Vollmershausen, Christiane E., Vom Konkursprozess zum Marktbereinigungsverfahren. Das deutsche Konkursverfahren vom Jahr 1700 bis heute - Eine exemplarische Untersuchung (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 7). LIT Verlag, Münster 2007. XXIX, 355 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Ziel des Werkes Christiane Vollmershausens ist es, die Entwicklung der Grundsätze des Konkursverfahrens bzw. Insolvenzverfahrens bis zum Erlass der Insolvenzordnung von 1994 darzustellen. Das Jahr 1700 wurde als Ausgangspunkt gewählt, weil sich zu dieser Zeit das gemeinrechtliche Konkursverfahren in Deutschland voll etabliert hatte. Zunächst stellt Vollmershausen den Konkurs im römischen Recht dar (S. 8ff.) und kommt dann zum gemeinrechtlichen Verfahren (S. 23ff.), ohne allerdings die mittelalterliche Entwicklung detailliert zu untersuchen. In diesem Zusammenhang geht sie, wenn auch zu knapp, auf das bahnbrechende konkursrechtliche Werk von Salgado von 1646 ein. Der Hinweis auf das französische Konkursrecht im Code de commerce von 1807 ohne Rückgriff auf das vorrevolutionäre Recht (S. 30ff.; ausführlich S. 98ff. bei Preußen) wirkt an dieser Stelle wie ein Fremdkörper. Das gemeinrechtliche Konkursverfahren war ein Prozessverfahren mit einem langwierigen Liquidations- und Prioritätsverfahren, das jeweils durch ein Urteil abgeschlossen wurde. Neben dem Verwalter, der die Gläubiger im Innen- und Außenverhältnis vertrat, wurde regelmäßig auch ein Contradictor bestellt, der die Gläubiger und deren Rechte an der Konkursmasse feststellte. Insgesamt war der gemeinrechtliche Konkursprozess ein Erkenntnisverfahren. – Im zweiten Teil behandelt Vollmershausen die wichtigsten partikularrechtlichen Konkursregelungen von etwa 1700 an bis zur Insolvenzordnung von 1994. Breiten Raum nimmt die Entwicklung in Preußen ein, die mit dem Konkurs nach den preußischen Landrechten von 1685 und 1721 beginnt. Im Einzelnen wird beschrieben das Konkursrecht nach dem verbesserten Landrecht von 1721, der Hypotheken- und Konkursordnung von 1722, des Projects des Codicis Fridericiani Marchii von 1748, des Corpus Juris Fridericianum von 1781, der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793/95 (nicht von 1822 – in diesem Jahr wurde die AGO noch einmal neu herausgegeben) und der stark französischrechtlich orientierten Konkursordnung von 1855. Die Kritik am preußischen Konkursverfahren richtete sich trotz eingeschränkter Offizialmaxime vor allem gegen die umfangreichen Ermittlungen des Konkursrichters, der sich nicht an das Parteivorbringen zu halten brauchte, gegen die Unförmigkeit und Ausuferung des Prozesses sowie gegen Willkür und Schlaffheit (S. 97). Die Konkursordnung von 1855 brach vollständig mit dem gemeinen Recht und brachte in Anlehnung an das französische Recht ein Abwicklungsverfahren unter staatlicher Lenkung. Im Vorverfahren erfolgte lediglich noch eine summarische Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen. Schuldner, Gläubiger und Kommissar verhandelten nicht mehr kontradiktorisch, die Liquidation als Prozess ist abgeschafft. Das Konkursrecht nach der Hannoverschen BPO von 1850 beruhte dagegen noch weitgehend auf dem gemeinen Recht (S. 110ff.). Nicht ganz unerhebliche Abweichungen gegenüber dem gemeinen Recht wies das allerdings noch weitgehend aus dem 18. Jahrhundert stammende Konkursrecht Sachsens und Thüringens auf (S. 127ff., 153ff.). Für Bayern untersucht Vollmershausen das Konkursrecht des Codex Juris Bavarici Judiciarii und deren Novellierungen sowie der im Übrigen stark französischrechtlich orientierten Civilprozessordnung von 1869, die im Konkursrecht stärker als die preußische Konkursordnung dem gemeinen Recht verhaftet blieb. S. 169ff. dokumentiert Vollmershausen einen im Stadtarchiv München überlieferten Gantprozess vor dem Stadtgericht München (1769-1774). Weiterhin bespricht sie das Konkursrecht Badens von 1864, von Braunschweig von 1850, der Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen, von Württemberg (1818 und 1869) und von Mecklenburg. Es folgen umfangreiche Abschnitte über die Reichskonkursordnung von 1877/98 und über die Insolvenzordnung von 1994. Für die Konkursordnung ist nach Vollmershausen kennzeichnend, dass das Verfahren nicht gläubigerautonom geworden sei, sondern weiterhin unter staatlicher Kontrolle stehe: „Die Einflussnahme des Richters ist wesentlich stärker als die des Richters im ordentlichen Prozess, der an Parteianträge und –vorbringen gebunden ist“ (S. 257). Mit der Insolvenzordnung von 1994 (S. 262ff.) sei ein vorläufiger Schlusspunkt erreicht. Der einstige Prozessschwerpunkt mit dem Ziel der Wahrheitsforschung sei zu einem Verfahren mit dem Schwerpunkt interessengerechter Abwicklung zum Zweck der Marktbereinigung geworden (S. 288). Der abschließende Teil fasst die „Brüche und Richtungswechsel“ im Konkursprozess, in den Verfahrensmaximen, in den Rollen von Gläubiger und Schuldner sowie in den Zielen des Konkursprozessen zusammen (S. 289-316).

Mit ihrem Werk hat Vollmershausen erstmals einen umfassenden und hinreichend detaillierten Überblick über die Entwicklung des Konkursrechts vornehmlich des 18. und 19. Jahrhunderts gegeben. Die partikularrechtlichen Regelungen halten für den Leser manche Überraschungen bereit. Allerdings hätte die Untersuchung noch an Aussagekraft gewonnen, wenn Vollmershausen die wichtigsten Regelungen vor allem in der AGO, im Code de commerce, in der preußischen Konkursordnung und in der bayerischen CPO von 1869 breiter unter Einbeziehung der zeitgenössischen Sekundärliteratur beschrieben hätte. Die gleichzeitige Heranziehung der zahlreichen partikularrechtlichen Konkursregelungen erschwert mitunter dem Leser die Orientierung. Bei der Besprechung der Konkursordnung von 1877 fehlt ein detaillierterer Vergleich mit der preußischen Konkursordnung von 1855. Nicht berücksichtigt ist die Vergleichsordnung von 1927/35 sowie die umfangreiche insolvenzrechtliche Reformdiskussion der Weimarer Zeit und der NS-Zeit. Insgesamt hat Vollmershausen mit ihrem Werk die Grundlagen zu einer Geschichte des neueren und neuesten Konkurs- bzw. Insolvenzrechts gelegt, das einen guten Ausgangspunkt für speziellere Arbeiten über einzelne Regelungsbereiche des Konkurs- bzw. Insolvenzrechts und über einzelne partikularrechtliche Konkursregelung insbesondere des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts bildet.

 

Kiel

Werner Schubert