Robert Folz (1910-1996) Mittler zwischen Frankreich und Deutschland, hg. v. Felten, Franz J./Monnet, Pierre/Saint-Denis, Alain (= Geschichtliche Landeskunde 60). Steiner, Stuttgart 2007. XIII, 152 S. Besprochen von Alois Gerlich.

 

Am 23.März 2001 fand in Dijon ein Kolloquium über „Reich, Reichsidee und Königtum im Mittelalter zwischen Frankreich und Deutschland“ statt im Angedenken an Robert Folz als des bedeutenden Midiävisten mit dessen Forschungen über die Geschichte beider Länder. Die damals gehaltenen Vorträge werden nun in der Schriftenreihe des Mainzer Instituts für Geschichtliche Landeskunde vorgelegt. Damit wurde an die Mainzer Ehrenpromotion von Robert Folz im Jahre 1980 erinnert, für die Alfons Becker die den anderen Abhandlungen vorangestellte Laudatio verfasste (S. 1-4). In die Vorgeschichte des Ereignisses führt ein Brief von Folz vom 6. Juli 1979 an Hermann Weber, den starken Förderer der zwischen den Universitäten Dijon und Mainz seit 1947 bestehenden Jumelage ein. An der Spitze der 19 Abhandlungen steht der Aufsatz von Michael Kißener, Robert Folz (1910-1996), Ein Mediävist als kultureller Vermittler zwischen Deutschland und Frankreich. Gewürdigt werden die von deutschen wissenschaftlichen Institutionen dem Geehrten verliehenen Mitgliedschaften und dessen wegweisende Studien insbesondere zur Ottonenzeit. Eine geraffte Biographie von Folz und eine Bibliographie steuert Alain Saint-Denis (S. 14-18 u. S. 19-25) bei. Den großen Komplex der Sainteté royale au Moyen Age mit deren grundlegender Bedeutung für die Herrscherauffassung im Schaffen von Robert Folz zwischen 1950 und 1992 behandelt Patrick Corbet (S. 27-34). Mit Speyer als einem Erinnerungsort im 12. Jahrhundert, der gegensätzlichen Behandlung der Translatio der Gebeine Kaiser Heinrichs IV. durch einerseits die Domherren, andererseits die Bürgerschaft und Kaiser Heinrich V. beschäftigt sich Caspar Ehlers in einer Studie eigenen Charmes (S. 35-49).

 

Den Mittelteil der Sammlung nehmen die Ausführungen von Franz J. Felten, Mainz und das frühmittelalterliche Königtum (S. 51- 96), ein. Mit den Leitbegriffen ,Spuren’, ,Erinnerungen’ ,Fiktionen’ und ,Nutzanwendung’ folgt er der Eigenart der Erschließung der Vergangenheit durch Robert Folz. Felten spricht die Stellung an, die dem Bischof in der Stadt zukam, der gegenüber das Wirken des Königs zurücktrat. Die Weigerung der Mainzer, an König Sigiberts Kampf mit den Thüringern zu Beginn des 7. Jahrhunderts teilzunehmen, spricht für sich selbst. Eine Besonderheit in der Rückbesinnung an die Merowingerzeit stellt die im Spätmittelalter gepflegte Erinnerung an König Dagobert und dessen angebliches Wirken für die Stadt dar, auf die der Verfasser nachdrücklich hinweist. Im Vergleich mit jener Epoche ist das Erstarken von Stadt und Bistum in der Zeit Karls des Großen umso erstaunlicher. Nicht allein die Aufenthalte des Kaisers in Mainz, Worms und Ingelheim und die anderen vom Hofe ausgehenden Initiativen bezeugen den Aufstieg von Mainz und seines Umlandes zu einer Zentrallandschaft des Reiches. Ebenso bedeutend für dessen Geltung wurde die Erhebung zum Erzbistum wohl im Zusammenhang mit Karls Romzug im Jahre 781. Dem Wirken des heiligen Bonifatius als zunächst einzigem Metropoliten im Osten des Reiches kommt gleiches Gewicht zu Hier ist auf die Forschungen Franz Staabs zu verweisen. Des Weiteren geht Felten auf den Wechsel des Krönungsrechtes ein, das 975 dem Mainzer Erzbischof verliehen wurde, jedoch in der frühen Salierzeit an den Kölner überging und erst in wieder an den Mainzer zurückkam, als die Wahlen gemäß der Goldenen Bulle von 1356 in Frankfurt stattfanden. Ganz im Sinne der Befragung hoch- und spätmittelalterlicher Quellen durch Robert Folz analysiert der Verfasser die Aussagen im Kampf um die Stadtherrschaft, die in der großen Stiftsfehde nach der Eroberung der Stadt durch Erzbischof Adolf II. von Nassau 1462 an diesen fiel. Der Stadt wurde die Freiheit genommen und so auch „der Ausgestaltung eines selbstbewussten Geschichtsbildes jede reale Grundlage entzogen“ (S. 89). Nach dem Zusammenbruch des alten Reiches, während der Herrschaft des Kaisers Napoleon, von 1815 an in der zum Großherzogtum Hessen gehörenden Stadt, kamen Erinnerungen an Mainz im Hoch- und Spätmittelalter in gelehrten und literarischen Publikationen, genannt sei der Archivar Wilhelm Diepenbach, wieder zum Vorschein. Sie wurden indessen überlagert von der an Johannes Gutenberg. In einem Epilog geht Felten dem Suchen nach Punkten nach, an denen im 19. Jahrhundert ein Gedenken an die Vergangenheit festgemacht werden konnte. Hervorzuheben ist die zweibändige Geschichte von Mainz von Heinrich Schrohe von 1915 und 1920.

