Eßer, Dirk, Gneist als Zivilrechtslehrer. Die Pandektenvorlesung des Wintersemesters 1854/55. Mit kommentierter Edition der Vorlesungsnachschrift von Robert Esser (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Neue Folge 105). Schöningh, Paderborn 2004. 665 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Klaus Luig auf der Grundlage einer in seiner Institutsbibliothek seit einem antiquarischen Erwerb vom 5. März 1970 vorhandenen Vorlesungsmitschrift angeregte und betreute, im Wintersemester 2001/2002 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angenommene Dissertation des fast neun Jahre am Institut tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer ganz kurzen Vorbemerkung in zwölf Teile. Davon nimmt der Teil i mit den Seiten 139-621 den größten Raum ein.

 

Der in Berlin am 13. August 1816 als Sohn eines Justizkommissars geborene Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von Gneist wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin 1845 außerordentlicher und 1858 ordentlicher Professor. Bekannt wurde er vor allem durch seine staatsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Arbeiten und sein Wirken als Politiker, der sich zunächst Bismarck entgegenstellte, später jedoch Bismarck gegen Sozialisten und Klerikale unterstützte und maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze der Jahre 1877/1879 sowie die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungstätigkeit förderte. Da er zivilrechtlich vor allem mündlich als Universitätslehrer hervortrat, schließt die Bearbeitung einer 1221 Seiten starken Mitschrift seiner zwischen 260 und 320 Stunden umfassenden Pandektenvorlesung eine Lücke.

 

Der Verfasser geht nach wertvollen Ausführungen zu Leben und Werk Rudolf von Gneists nacheinander auf Einleitung, Sachenrecht, Schuldrecht, Familienrecht und allgemeine Lehren ein. Das wohl am Ende stehende Erbrecht spart er wegen der Gedrängtheit des relativ selbständigen Gebietes von seiner Untersuchung leider aus. Im Ergebnis sieht der Verfasser Gneist als Vertreter der historischen Rechtsschule, der übertriebene Begrifflichkeit ablehnt und aus nichtwissenschaftlichen, politischen Gründen bis 1858 auf seine Beförderung zum ordentlichen Professor warten muss.

 

Im Anschluss an diese Darlegungen geht der Verfasser auf die Mitschrift ein. Ihr Autor wurde in Köln am 15. April 1833 als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin, Heidelberg und Bonn ließ er sich in Köln als Rechtsanwalt nieder und wurde 1918 zum Ehrendoktor der juristischen Fakultät der Universität Bonn ernannt. Er verstarb in Köln am 11. Mai 1920.

 

Die Edition in Teil i folgt der Mitschrift, führt aber zwischen Familienrecht und allgemeinen Lehren auch das nicht besonders untersuchte Erbrecht auf. Den Beschluss bilden Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Register zur Vorlesungsnachschrift und ein Personen- und Sachregister zur Untersuchung. Wer immer sich mit Gneist als Zivilrechtler und der zivilrechtlichen Vorlesungspraxis in Berlin der Mitte des 19. Jahrhunderts näher befassen will, hat dafür mit dieser Arbeit eine vorzügliche Grundlage.

 

Innsbruck                                                                                                                  Gerhard Köbler