Bretschneider, Tim, Die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zum rechtlichen Gehör. Eine Auswertung der Rechtsprechung der Jahre 1990 bis 2003 (= Europäische Hochschulschriften 2, 4391). Lang, Frankfurt am Main 2006. 205 S., 26 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Ekkehard Schumann betreute, von der juristischen Fakultät der Universität Regensburg im Sommersemester 2004 angenommene, in zwölf Abschnitte gegliederte Dissertation des Verfassers. Sie beansprucht, die Bedeutung des rechtlichen Gehörs im verfassungsgerichtlichen Verfahren und in der Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs umfassend darzustellen. Dafür hat der Verfasser sämtliche (550) zwischen 1990 und 2003 eingebrachten Verfassungsbeschwerden an den Verfassungsgerichtshof wegen der Rüge der Verletzung des Art. 91 I BV untersucht.

 

Nach seiner Einleitung befasst sich der Verfasser zunächst mit dem rechtlichen Gehör als Verfassungsgrundsatz in der bayerischen Verfassung und grenzt das rechtliche Gehör gegenüber weiteren Verfahrensgrundrechten (Willkürverbot, Justizgewährungsanspruch, Recht auf den gesetzlichen Richter, Petitionsrecht) ab. Danach ermittelt er den Anspruchsinhaber. Ausführlich beschreibt er die in Art. 91 I BV angesprochenen Verfahren im Zivilprozess, Strafprozess und Verwaltungsprozess.

 

Im Anschluss hieran betrachtet er die gerichtliche Informationspflicht nach Art. 91 I BV, das Äußerungsrecht, die Berücksichtigungspflicht und deren Einschränkungen. Insgesamt stellt er fest, dass die Rüge zur Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 91 I 1 BV in fast der Hälfte (42 Prozent) aller Verfassungsbeschwerden enthalten war. Allerdings waren nur 49 Rügen in 41 Verfassungsbeschwerden erfolgreich (vor allem wegen fehlender Berücksichtigung von Sachvortrag nebst Beweisangeboten, fehlerhafter Anwendung oder Auslegung von Präklusionsvorschriften, fehlerhafter gerichtlichter Zustellung und Überraschungsentscheidungen unter Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht). Unzulässig waren 69 Rügen.

 

Am Ende stellt der Verfasser seine maßgeblichen Erkenntnisse übersichtlich zusammen. Dabei zeigt er auch Unterschiede und Übereinstimmungen mit dem Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts auf. Insgesamt bietet er eine ansprechende Analyse eines wichtigen verfassungsverfahrensrechtlichen Einzelgegenstands der jüngsten Vergangenheit.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler