Wardemann, Patricia, Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741). Leben und Werk (= Europäische Hochschulschriften 2, 4577). Lang, Frankfurt am Main 2007. VII, 141 S. Besprochen von Gunter Wesener.

 

Nach den gehaltvollen Kölner Dissertationen über Ludwig Julius Friedrich Höpfner[1] und Georg Adam Struve[2] ist nun eine weitere einschlägige Dissertation aus dem Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte der Universität Köln erschienen; sie behandelt Leben und Werk Johann Gottlieb Heineccius’, eines der bedeutendsten und einflussreichsten deutschen Juristen des frühen 18. Jahrhunderts. Seine Schriften befassen sich mit allen drei großen Rechtsquellenbereichen der Zeit, mit dem römischen, dem deutschen und dem Naturrecht.

Das erste Kapitel (S. 1-20) ist Heineccius’ Ausbildung und beruflicher Laufbahn gewidmet[3]. Am 11. September 1681 in Eisenberg (Thüringen) geboren studierte Heineccius (ursprünglich Heinecke) Theologie und Geschichte in Leipzig, dann Rechtswissenschaften in Halle, wo er Samuel Stryk und Christian Thomasius hörte. 1708 wurde er Adjunkt der philosophischen Fakultät in Halle, 1713 ordentlicher Professor der Philosophie. 1716 legte Heineccius seine juristische Dissertation über Ursprung und Eigenart der Patrimonialgerichtsbarkeit vor; nach Erscheinen seines „Antiquitatum Romanarum jurisprudentiam illustrantium syntagma“ (Halle/Magdeburg 1719), eines Werkes im Geiste der humanistischen Jurisprudenz (dazu die Verfasserin S. 53ff.; Anhang V, S. 129ff.), wurde er 1720 zunächst außerordentlicher, 1721 ordentlicher Professor der Rechte, Assessor der juristischen Fakultät zu Halle und königlich-preußischer Hofrat. Im Jahre 1724 wurde er als Nachfolger Ortwin Westenbergs Professor an der Universität Franeker (Westfriesland), wo er bis 1727 wirkte[4]. Aus gesundheitlichen Gründen verließ Heineccius Franeker und übernahm im Herbst 1727 eine Professur für Pandekten und Philosophie in Frankfurt an der Oder. 1733 wurde er gegen seinen Willen nach Halle versetzt, weil das Ansehen der Hallenser Universität gehoben werden sollte (S. 16ff.). Einem Ruf nach Leyden (1737) konnte Heineccius nicht Folge leisten, da sich König Friedrich-Wilhelm I. weigerte, ihn aus preußischen Diensten zu entlassen. Er verstarb am 31. August 1741 im 60. Lebensjahr nach kurzer schwerer Krankheit in Halle. Die Universität Halle verdankte ihr hohes Ansehen im 18. Jahrhundert in starkem Maße der Jurisprudenz, neben Stryk und Thomasius vor allem auch Heineccius (S. 20).

 

Das zweite Kapitel (S. 21-62) hat die Hauptwerke von Heineccius zum Gegenstand. Sein bekanntestes Werk sind die „Elementa iuris civilis secundum ordinem Institutionum“ (1725). Die axiomatische Methode, welche in diesem Werk zur Anwendung kommt, wird von P. Wardemann eingehend erläutert (S. 23ff.). Dieser Methode verdankte wohl das Lehrbuch seinen großen Erfolg; bis 1989/90 wurde es insgesamt 176 Mal neu, auch in Übersetzung und Bearbeitung, herausgegeben; es fand neben deutschsprachigen Ländern auch Verbreitung in Italien, Frankreich, Spanien und Polen, außerdem in Chile (S. 33). Die „Praelectiones academicae in Heineccii elementa iuris civilis secundum ordinem institutionum adnexis praecipuis iuris Austriaci differentiis“ (Wien 1781, [vgl. die Verfasserin, Anhang S. 110 Nr. 74] (ungenau) stammen von Franz von Zeiller[5]. Auf Unterschiede zum österreichischen Recht, zum Ius Austriacum, wird hingewiesen. Schon Karl Anton Freiherr von Martini las die Institutionen nach den Elementa des Heineccius[6]. In Wien erschienen Vorlesungsnachschriften „nach dem Leitfaden des Heineccius, und dem Geiste der öffentlichen Vorlesungen an der Wiener hohen Schule“, genannt der „Wiener Heineccius“ (vgl. die Verfasserin Anhang S. 113 Nr. 108 [Wien 1796]), weil sie sich an die „Elementa juris civilis“ des Heineccius anlehnten[7]. Eine bedeutende Rolle spielte der „Theoretisch-practische Commentar über die Heineccischen Institutionen nach deren neuesten Ausgabe“ Ludwig Julius Friedrich Höpfners[8] (6. Auflage Frankfurt am Main 1798, 7. Auflage in der Bearbeitung Adolph Dieterich Webers, ebenda 1803 [Verfasserin Anhang S. 114 Nr. 116]).

 

Auf die „Elementa iuris civilis secundum ordinem Pandectarum“ (Amsterdam 1727)[9], die gleichfalls während Heineccius’ Tätigkeit in Franeker entstanden, geht die Verfasserin nicht näher ein, obwohl auch dieses Werk eine starke Verbreitung und nachhaltige Wirkung hatte. Im Werkverzeichnis (Anhang III S. 120ff.) werden 46 Ausgaben (Bearbeitungen und Übersetzungen) angeführt. Die letzte erschien 1858 in Bassano.

 

Mit dem Naturrecht beschäftigen sich Heineccius’ „Elementa iuris naturae et gentium“ (Halle 1737, 5. Ed. Halle 1768)[10]. Das Werk ist primär für den Rechtsunterricht gedacht, enthält aber auch Ausführungen zu Grundpositionen (S. 37). Ausgangspunkt des Naturrechts ist für Heineccius, wie für Samuel von Cocceji, die voluntas dei (S. 39). Oft greift Heineccius auf Definitionen und Grundlagen seiner 1728 erschienenen „Elementa philosophiae rationalis et moralis“ zurück (S. 43ff.).

 

Eingehend befasste sich Heineccius mit dem deutschen Recht (S. 44ff.). Seine „Elementa iuris Germanici tum veteris tum hodierni“ (Halle 1735/36 [Verfasserin Anhang S. 99 Nr. 52]) stellen „die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts“ dar (S. 46). Es ging Heineccius um die Feststellung der leitenden deutschrechtlichen Prinzipien, um die Frage, inwieweit deutsche Rechtssätze, die sich in den verschiedenen Partikularrechten finden, ein gemeindeutsches Gewohnheitsrecht bilden (vgl. S. 92). Bei den „Elementa iuris Germanici“ handelt es sich „um ein Werk mit selbständiger Forschung und einer sehr großen Quellenauswertung“ (so die Verfasserin S. 52).

 

Von nachhaltigem Einfluss, nicht nur auf das preußische Allgemeine Landrecht, sondern auch auf das Wechselrecht des Königreichs Polen, waren Heineccius’ „Elementa iuris cambialis“ (Amsterdam 1742) (S. 59f.).

 

Das dritte Kapitel (S. 63-90) ist „Grundproblemen des Privatrechts“ gewidmet, die Heineccius in seinen Schriften behandelt[11]. Erörtert werden Irrtumslehre, Iustum pretium, Traditio, Gefahrübergang, Herausgabeanspruch des Eigentümers, Testament und Erbvertrag, wobei jeweils nach römischem Recht, Naturrecht und deutschem Recht differenziert wird.

 

In ihrer Schlussbetrachtung (4. Kap., S. 91-93) weist die Verfasserin darauf hin, dass Heineccius’ Vorlesungen das gesamte Gebiet des Rechts umfassten (vgl. S. 18). Vor allem seine Vorlesungen über das Wechselrecht im Jahre 1734 bezeugen seine vielseitigen Interessen und die Vertrautheit mit der Rechtspraxis der Zeit (S. 91).

 

Ein umfangreicher Anhang (S. 95-133) mit einem sorgfältigen Werkverzeichnis (Nachweis der einzelnen Ausgaben) sowie ein umfassendes Literaturverzeichnis (S. 134-141) vervollständigen diese inhaltsreiche Untersuchung, die einem bedeutenden deutschen Juristen gewidmet ist, der lange Zeit in der Literatur wohl zu wenig Beachtung und entsprechende Würdigung erfahren hat.

 

Graz                                                                                                   Gunter Wesener



[1] M. Plohmann, L. J. F. Höpfner (1743 – 1797). Naturrecht und positives Recht am Ende des 18. Jahrhunderts (Berlin 1992); dazu Wesener, ZRG Germ. Abt. 112 (1995) 597ff.

[2] J. Finzel, Georg Adam Struve (1619 – 1692) als Zivilrechtler (Frankfurt am Main 2003); dazu G. Wesener, ZRG Germ. Abt. 121 (2004) 725ff.

[3] Zur biographischen Literatur über J. G. Heineccius nun noch P. de Pablo Contreras, in: R. Domingo (ed.), Juristas universales II (Madrid – Barcelona 2004) 522f.; H. Kümper, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XXV (Nordhausen 2005) Sp. 553ff.

[4] Dazu R. Feenstra, Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 72 (2004) 297ff.

[5] Dazu Stintzing/Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III/1 (1898), Text 524, Noten 324; A. Steinwenter, Der Einfluß des römischen Rechtes auf die Kodifikation des bürgerlichen Rechtes in Österreich, in: Studi Koschaker I (1954) 411; G. Wesener, Franz von Zeiller (1751 – 1828) – Leben und Werk, in: J. F. Desput/G. Kocher (Hrsg.), Franz von Zeiller. Symposium (Graz 2003) 67ff., insbes. 73.

[6] Vgl. Wesener, Römisches Recht und Naturrecht (= Geschichte der Rechtswiss. Fak. der Univ. Graz, Teil 1, Graz 1978) 127.

[7] Dazu Steinwenter, Der Einfluß des römischen Rechtes (oben Anm. 5) 410; Wesener, Römisches Recht und Naturrecht (oben Anm. 6) 17 Anm. 24. – Zur „Explanatio elementorum ad instituta juris civilis secundum ordinem J. G. Heineccii ...“ (I - IV, Graz 1786) von Franz Aloys Tiller Wesener, Römisches Recht und Naturrecht 24f., 131; Verf. Anhang S. 111 Nr. 82.

[8] Vgl. M. Plohmann, L. J. F. Höpfner (oben Anm. 1) 24ff.

[9] Dazu Feenstra, Heineccius in den alten Niederlanden (oben Anm. 4) 308f.

[10] Vgl. nun Heineccius, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts, übersetzt von P. Mortzfeld, hrsg. von Ch. Bergfeld (Übersetzung der 2. Auflage Halle 1738, Frankfurt am Main/Leipzig 1994).

[11] Die einschlägige Untersuchung von Minoru Tanaka, Bemerkungen zu J. G. Heineccius (1681 – 1741) als Privatrechtsdogmatiker, zunächst publiziert in: Nanzan Hogaku, Vol. 16, No 3 u. 4 (1993), findet sich nun auch in: Miscellanea D. Maffei dicata. Historia – Ius –Studium, Vol III, cur. A. García y García/P. Weimar (Goldbach 1995) 543ff.