Reibel, Carl-Wilhelm, Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945 (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2002. 415 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Marie-Luise Recker betreute, im Sommersemester 2000 an der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation des von 1988 bis 1994 an der katholischen Universität Eichstätt neuere, neuste und antike Geschichte und politische Theorie studierenden, das Studium mit einer Magisterarbeit über einen Stadtteil von Frankfurt am Main während der Zeit des Nationalsozialismus abschließenden und danach in Lille fortsetzenden, nach der Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Reichstagswahlen und -bündnisse 1890-1918 am Lehrstuhl für neuere und neueste Geschichte der Universität Frankfurt am Main wirkenden Verfassers. Seine Studie wurde durch ein Informationsbedürfnis inspiriert, das die Forschung zu Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch nicht befriedigen konnte. Dementsprechend bedeutet seine Untersuchung die Schließung einer Lücke auf der Grundlage vieler unterschiedlicher Quellen.

 

Gegliedert ist sie in sieben Abschnitte. Diese sind teils chronologisch hintereinandergereiht, teils sachlich nebeneinandergestellt. Dementsprechend steht am Beginn die Entwicklung der Ortsgruppenorganisation, wie sie 1919 einsetzt und dann über die Jahre 1932, 1934, 1936 und 1938 bis 1945 verfolgt wird.

 

Daran schließt sich die Parteiverwaltung in den Ortsgruppen durch Hoheitsträger wie Ortsgruppenleiter, Zellenleiter und Blockleiter sowie den Ortsgruppenstab (Ortsgruppengeschäftsführer, Ortsgruppenkassenleiter, Ortsgruppenorganisationsleiter, Ortsgruppenpersonalamtsleiter, Ortsgruppenschulungsleiter, Ortsgruppenpropagandaleiter und Ortsgruppenpressebeauftragten) an. Es folgt die Betrachtung der Personalpolitik in den Ortsgruppen (z. B. Auswahl und Förderung des Führernachwuchses), der ideologischen Schulung der politischen Leiter, des Finanzwesens der Ortsgruppenorganisation und der Organisation der Diktatur in den Ortsgruppen. Hier arbeitet der Verfasser mit großem Nachdruck die Spannbreite von der Betreuung bis zur politischen Verfolgung heraus.

 

Nach der Betrachtung der Ortsgruppen im zweiten Weltkrieg fasst er seine Ergebnisse nochmals umfassend zusammen. Danach war die Ortsgruppenorganisation ein wesentliches Herrschaftsinstrument, weil sie den Rahmen für die Einbindung der Anhänger und den Raum für die Überwachung und Ideologisierung der erfassten Bevölkerung bildete. Allerdings stimmten Anspruch und Wirklichkeit des Parteiapparates an der Basis vielfach nicht miteinander überein.

 

Insgesamt sieht die gelungene Studie die Ortsgruppenorganisation als stabilisierendes Element der nationalsozialistischen Diktatur. Sie war die strukturelle Voraussetzung dafür, dass sich Menschen in den Dienst der Herrschaft stellen konnten. Dementsprechend konnte die Diktatur erst mit der vollständigen Zerstörung dieser Struktur zusammenbrechen.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler