Sack, Hilmar, Der Krieg in den Köpfen. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Krisenerfahrung zwischen Julirevolution und deutschem Krieg (= Historische Forschungen 87). Duncker & Humblot, Berlin 2008. 278 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Heinrich August Winkler betreute, 2007 von der philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität Berlin angenommene Dissertation des Verfassers. SIe geht in ihren Anfängen  auf das Jahr 1998 zurück, in dem sich der westfälische Friede zum 350. und der Versuch einer Revolution in Deutschland zum 198. Male jährten. In einem Seminar des Betreuers wurde die Idee einer Forschungsarbeit über das Erinnern geboren, deren Verwirklichung infolge beruflicher Verpflichtungen des Autors mehr Zeit in Anspruch nahm als ursprünglich geplant.

 

Im Kern geht es um die Frage, welchen Einfluss der Dreißigjährige Krieg, mit dem sich die geschichtliche Forschung seit langem und in vielfältiger Weise befasst hat, auf das politische Denken und Handeln in Deutschland ausgeübt hat. Sie wurde bisher kaum quellennah untersucht. Diese Lücke versucht der Verfasser zu schließen.

 

Nach einer Einleitung, in der er den theoretischen Bezugsrahmen und sein Forschungsprogramm erörtert, wendet er sich den Erinnerungen an den Dreißigjährigen Krieg im Wandel vom kommunikativen zum kulturellen Gedcächtnis zu, den er auf den Seiten 22-42 betrachtet. Danach erörtert er umfassend die Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg. Dabei trennt er zwischen dem Dreißigjährigen Krieg als Gegenstand von Revolutionserfahrung und Kriegserfahrung, der Wirkungen auf die deutsche Revolution von 1848 und der Wirkung auf den innerdeutschen Krieg von 1866.

 

Im Ergebnis gelangt er auf der Grundlage umfangreicher verwerteter Quellen und Literatur zu der Erkenntnis, dass das aus dem Trauma des Dreißigjährigen Krieges bezogene deutsche Selbstwertgefühl einem Tragikstolz gleichkam. Die historische Opferrolle habe die realpolitische Schwäche der Gegenwart erklärt. Da der Dreißigjährige Krieg nicht nur als Unglück verstanden worden sei, sondern auch als selbst verschuldet, habe er für unterschiedliche politische Führungsansprüche Verwendung finden können, wobei die Schlacht von Königgrätz von 1866 als eigentliches Ende des Dreißigjährigen Krieges erklärt werden habe können.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler