Reisinger-Selk, Nicole, Heinrich Gottfried Wilhelm Daniels (1754-1827). Leben und Werk - ein Jurist in drei Zeitaltern (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 8). Lit-Verlag, Münster 2008. XVIII, 353 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Daniels gehört zu den herausragenden rheinischen Juristen am Ende der kurkölnischen Zeit, des napoleonischen Frankreich und der preußischen Rheinprovinz, über den mit dem Werk Nicole Reisinger-Selks erstmals eine umfassende Biographie vorliegt. Geboren 1754 in Köln als Sohn eines Kleidermachers, studierte Daniels Philosophie und Rechtswissenschaft an der Kölner Universität, an der er bereits 1775 promovierte. 1776 wurde er als Advokat vor den kurkölnischen Gerichten zugelassen und 1780 zum Gerichtsrat am weltlichen Hofgericht in Köln ernannt. 1783 wurde er an die Bonner Akademie (seit 1786 Universität) als ordentlicher Professor für Pandektistik und juristische Praxis berufen; neben seiner akademischen Tätigkeit war er weiter als Richter tätig (1792 als Mitglied des neu geschaffenen Oberappellationsgerichts in Bonn). 1801-1804 lehrte er an der Kölner Zentralschule wohl noch primär das überkommene Recht. 1804 wurde er zum Substituten (und damit vornehmlich zum Sitzungsvertreter des Generalstaatsanwalts) (procureur général) am Pariser Kassationshof, der über sechs Substituten verfügte, ernannt, ohne dass er zu diesem Zeitpunkt über nennenswerte Erfahrungen zumindest im französischen Prozessrecht verfügte. Leider ist Reisinger-Selk seiner Tätigkeit nicht anhand der archivalischen Überlieferung und der französischen Urteilssammlungen nachgegangen (vgl. S. 208). Das Gleiche gilt für seine anschließende Tätigkeit als Generalprokurator am Appellationsgerichtshof von Brüssel von 1813 bis 1816. 1817 trat Daniels in den preußischen Staatsdienst ein als Mitglied des Staatsrats, Berater der Immediat-Justiz-Kommission und als Gutachter der preußischen Regierung hinsichtlich der Weitergeltung des französischen Rechts in der Rheinprovinz. 1817/19-1827 war er Präsident des Rheinischen Oberappellationsgerichts in Köln, über dem nur noch der Rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin stand.

 

Reisinger-Selk behandelt nach der Zusammenstellung einer Bibliographie der juristischen Werke von Daniels dessen Leben und Werk in drei Teilen entsprechend seiner beruflichen Laufbahn (bis 1804, von 1804 bis 1816 und von 1817 bis 1827). Im Mittelpunkt der jeweiligen Abschnitte stehen Analysen seiner juristischen Arbeitsweise und Methodik anhand der überlieferten Werke und Vorlesungsnachschriften. Für die kurkölnische Zeit geht Reisinger-Selk auf die Publikationen und Vorlesungsnachschriften zum Erbrecht für folgende Fragen näher ein: Auf die Frage der Geltung des römischrechtlichen Grundsatzes: „nemo pro parte testatus pro parte intestatus potest decedere“, das ius accrescendi, die Formvorschriften und das Kollisionsrecht. Reisinger-Selk sieht in Daniels einen Vertreter des usus modernus, der das Partikularrecht (hier das kurkölnische Landrecht von 1663) eigenständig interpretierte und von der gleichberechtigten Geltung des römischen und partikularen Rechts ausging. Hierbei war Daniels vor allem darum bemüht, eine enge Verbindung von Theorie und Praxis herzustellen und die unterschiedlichen Rechtsquellen zu einer einheitlichen Rechtsordnung des Kurfürstentums zusammenzufassen. Als nächstes analysiert Reisinger-Selk die gerichtliche Praxis im Erzstift Köln anhand der „Sammlung gerichtlicher Akten“ (1790) von Daniels. Hier bekommt der Leser einen detaillierten Einblick in den gemeinrechtlichen schriftlichen Zivilprozess, dessen Hauptcharakteristika Reisinger-Selk zusammenstellt. Aus der ersten Kölner Zeit geht Reisinger-Selk auf die Schrift von Daniels: „Ueber das Stapelrecht zu Kölln und Mainz“ (1804) ein, dessen Weiterbestehen Daniels sehr geschickt verteidigte. Für die napoleonische Zeit befasst sich Reisinger-Selk mit dem Einfluss Daniels auf die Akzeptanz des französischen Rechts, insbesondere des Code Napoléon in Deutschland. Die schon sehr frühe Übersetzung dieser Kodifikation durch Daniels im Jahre 1805 nahm bei der Verbreitung der französischen Codes eine Vorreiterrolle ein. In die preußische Zeit fällt die Einflussnahme auf die Entscheidung der preußischen Regierung, im Rheinland das französische Recht bis zur Revision des Allgemeinen Landrechts und der Allgemeinen Gerichts-Ordnung bestehen zu lassen. Schließlich beschreibt Reisinger-Selk das posthum erschienene Werk von Daniels: „Grundsätze des Wechselrechts“ (1827). Hierzu stellt sie fest, dass es das Ziel von Daniels gewesen sei, allgemeine Rechtsgrundsätze im Wechselrecht aufzustellen, die nicht nur den deutschen, sondern den europäischen Rechtsraum umfassen sollten (S. 305).

 

Das Werk von Reisinger-Selk berücksichtigt die veröffentlichte Literatur über Daniels und seine eigenen Werke in umfassender Weise. Sie weist auch darauf hin, dass Daniels Landessyndikus des Herzogs von Arenberg gewesen sei und in der napoleonischen Zeit auch die Gesetzgebung des 1810 untergegangenen Herzogtums Arenberg, welches das Gebiet des ehemaligen Vestes Recklinghausen umfasst, beeinflusst hat (S. 178, 224f.). Diesem Tätigkeitsbereich von Daniels müsste noch näher anhand der archivalischen Überlieferungen in Paris und Münster nachgegangen werden. Auch eine erneute Durchsicht der preußischen Archivalien über die Aktivitäten Daniels zwischen 1817 und 1827 in Berlin wäre nach der Quellenedition Ernst Landsbergs von vor knapp 100 Jahren erwünscht. Ebenso ist über die Tätigkeit von Daniels als Präsident des Kölner Oberappellationsgerichts nur wenig bekannt geworden. Insgesamt hat Reisinger-Selk mit ihrer vielleicht im Ganzen etwas zu breit geratenen Biographie über Daniels vor allem dessen spezifisch rechtswissenschaftlichen und rechtsmethodischen Leistungen erschlossen und damit wichtige Anregungen für weiterführende Arbeiten über Daniels gegeben.

 

Kiel

Werner Schubert