Worte des Rechts - Wörter zur Rechtsgeschichte. Festschrift für Dieter Werkmüller zum 70. Geburtstag, hg. v. Buchholz, Stephan/Lück, Heiner. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2007. 430 S. Besprochen von Louis Carlen.

 

In der Einleitung würdigen die Herausgeber Stephan Buchholz und Heiner Lück vor allem die Verdienste Dieter Werkmüllers um das Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Auf dessen Leistung auf dem Gebiete von Prozess und Gericht und besonders der preußischen Prozessrechtsgeschichte weist Sebastian Adler hin, wenn er in seinem Beitrag über den Briefwechsel von Svarez und Baumgarten, Mitarbeiter Carmers, des geistigen Vaters des Corpus Juris Fridericianum, dessen Entstehung, Inhalt und die Situation nach seinem Inkrafttreten erläutert. „Der Briefwechsel verdeutlicht recht klar die innere Einstellung der Reformer um Carmer wie etwa Svarez.“

 

J. Friedrich Battenberg befasst sich mit der „religiösen Dimension und rechtshistorischen Entwicklung der Totschlagsühne in der Vormoderne“. Er frägt, warum die religiös konditionierte Totschlagsühne vom 14. bis zum frühen 16. Jh. derart verbreitet war, um in den folgenden Jahrhunderten fast ganz zu verschwinden. Er weist darauf hin, dass die kirchlich sanktionierte Sühnepraxis in Totschlagfällen aufkam und verschwand durch einen neuen gesellschaftlichen Prozess, der den Weg zur modernen, säkularisierten Staatlichkeit begleitete.

 

Christa Bertelsmeier-Kierst gibt einen Überblick über die älteste Überlieferung des Sachsenspiegels, sichtet diese bis 1300 erneut, stellt die ältesten Handschriften und Fragmente vor und hält zwei Ergebnisse fest. Mit seinem Beitrag „Altersehe und nachehelicher Unterhalt“ begibt sich Stephan Buchholz in den Bereich des geltenden Rechts. Anhand eines Problemfalles werden bisherige Mängel der Rechtspraxis und Lösungen aufgezeigt und wird auf Änderungen der einschlägigen Gesetzgebung vom April 2007 hingewiesen.

 

Einen Wappenbrief und einen Schutz- und Schirmbrief als Privilegien Karls V. für die Gemeinde Freienseen untersucht Bernhard Diestelkamp. Es handelt sich um Dokumente, deren Inhalt von Anfang an strittig war und die zentrale Quellen für die Geschichte der Grafschaft Solms-Laubach und den Status als Reichsdorf erkunden. Von besonderem rechtsarchäologischem Interesse sind die „Orte der Freiheit in Hessen“, denen Barbara Dölemeyer nachgeht, wobei sie für ihre Auswahl drei Aspekte der Freiheit wählt, nämlich politische Freiheit, geistige Freiheit und Religionsfreiheit und wirtschaftliche Selbstbestimmung. U. a. wird auch Frankfurt als „Vorort deutscher Einheit und Freiheit“ besonders gewürdigt.

 

Werner Frotscher skizziert den Lebensweg des Marburger Staatsrechtslehrers Sylvester Jordan (1791-1861), des Vaters der kurhessischen Verfassung vom 5. Januar 1813, die er als „die liberalste, ja progressivste deutsche Landesverfassung ihrer Zeit“ bezeichnet und deren Grundsatz des sog. Vorrangs der Verfassung, wie er von Jordan propagiert wurde, er näher erläutert. Den Kampf um die Verfassung von 1831 und die liberalen und konservativen Kräften im kurhessischen Vormärz verfolgt Rüdiger Ham. Dabei wendet er sich dem späteren Widerpart Jordans, nämlich Ludwig Hassenpflug zu, dem Vertreter der Reaktion über die liberalen Kräfte, und dem Prozess, der gegen Jordan wegen angeblichem Hochverrat geführt wurde.

