Collins, Roger, Die Fredegar-Chroniken (= Studien und Texte 44). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2007. XVI, 152 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Oxford bei Peter Brown und John Michael Wallace-Hadrill ausgebildete und von dort nach Edinburgh gelangte Mittelalterhistoriker, der sich seit langem für die Geschichte des kontinentalen Frühmittelalters (Spanien, Basken, Araber, Franken) besonders interessiert, hat schon 1996 eine Studie über Fredegar vorgelegt. Im vorliegenden schmalen Band veröffentlicht er die Ergebnisse seiner langjährigen Beschäftigung mit den Fredegar-Chroniken. Sie beruhen auf dem Studium der Fredegar-Handschriften in vielen Bibliotheken und schließen selbst eine Frau als Verfasserin nicht aus.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach der einleitenden Fragestellung (ein Werk oder zwei? Kruschs Edition von 1888 ein Zwitter, der zwei Textformen verbindet, die in der handschriftlichen Überlieferung klar von einander geschieden sind) in zwei Teile. Der erste Teil behandelt die Fredegar-Kompilation. Der zweite Teil betrifft Childebrands und Nibelungs Historia vel Gesta Francorum.

 

Nach Einstufung des Verfassers handelt es sich bei Fredegar insgesamt um eine aus dem 7. Jahrhundert stammende, in vier oder fünf Bücher zerfallende, weder den Autor noch den Titel erkennen lassende Kompilation historischer Texte, die den gesamten Zeitraum von der Schöpfung bis zum abrupten Abbruch des Jahres 642 abdeckt. Dabei sind in eine Reihe älterer, ausdrücklich übernommener, ungefähr chronologisch geordneter Texte verschieden lange Einschübe aus meist nicht ermittelbaren Quellen eingebracht. Der letzte Teil des sehr persönlichen, wenn auch unfertigen Werkes eines ungewöhnlichen Individuums umfasst die Jahre 584 bis 642 mit neuen, nirgendwo anders aufzufindendem Material, von dem die jüngere Fortsetzung unterschieden werden muss.

 

Auf dieser Grundlage behandelt der Verfasser zunächst die Fredegar-Kompilation. Dabei fragt er nach den Autoren, erklärt den Namen als Erfindung frühneuzeitlicher Gelehrter und verwendet ihn gleichwohl für den Autor der allgemein als Chronik des Fredegar bezeichneten Sammlung. Nach umsichtigen Ausführungen über Entstehungszeit, Inhalt, Struktur und Quellen bietet er eine wertvolle Beschreibung der insgesamt  acht bzw. neun Handschriften in Augsburg, Basel, Bern, Leiden, London, Metz (verloren), Paris, Rom und Wien, von denen er der Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale lat. 10910 (von etwa 714/715) mit Krusch besondere Bedeutung einräumt.

 

Das zweite Werk ordnet er Childebrand und Nibelung zu und benennt es als Historia vel Gesta Francorum. Er hält seine Entstehung nach 774 für möglich. Auch hier beschreibt er die Handschriften sehr sorgfältig.

 

Am Ende äußert er sich zu Einfluss und Fortleben. Währende ein Einfluss Fredegars kaum wahrnehmbar ist, wird die Version Historia vel Gesta Francorum sehr schnell von zeitgenössischen Verfassern aufgenommen. Insgesamt legt der Verfasser damit für jedermann, der sich mit der frühfränkischen Überlieferung befassen will, einen guten Grund.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler