Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen - RGSt Band 78 -, hg. v. den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Reichsanwaltschaft, fortgeführt für die Zeit von Mai 1944 bis März 1945 v. Schubert, Werner. De Gruyter, Berlin 2008. X, 245 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Deutschland kennt kein seit seiner Entstehung bewahrtes einheitliches Gericht. Obwohl dem König des deutschen Reiches nach den Worten Eike von Repgows das Gericht, wohin immer er kommt, ledig ist, liegen über das frühmittelalterliche Königsgericht nur bruchstückhafte Berichte vor und beschränkt sich die königliche Gerichtsbarkeit schon im 13. Jahrhundert tatsächlich nur noch auf wenige Gerichte, zu denen in erster Linie das mit ihm ziehende Hofgericht zählt. Vielleicht im 14. Jahrhundert, aus dem mehr als 7400 - und damit 74 pro Jahr -Nachweise für Verfahren am Königshof bekannt sind, entsteht ein königliches Kammergericht, dem 1495 das vom König verhältnismäßig unabhängige Reichskammergericht und danach der Reichshofrat als Obergerichte folgen, deren Tätigkeit am 6. August 1806 mit dem Reich endet.

 

Da 1848 geplante Reichsgerichte mit dem geplanten Deutschen Reich scheitern, findet sich ein Reichsgericht unter diesem Namen erst im Deutschen Reich von 1871. Nach Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts und des Strafprozessrechts in den Reichsjustizgesetzen des Jahres 1877 wird es in Leipzig am 1. 10. 1879 mit drei Strafsenaten eröffnet. Seine Entscheidungen in Strafsachen sind in einer Auswahl von den Mitgliedern des Reichsgerichts und der Reichsanwaltschaft in 77 Bänden veröffentlicht, wobei der letzte Band bis Seite 443 reicht und in einigen Bibliotheksexemplaren, bedingt durch die Wirren des zweiten Weltkriegs, die letzte Lieferung bereits fehlt.

 

Zwar dürfte nach der umsichtigen Einführung noch eine Teillieferung für den anschließenden Band 78 gedruckt worden sein. Sie wurde jedoch nicht mehr ausgeliefert. Verantwortungsbewusst hat sich Werner Schubert dieser Lücke angenommen und die Sammlung damit sachgerecht abgeschlossen.

 

Die Mehrzahl der Urteile stammt aus der nach (fünf) Senaten geordneten Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs. Weitere Urteile mit dem Vermerk „wird abgedruckt“ konnten aufgefunden werden in der losen, sehr unvollständigen Urteilssammlung im Bundesarchiv Berlin (Abt. Hoppegarten) und in den überlieferten Prozessakten im Bundesarchiv. Für die damit verbundene Mühe ist dem Herausgeber sehr zu danken.

 

Insgesamt sind auf diese Weise 74 grundsätzlich chronologisch geordnete Entscheidungen zwischen dem 19. 5. 1944 (zur Auslegung und Unteilbarkeit des Strafantrags) und dem 8. 3. 1945 (Vorrätighalten von Wein zum Verkauf) zusammengekommen. Der Herausgeber hat sie dankenswerterweise mit einem sachlichen Inhaltsverzeichnis und einem Gesetzesverzeichnis sowie Hinweisen zur Edition der Quellen und sechs Biographien versehen. Da der Verlag leider kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte und auch die Ausleihe sich nicht ganz einfach gestaltete, verzögerte sich der Hinweis auf das wertvolle Werk bedauerlicherweise etwas.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler