Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern. Band 2 Das Kabinett Bock 1947-1948, Redaktion Furtwängler, Martin/Romeis, Wilma, bearb. v. Raberg, Frank (= Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern 1945-1952, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Teil III). Kohlhammer, Stuttgart 2008. CI, 494 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Mit der Annahme der Verfassung des Landes Württemberg-Hohenzollern und der Wahl des ersten Landtags am 18. 5. 1947 war das neue Land fest etabliert. Der vorliegende Band enthält die 69 Protokolle des Kabinetts Bock vom 24. 7. 1947 bis zum 13. 8. 1948. Bock, am 8. 7. 1947 zum Staatspräsidenten gewählt, hatte, obwohl die CDU über die Mehrheit der Sitze im Landtag verfügte, eine Allparteienregierung unter Ausschluss der KPD mit der SPD und der DVP gebildet. Bocks Stellvertreter war Justizminister Carlo Schmid, der das Direktorium (Staatssekretariat) von Württemberg-Hohenzollern bis Mitte 1947 geleitet hatte. In seiner ausführlichen Einleitung geht Raberg zunächst auf die Organisation des Staatsministeriums unter detaillierter Beschreibung der einschlägigen Bestimmungen der Verfassung und der Geschäftsordnung ein. Ein weiterer Abschnitt behandelt den Aufbau der Regierung und der Ministerien (Staatskanzlei, Justiz-, Innen-, Kultus-, Landwirtschafts- und Arbeitsministerium). In seiner Regierungserklärung vom 22. 7. 1947 verteidigte Bock, der in der Weimarer Zeit Vorsitzender der Landtagsfraktion des Zentrums im württembergischen Landtag gewesen war, den bundesstaatlichen Charakter der deutschen Staatsgestaltung und sprach in diesem Zusammenhang davon, dass Deutschland „kein Machtstaat, sondern ein Kulturstaat“ sein solle (S. XXIX). Er wies darauf hin, dass der Aufbau der Justizverwaltung abgeschlossen sowie das „so bewährte Notariat“ wieder ausgebaut und „auch durch die Ausbildung von qualifiziertem Nachwuchs sichergestellt“ worden sei (S. XXXI). Aus diesem Grunde nehmen Fragen der Justiz und der diese betreffenden Gerichtsverfassung nur noch einen geringen Raum ein. Beispielsweise wurde im Kabinett das am 14. 5. 1948 verkündete Gesetz über die Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege, die auf der Basis der Strafrechtsreform von 1924 erfolgte, behandelt (S. 23, 233). Hingewiesen sei auf Emil Niethammer (gest. 1956), der in der Strafprozesskommission des Reichsjustizministeriums (1936-1938) eine wichtige Rolle gespielt hatte und der von Mitte 1947 bis 1950 Präsident des OLG Tübingen und Präsident des Staatsgerichtshofs von Württemberg-Hohenzollern war (S. 4 f.). Niethammer, der sich bis 1947 für die CDU parlamentarisch betätigt hatte, war von 1953 an bis zu seinem Tod auch Mitglied der Großen Strafrechtskommission des Bundesministeriums der Justiz. Ausführlich behandelt Raberg die Entstehung des nur zögernd betriebenen Bodenreformgesetzes (S. XLff.), das zwar unter Bock im Kabinett nach ausführlichen Beratungen verabschiedet und vom Landtag im März 1948 angenommen worden war, von der Besatzungsmacht jedoch erst zum 22. 11. 1948 zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Drei Verordnungen von 1949 entschärften die angestrebte Bodenreform erheblich. Die wiederholte Behandlung des nur schwer erträglichen, durch Wildschweine angerichteten Wildschadens im Kabinett weist darauf hin, dass die Ausübung des Jagdrechts durch die Inhaber des Jagdrechts grundsätzlich ausgeschlossen war. Die vom Kabinett Bock wiederholt beratene Gemeinde- und Kreisordnung wird in Bd. 3 der Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern beschrieben werden (vgl. S. XI). Wichtige Beratungsgegenstände waren auch die Schulreform und das am 12. 4. 1948 verabschiedete Schulreformgesetz (S. 292f.), über dessen Inhalt und Schicksal man weitere Informationen vermisst (vgl. S. 304f.). Wichtig war auch das Gesetz über die Errichtung der vom Nationalsozialismus beseitigten Konsumgenossenschaften vom 6. 8. 1948, das Gesetz vom 6. 8. 1948 zur Änderung des Jugendschutzgesetzes, die vorläufige Betriebsrätewahlordnung, die Vorbereitung eines Betriebsrätegesetzes sowie das Gesetz über die Errichtung eines Oberlandesarbeitsgerichts (S. 441). Bedeutende Beratungsgegenstände waren ferner Fragen der politischen Säuberung (insbesondere des Lehrkörpers der Universität Tübingen), die Demontage und Requisition, die Ernährungslage und die finanzielle Situation des neuen Staates sowie die Neugliederung bzw. Wiedervereinigung Nord- und Südwürttembergs. Das Kabinett (Rücktritt der Regierung am 6. 8. 1948) scheiterte an der Eskalation der Konflikte mit der französischen Besatzungsmacht. Mit dem Band 2 der Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern (zu Bd. 1 Schubert, SZ GA 123 [2006], S. 617f.), dem noch zwei weitere Bände folgen sollen, liegt aus rechtsgeschichtlicher Sicht ein weiterer Baustein zur Rechtsgeschichte des südlichen Württemberg in der Nachkriegszeit und insgesamt ein wichtiger Beitrag zur unmittelbaren Nachkriegsgeschichte Deutschlands vor.

 

Kiel

Werner Schubert