wo 1958 ein neues Anerbengesetz erlassen wurde. Instruktiv wäre auch ein detaillierterer Ausblick über die Zeit seit 1965 hinaus gewesen (vgl. S. 275ff.), besonders im Hinblick auf die Höfeordnung von 1947. Mit dem Werk Fastenmayers liegt ein wichtiger, spezifisch rechtshistorischer Beitrag zur Thematik „Lebensalter und Recht“ unter Einbeziehung des Zivil-, Sozial- und öffentlichen sowie privatrechtlichen Agrarrechts vor, der gleichzeitig unter Berücksichtigung der Agrarsoziologie und Agrarpolitik interdisziplinär angelegt ist.

 

Kiel

 

Werner Schubert