Aleksic, Alexandra, Die altpolnische Rechtsterminologie am Beispiel von Ortyle Magdeburskie (Magdeburger Urteile). Magisterarbeit, Wien 2008. 212 S. Besprochen von Inge Bily.

 

In vorliegender Untersuchung der altpolnischen Rechtsterminologie am Beispiel der Ortyle Magdeburskie (Magdeburger Urteile) verbindet Aleksandra Aleksic gründliches Studium des von Józef Reczek und Wacław Twardzik[1] edierten Textes dieser Quelle mit einer Auswertung vor allem der historisch-etymologischen Wörterbücher des Polnischen. Dabei bezieht die Autorin einschlägige Arbeitsergebnisse zum polnischen historischen Rechtswortschatz vergleichend ein und nimmt auch immer wieder Bezug auf das Wörterbuch zum Silleiner Rechtsbuch von Mária Papsonová[2].

 

Als Ziel wird die „Darstellung und sprachwissenschaftliche Analyse der altpolnischen Rechtsterminologie” (Einleitung S. 9) der Ortyle Magdeburskie (Magdeburger Urteile) formuliert. Diese wichtige Quelle erfreut sich eines gleichbleibend großen Interesses, besonders unter den Vertretern der polnischen historischen Wortforschung. Zu nennen sind vor allem die Auswertung mit einer Gegenüberstellung der polnischen Übersetzung und der deutschen Vorlage des Textes durch Aleksander Brückner[3] sowie die Bearbeitung Emil Kałužniackis[4]. Letzterer führt außer der Betrachtung der zum Zeitpunkt der Untersuchung bekannten polnischen Textfassungen noch einen Vergleich zur deutschen Vorlage sowie darüber hinaus zum Lateinischen und Tschechischen. Genannt werden müssen weiterhin die Studien Aleksander Zajdas[5], der ebenfalls Material aus den polnischen Fassungen der Magdeburger Urteile in seine umfangreichen und fundierten Untersuchungen zum polnischen historischen Rechtswortschatz einbezieht.

 

In der Einleitung (S. 9-12), dem ersten von insgesamt 7 Kapiteln, gibt die Autorin eine Zusammenfassung des Standes der Erforschung der polnischen Fassungen der Magdeburger Urteile. Das sich anschließende zweiten Kapitel (S. 13-19) beleuchtet den historischen Hintergrund: die deutschrechtliche Siedlungsbewegung und das Magdeburger Recht in Polen. Es folgen allgemeine Bemerkungen zum Sprachdenkmal (Kapitel 3: S. 20-23) mit Ausführungen zur Entstehungsgeschichte der verschiedenen polnischen Fassungen, einem Verzeichnis aller überlieferten polnischen Handschriften der Magdeburger Urteile (S. 21-22) sowie einer kurzen Charakteristik der Ossolinischen Handschrift, die in Wrocław (Breslau) in der Biblioteka Zakładu Narodowego im. Ossolińskich unter der Signatur PAN 50, fol. 26-106 aufbewahrt wird. Als Datierung des Textes wird allgemein die 2. Hälfte des 15. Jh. angegeben.[6]

 

Kernstück und umfangreichster Teil der Arbeit ist mit Kapitel 4 (S. 24-160) eine Analyse der altpolnischen Rechtsterminologie. Dabei geht Aleksic nach Sachgruppen vor, bei deren Gliederung sie sich bewusst an die Untersuchungen Aleksander Zajdas anlehnt. Ein Wortindex (S. 188-192) am Ende der Arbeit fungiert als Bindeglied der aus inhaltlichen und strukturellen Gründen z. T. an mehreren Stellen behandelten Rechtstermini und ermöglicht den alphabetischen Zugang zu dem im Hauptteil innerhalb folgender Sachgruppen analysierten Material: Bezeichnungen für Recht (Gerechtigkeit) (4.1.: S. 25-33), Bezeichnungen für Gericht und dessen Institutionen (4.2.: S. 33-45), Bezeichnungen für Rechtsstreitigkeiten und Prozessverfahren (4.3.: S. 45-51), Bezeichnungen für Gerichtstermine (4.4.: S. 52-59), Bezeichnungen für Gerichtsbezirke (4.5.: S. 59-60), Bezeichnungen für Gerichtsbeamte (Richter und Amtspersonen) (4.6.: S. 60-70), Bezeichnungen für Prozessbeteiligte (4.7.: S. 70-84), Bezeichnungen für Ämter und Würden (4.8.: S. 84-88), Bezeichnungen für Gerichtsbeschlüsse und -dokumente (4.9.: S. 88-101), Bezeichnungen für (Geld)strafen und Gerichtsgebühren (4.10.: S. 101-111), Bezeichnungen für Straftaten und Straftäter (4.11.: S. 111-126), Bezeichnungen für Erbschaft (4.12.: S. 126-136), Bezeichnungen für Feudalpflichten, Abgaben und Steuern (4.13.: S. 136-141) und sonstige Bezeichnungen (4.14.: S. 141-160).