 

Unter dem Titel „Recht und Gerechtigkeit“ bespricht Falk Hess eine bildliche Darstellung zur Spruchpraxis in der Sammlung „Consilia Hallensium Iureconsultorum“ von Johann Peter von Ludwig, der Professor an der Juristenfakultät Halle war, aus dem Jahre 1733. Darin sind verschiedene Motive und Elemente zu Recht und Gerechtigkeit, Verfahrensformen und zur Universitätsgeschichte enthalten. Auf die vielseitige Bedeutung der „Worte des Rechts“ weist Heinz Holzhauer scharfsinnig hin. Dazu erläutert er vier Zitate aus der Dialektkomödie „Datterich“ von Ernst Elias Niebergall (1815-1843) und stellt sie in größere rechtshistorische Zusammenhänge, wobei vor allem der Taliongedanke, Völkerrecht, Ohrabschneiden, Verletzung des Persönlichkeitsrechts und dessen Ahndung im Vordergrund stehen. Im Beitrag Ekkehard Kaufmanns „Ferdinand Blind -  ein Heldenjüngling“ geht es um den Studenten F. Blind, der 1866 ein Attentat auf Bismarck verübte, weil er glaubte, dadurch den Krieg verhindern zu können. Bismarck blieb am Leben, der Attentäter richtete sich selbst, aber er wurde als Opfer für die Freiheit des Vaterlandes umschwärmt.

 

Unter der Überschrift „Vom Wachstum des Wissens im Wandel des Wörterbuchs“ gibt Gerhard Köbler in Würdigung der Verdienste Dieter Werkmüllers um das HRG einen äußerst material- und kenntnisreichen Überblick über die Geschichte der Wörterbücher vom Altertum über das Früh-, Hoch- und Spätmittelalter zur frühen Neuzeit und modernen Wissenschaft. Es ist erstaunlich, wie viele Titel und ihre Erklärung Köbler zusammentragen kann und dabei wird stets auch den rechtlichen Zusammenhängen Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Heiner Lück beschäftigt sich mit der Kontinuität eines Gerichtsbrauches, wenn er Örtlichkeiten und Ablauf, schriftliche Überlieferung, den historischen Kern und die Sagen um das Himmelfahrtsbier in Salzmünde bei Halle untersucht und dabei auch zeigt, dass vorzeitliche Grablege und mittelalterliche Gerichtsstätte zusammenfallen. Generationen empfanden den Brauch des Gemeindebiers, das wohl eine Begleiterscheinung dörflicher Gerichtsversammlungen war, als dankbare Geste gegenüber der hl. Elisabeth. Andreas Meyer ediert Akten und kommentiert einen Eheprozess zweier Frauen, den der Luccheser Erzpriester 1238 entschied. Dietlinde Munzel-Everling behandelt den Roland der hessischen Kreisstadt Korbach und „seine hessischen Brüder“, die in ihrer Art und Gestaltung unterschiedlich sind. Sie stellt die Frage, warum Korbach einen Roland aufstellte und in welcher Form und weist ihm europäische Dimensionen zu, wobei das Ganze in die Diskussion der Roland-Forschung gestellt wird.

 

Unter dem Titel „Urkundsformular und Wirklichkeit“ macht Hans-Albert Rupprecht Bemerkungen zur praktischen Bedeutung einer Urkundsklausel, wobei er die Wirkung und die neuen Belege hiefür im Archiv des Phrurarchen Dioskorus erörtert. Neben der Form der Praxisklausel wird besonders die rechtliche Regelung mit Beschränkungen der Personenvollstreckung und deren Einzelfälle besprochen. Wolfgang Schild überschreibt seinen Beitrag: „,Ungerichte’ oder ,Verbrechen’. Mutmaßungen zur Rechtswelt des Sachsenspiegels“. Das Wort „ungerichte“ findet sich im Landrecht des Sachsenspiegels in 40 und im Lehnrecht je dreimal in 3 Artikeln. Die Übersetzung mit „Verbrechen“ sieht Schild als nicht glücklich an, nachdem er den Sprachsinn dieses Wortes einlässlich untersucht. Deshalb schlägt er vor, beim Wort „ungerichte“ zu bleiben, das er als „vor Gericht als Unrecht (bestimmte und daher) strafbare Taten“ definiert.