 

Dem ortsgebundenen Gedenken an einen Herrscher geht Knut Görich in einer Analyse der Politik Kaiser Ottos III., seinem Aufenthalt in Aachen und der Öffnung des Grabes Karls des Großen, zuvor der Pilgerfahrt zum Grab des heiligen Adalbert in Gnesen, nach (S. 97-116). Ähnlich wie in Speyer eine lokalgebundene Aktivität anlässlich der Überführung der Gebeine Heinrichs IV. zu beobachten ist, darf diese der Stiftsgeistlichkeit in Aachen schon vor dem Aufenthalt Ottos III. unterstellt werden (bes. S. 109). Darauf hat 1975 Erich Meuthen hingewiesen, in der jüngeren Forschung ist man wiederholt auf jene Frage eingegangen, genannt seien Percy Ernst Schramm, Helmut Beumann und Michael Borgolte. - Der in Frankfurt vom 8. bis 15. Jahrhundert betonten und politisch hervorgekehrten Erinnerung an die Aufenthalte Karls des Großen ist die Studie von Pierre Monnet gewidmet (5.117-130), der die Bedeutung der Verehrung des heiligen Bartholomäus als Pendant zu der Karls des Großen und die Pflege des Andenkens durch Kaiser Karl IV. herausstellt. Mit der Karlsliturgie in Frankfurt beschäftigen sich Adalbert Erler, Wolf Erich Kellner und Astrid Krüger. Monnet weist auf die rechtlichen Erfordernisse hin, die beim Ein- und Auszug eines Herrschers durch den Stadtrat beachtet werden mussten Die Golde Bulle Karls IV. von 1356 fixierte alle protokollarischen und rituellen Bedingungen, die bei Herrscheraufenthalten zu beachten waren. - Am Ende der Abhandlungen steht die Studie Francis Rapps, Robert Folz, historien du Saint Empire (S. 131-140). In eindrucksvoller Synthese werden Lebenszeit und Gelehrtenwelt dargeboten, angefangen mit den ,Lehrjahren‛ bei Marc Bloch und Lucien Fevre, dann dem stark prägenden Charles-Edmond Perrin, ,l'érudit scrupuleux‛. Der Berufsweg führte Folz vom Elsass nach Oran, dann wieder zurück an den Rhein. Gelegentliche Aufenthalte in Berlin machten ihn mit der Unkultur der Nationalsozialisten bekannt. Seinem Vaterland Frankreich diente er als Soldat, die wissenschaftliche Beschäftigung musste zeitweise zurücktreten. Erst 1950 konnte sein magnum opus, Le souvenir et la legende de Charlemagne dans l'Empire germanique, erscheinen. Wie es entstand, zeigt Rapp trefflich auf im aktiven Mitwirken der als Sekretärin wirkenden Ehefrau, welche die gerade mit der Maschine geschriebene Seite einen Tag später wieder mit den während der Nacht versehenen Änderungen zurückbekam, um zur gültigen Formulierung zu finden. Um das bis 1950 Entstandene zu erweitern, edierte Folz im nächsten Jahr die Études sur le culte liturgique de Charlemagne dans les églises de l'Empire. Über die Entstehung des Heiligen Römischen Reiches veröffentlichte er das wegweisende Buch 1967. Nur sie seien genannt als herausragende Zeugnisse eines Schaffens, das zu zwei Dutzend weiteren Veröffentlichungen über Fragen der deutschen Geschichte führte. - Über diese Aktivitäten des Gelehrten und die Ergebnisse der Konferenz in Dijon handeln die von den Herausgebern beigefügten Conclusions Jean Richards.

 

Wiesbaden                                                                                                       Alois Gerlich