 

Der Bearbeitung eines Stichwortartikels wird folgende Gliederung zugrunde gelegt: Als Stichwort fungiert der zu behandelnde Terminus, der in Fettdruck steht. Daran schließt sich seine Erklärung auf der Grundlage des altpolnischen Wörterbuches [Słownik staropolski] an, gefolgt von Belegstellen, einschließlich eines ausführlichen Kontextes des jeweiligen Terminus. Den Abschluss bildet die Herleitung und etymologische Erklärung mit Bezugnahme auf bisherige Arbeiten, vor allem auf die Untersuchungen Aleksander Zajdas. Im Rahmen der Bearbeitung geht Aleksic außerdem auf die Struktur und Bildung der Termini ein. Den Entlehnungen aus dem Deutschen, Lateinischen und Tschechischen sind innerhalb der einzelnen Sachgruppen jeweils eigene Untergruppen vorbehalten.

 

Kapitel 5 (S. 161-169) fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Das sich anschließende Kapitel 6 (S. 170-174) erschließt diese Zusammenfassung in polnischer Sprache. In Kapitel 7 wird die benutzte Literatur (S. 175-184) verzeichnet. Der Illustration des Untersuchungsgegenstandes dienen Kopien einiger Seiten aus der Handschrift. Den Abschluss bilden die Kopien zweier Karten: Wilhelm Ebel, Zur Verbreitung des Magdeburger Rechts in Polen und Walter Kuhn, Zur deutschen Ostsiedlung.

 

Aleksandra Aleksic hat eine gründliche Bearbeitung der aus den Ortyle Magdeburskie (Magdeburger Urteile) erfassten Rechtstermini vorgelegt. Neben der Beschreibung der Etymologie der einzelnen Termini, der zeitlichen Einordnung und sprachlichen Zuordnung sowie der Rückführung des polnischen Materials auf das Urslawische erfolgt auch eine Wortbildungsanalyse der Rechtstermini. Erstes Ordnungsprinzip der Bearbeitung ist die inhaltliche Zuordnung der Termini zu Rechtssachen. Hier folgt die Autorin u. a. der bewährten Methode Aleksander Zajdas. Das zweite Ordnungsprinzip innerhalb einer Sachgruppe bildet bei polnischen Termini die Wortbildungsstruktur. Lehnwörter werden in eigenen Untergruppen der jeweiligen Sachgruppe behandelt.

 

Mit dem vorliegenden beachtlichen Ergebnis ist Aleksandra Aleksic ein Debüt gelungen, das sie unbedingt zur Weiterarbeit auf diesem oder einem benachbarten Fachgebiet ermuntern sollte.

 

Leipzig                                                            Inge Bily

 

 



[1] Józef Reczek, Wacław Twardzik, Najstarsze staropolskie tłumaczenie Ortyli magdeburskich (Die älteste altpolnische Übersetzung der Magdeburger Urteile). Według rękopisu [Nach der Handschrift] Nr 50 Biblioteki Zakładu Narodowego im. Ossolińskich. Cz. I: Wstęp - Uwagi ogólne - Charakterystyka językowa (Einleitung – Allgemeine Bemerkungen – Sprachliche Charakteristik); Cz. II: Transliteracja i transkrypcia tekstu (Transliteration und Transkription des Textes); Cz. III: Indeks frekwencyjny i wyrazowy (Index der Termini, mit Angaben zur Frequenz). (Komitet Językoznawstwa Polskiej Akademii Nauk. Wydawnictwa Źródłowe). Wrocław, Warszawa, Kraków 1970, 1972.

[2] Mária Papsonová, Das Magdeburger Recht und das Silleiner Rechtsbuch. Wörterbuch zur deutschsprachigen Vorlage des Landrechts (1378) und zu ihrer Übersetzung (1473). (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Reihe B/Untersuchungen 84). Frankfurt a.M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2003. – Vgl. die Rez. von I. Bily in: ZRG GA 124 (2007), S. 495-498.

[3] Aleksander Brückner, Die „Magdeburger Urtheile“ Ein Denkmal deutschen Rechtes in polnischer Sprache aus der Mitte des XV. Jahrhunderts. In: Archiv für Slavische Philologie 16 (1882), S. 319–392 und 17 (1884), S. 525–574).

[4] Emil Kałužniacki, Die polnische Recension der Magdeburger Urtheile und die einschlägigen deutschen, lateinischen und czechischen Sammlungen. In: Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Kl. 111, H. 2 (1886). S. 113-330.

[5] Aleksander Zajda, Staropolska terminologia prawnicza (do r. 1500) [Altpolnische Rechtsterminologie (bis zum Jahr 1500)]. (Uniwersytet Jagielloński. Rozprawy Habilitacyjne nr 192). Kraków 1990; ders., Studia z historii polskiego słownictwa prawniczego i frazeologii [Studien zur Geschichte des polnischen Rechtswortschatzes und zur Phraseologie]. Kraków 2001.

[6] Ulrich-Dieter Oppitz, Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters. Bd. II: Beschreibung der Handschriften. Köln, Wien 1990, Nr. 280.