 

Bernd Schildt behandelt „Policeyrecht in thüringischen Dorfordnungen“ und stellt fest, dass diese im 16. Jahrhundert zu einem Viertel bis einem Drittel policeyrechtliche Regelungen enthielten und sich zunehmend landesherrlicher Einfluss auf deren Umfang und Struktur geltend machte. Im Vordergrund standen Vorschriften zu Religion, Brand- und Ressourcenschutz, Wirtshaus, Dorffremde, allgemeine Ordnung im Dorf und Kriminalität. Anhand der „Allmende“ verfolgt Ruth Schmidt-Wiegand „Kontinuität und Wandel im ländlichen Recht“. Zum Prozess, der zur Ausbildung der deutschen Rechtssprache als einer Fachsprache mit bestimmter Terminologie führte, unterscheidet sie seit 500 drei Phasen und untersucht, was sich aus Bildquellen des Sachsenspiegels für die Entstehung von Gemeinden oder Marknutzungsgemeinschaften mit ihren Besonderheiten im Verhältnis von Mark und Allmende ergibt.

 

Clausdieter Schott interpretiert ein Weistum und Oberhof in bezug auf den Rechtszug von Weiler nach Hilsbach, die beide seit 1971 Stadtteile von Sinsheim sind. Ein Freiburger Gutachten, das in die allgemeinen rechtshistorischen Zusammenhänge gestellt wird, bildet dabei die Grundlage. Ein Gutachten ist auch die Grundlage zum Aufsatz Wolfgang Sellerts über „Die Wiederaufnahme des Verfahrens, ein prozessuales Problem am kaiserlichen Reichskammergericht“. Verfasser des Gutachtens ist der Assessor am Reichskammergericht Franz Diedrich von Diffurth (1738-1813). Sellert würdigt nicht nur den Inhalt des Gutachtens, sondern auch dessen Verfasser, den er als einen Juristen, „der zwar das Bewährte schätzte, sich aber neuen Einsichten nicht verschloss“ und als eine "an juristischen und menschlichen Qualitäten reiche Persönlichkeit" bezeichnet.

 

Fritz und Gudrun Sturm beschreiben „Den Kampf um Zivil- und Dissidentenehe im Königreich Sachsen“ und zeigen: „Weit weg war der Weg, den Sachsen von seinem BGB über das Dissidentengesetz zum laizistischen deutschen Eherecht zu gehen hatte". Nachdem das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1865 die Vorschriften der Frankfurter Paulskirche von 1849 nicht übernommen hatte und Sachsen sich gegen die Zivilehe wehrte, schuf es erst mit dem Inkrafttreten des BGB Rechtseinheit.

 

Der Beitrag Andreas Wackes trägt den Titel „Niemand kann zwei Herren dienen. Vom Sklaven- und Gesinderecht zur Teilzeitarbeit“. Er geht in einer theologischen Einleitung vom genannten Bibelwort aus, um das Verhältnis der Dienstleistungen von Sklaven und Freigelassenen und den römischen Dienstvertrag sowie die einschlägigen Sprichwörter zu behandeln und zu zeigen, wie die Rechtslage im Handwerks- und Gesinderecht und im Seemannsrecht war, sowie sie im modernen Arbeitsrecht ist bei gleichzeitiger Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber und einschlägigen Forderungen. Dazu kommen auch die inkompatiblen Rollen im Beamten-, Kirchen- und Gesellschaftsrecht sowie Doppelvertretung und Parteirat.

 

Brig                                                                                                       Louis Carlen