Balkowski, Ben, Der Zivilprozess in der DDR von 1945 bis 1975 zwischen bürgerlicher Rechtstradition und Sozialismus (= Schriftenreihe Studien zur Rechtswissenschaft 59). Kovač, Hamburg 2000. XXIII, 601 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Karin Nehlsen-von Stryk in Köln und Freiburg im Breisgau betreute, 1999 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation des Verfassers. Sie behandelt eine interessante Fragestellung. Dabei geht sie grundsätzlich chronologisch vor.

 

In seiner Einleitung erörtert der Verfasser sein Problem und den Forschungsstand. Überzeugend weist er darauf hin, dass sein Thema noch nicht ausreichend untersucht ist. Da Gerichtsentscheidungen allein das tatsächliche Verfahren nicht ausreichend erfasst hätten, berücksichtigt er auch die Tätigkeit des Ministeriums der Justiz, der Staatsanwälte, der Rechtswissenschaft, der obersten Staatsführung und die inhaltlichen Vorgaben durch die Sozialistische Einheitspartei und das Vorbild der Sowjetunion.

 

Danach beschreibt er seine Quellen und die von ihm verwendete Methode, ehe er mit der Untersuchung beginnt. Sie eröffnet er mit der Zivilprozessordnung von 1877 nach der Novelle vom Oktober 1933. Dabei hebt er das Ziel der Nationalsozialisten besonders hervor.

 

Sein drittes Kapitel gilt den Jahren von 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf der Grundlage der deutschen Justizverwaltung, wobei er unter anderem den Lebenslauf Hans Nathans besonders verfolgt. Daran schließt sich die Zeit zwischen 1949 und 1951 an, in denen der Verfassung und dem obersten Gericht besondere Bedeutung zukommt. In den Jahren 1952 und 1953 werden ein neues Gerichtsverfassungsgesetz, eine Angleichungsverordnung und eine Anleitung für den Zivilprozess geschaffen.

 

Die Zeit zwischen 1954 und 1957 erweist der Verfasser als Jahre der systemkonformen Kontroversen. Zwischen 1957 und 1963 gelingt zwar in Zusammenhang mit der Babelsberger Konferenz ein Lehrbuch des Zivilprozessrechts, Arbeiten an einer neuen Zivilprozessordnung ab 1958 scheitern aber 1962. Bei den Gerichten zeigt sich ein sozialistischer Arbeitsstil.

 

Zwischen 1964 und 1969 lässt sich ein langer Weg zurück erkennen. Arbeiten an einer neuen Zivilprozessordnung scheitern wiederum. Deswegen erfolgt ab 1968 eine Rückbesinnung auf die Zivilprozessordnung und eine Rehabilitierung des einzigen Lehrbuchs.

 

Der Verfasser beschließt seine Untersuchung mit der Erarbeitung der neuen Zivilprozessordnung. Dafür wird 1970 ein Arbeitsentwurf vorgelegt. 1976 kommt die neue Zivilprozessordnung (doch noch), deren Bestimmungen aber keine grundlegenden Änderungen zu dem bisher durchgeführten Zivilverfahren brachten, wenn sie auch die Geltung der bürgerlichen Zivilprozessordnung beendeten.

 

Insgesamt dokumentiert die Untersuchung den Zivilprozess in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik von 1945 bis 1975. Sie schließt damit in leicht greifbarer Weise eine bis dahin bestehende Lücke. Wer immer sich mit dem Verfahrensrecht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik befassen will, wird die Arbeit dafür sehr gut gebrauchen können.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler