Przybilla, Peter, Die Edelherren von Meinersen. Genealogie, Herrschaft und Besitz vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, aus dem Nachlass hg. v. Ohainski, Uwe/Streich, Gerhard (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 236). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2007. 727 S., Karte, Stammbaum. Besprochen von Gudrun Pischke.

 

Für diese umfang- und detailreiche wie „quellengesättigt[e]“ (Vorwort, S. 10) Ausarbeitung zu einem der bedeutendsten Edelherrengeschlechter im nördlichen Harzvorland hat der im Frühjahr 2001 verstorbene Verfasser über zwei Jahrzehnte akribisch Literatur, gedruckte und ungedruckte Quellen aufgespürt, ausgewertet und verarbeitet – und dann das Manuskript unvollendet zur Seite gelegt. Dass die beachtlichen Ergebnisse der peniblen Forschungsarbeit doch zur Veröffentlichung gelangten, geht auf den Einsatz zweier Direktoren von Institutionen der Universität Göttingen zurück.  Die Herausgeber haben, wie sie im Vorwort darlegen (S. 11), „Änderungen ... nur sehr behutsam vorgenommen, um die Eigenart des streckenweise steitbaren Textes nicht zu verfälschen“. Nicht ergänzt wurden fehlende Teile wie Einleitung oder Zusammenfassung, wohl aber ein auf der Verwaltungsgliederung von 2006 beruhendes Register und Neueditionen der Meinersenschen Lehnregister von 1218/1220 (S. 574-586), 1250/1260 (S. 587f.) und 1278/1280 (S. 589-596); Tabellen, Karten und eine Stammtafel wurden nach vorliegenden Entwürfen angefertigt.

 

Das sächsische Geschlecht der Edelherren von Meinersen – zu verfolgen von 1142 bis 1390 und seit 1150 benannt nach ihrem Hildesheimer Lehen, einer Burganlage am Okerübergang nahe der Mündung in die Aller – stammt, wie der Verfasser nachweist, aus dem Gebiet zwischen Aller und Ohre; hier in Emden (südlich der Linie Helmstedt-Haldensleben) lag der wohl älteste Besitz, was sich 1145 in der Zubenennung eines Angehörigen dieser Edelherrenfamilie niederschlug, wie auch in Mahner, wonach ihr erster bekannter Vertreter benannt worden war. Der letzte Edelherr von Meinersen, der Domherr in Magdeburg war, gab Meinersen, nunmehr „Herrschaft“, 1353 zurück an den Bischof von Hildesheim; auch den Eigenbesitz überließ er diesem Hochstift.

 

In einem ersten Teil „Genealogie und Verwandtschaft“, unterteilt in fünf Abschnitte, stellt der Verfasser zunächst 43 gesicherte und drei mögliche (ein vierter wird im Text, S. 205, erwähnt, aber nicht wie alle anderen gezählt, s. a. als Faltblatt beigefügte Stammtafel) Angehörigen der Edelherren von Meinersen von ihrer ersten bis zur letzten Erwähnung einzeln vor und beschreibt auch deren Siegel. Nach Übersichten zu Ehepartnern, geistlichen Würden in Stiften und Konventen sowie Abfolge und Auftreten der Söhne weist der Verfasser die These der Verwandtschaft der Edelherren von Meinersen mit den Herren von Mahner und den Edelherren von (Gebhards-)Hagen zurück. Im zweiten Teil „Die Edelherrren von Meinersen von ihren Anfängen bis zur Aufgabe der Herrschaft (1142-1353)“ geht es zunächst um Herkunft und Abstammung, dann um die Burg Meinersen in Abgrenzung von der späteren herzoglichen Burgen im selben Ort. Im dritten Abschnitt dieses Teils werden Stellung, Funktion und Auftreten der Edelherren zur Zeit Heinrichs des Löwen und seiner Söhne Otto IV. und Pfalzgraf Heinrich (1142-1227) behandelt und in einem vierten, dreifach untergliederten Abschnitt zunächst während der Herrschaft Ottos des Kindes (1227/29-1252), dann von dessen Söhnen Albrecht und Johann (1252-1279) und schließlich die Jahrzehnte bis zur Aufgabe der Herrschaft (1279-1352); eingebunden wurden hierbei auch die Beziehungen „zu den territorialen Nachbargewalten, den Bistümern Hildesheim, Halberstadt, Magdeburg und den Markgrafen von Brandenburg“. Der Abschnitt zur Aufgabe der Herrschaft Meinersen durch den letzten männlichen Edelherren schließt den zweiten Teil ab. Der dritte Teil befasst sich mit dem edelherrlichen Besitz und ihren Herrschaftselementen im Zeitraum von 1147 bis 1366, aufgeschlüsselt nach Allodialbesitz (III.1), Zehnten (III.2), Vogteien und Patronaten (III.3), Zinsen, Renten Zoll- und Salzrechte (III.4) und Burgen (III.5); nicht erhalten oder nicht fertiggestellt sind vorgesehen Abschnitte zu Gerichtsrechten, Lehnsherren und Lehnsleuten (III.6-8), für die aber Kartenentwürfe vorlagen (S. 711, 713, 725, 727), die das Fehlen dieser Abschnitte größtenteils auffangen, wie die Herausgeber urteilen (S. 11). Der vierte Teil „Anhänge“ enthält außer den erwähnten Neueditionen der Lehnsregeister (IV.3) ein umfangreiches Besitzverzeichnis (IV.1), das edelherrlichen Besitz in mehr als 260 Orten alphabetisch auflistet (S. 463-547); tabellarisch erfasst sind 175 Lehnsträgerfamilien der Edelherren von Meinersen (IV.2, S. 551-572); beigefügt sind des Weiteren vier Urkunden, drei davon bislang ungedruckt, zu Gründung und Ausstattung einer Kapelle im Hildesheimer Dom durch dessen Domkantor Bernhard I. von Meinersen. Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis (V.), ein von einem der Herausgeber erstellte Personen- und Ortsregister (VI.) und der Kartenteil (VII.) schließen die Monografie ab.

 

Bei der zu empfehlenden Benutzung der vorliegenden Arbeit ist über einiges hinwegzusehen, was zum einen in der Gesamtkonzeption liegt, zum anderen, wie die Herausgeber betonen, im Temperament des Verfassers, „seinem Wunsch zur Klärung offener Fragen und seinem wissenschaftlichen Engagement“ begründet ist (S. 11).  Die Nennung von zwei oder mehreren Vertretern der Edelherrenfamilie im selben Schriftzeugnis oder Sachzusammenhang führt zu lästigen inhaltlichen Wiederholungen. Obwohl er sehr quellenbezogen gearbeitet hat – so hat er von Urkunden auch Originale oder Abschriften eingesehen –, sind zu den Edelherren von Meinersen nicht quellengestützte Mutmaßungen seinerseits zu finden. Bei der Widerlegung anderer Meinungen geht der Verfasser mit deren Urhebern und auch Nutzern ziemlich hart ins Gericht. Das sollte weniger beachtet werden, vielmehr sollte der Ertrag seiner Ausführungen im Vordergrund stehen. Manches Mal entfernt er sich bei seinen Ausführungen erheblich von seinem Untersuchungsbereich wie es das Beispiel des Goslarer Vogteigeldes zeigt, dem er einen mehr als 20seitigen Exkurs widmete, der jedoch in neue Forschungen einzufließen hat. Ohne direkten Bezug zu den Edelherren von Meinersen ist sein Zweifel an der Echtheit der Urkunde, in der Pfalzgraf Heinrich 1223 seinen Neffen Otto als seinen Erben einsetzte (nach Przybilla eingesetzt haben soll; S. 283ff., Anm. 65). Dennoch sind seine Einwände nicht von der Hand zu weisen und sollten bei künftigen Forschungen zur welfischen Geschichte Beachtung finden. Es ist nicht die einzige Urkunde, die er als Fälschung ansieht (s. z. B. S. 73, Anm. 5 oder S. 99, Anm. 8).

 

Nicht alle im Literaturverzeichnis enthaltenen Arbeiten scheint Peter Przybilla für seine Auswertungen tatsächlich – noch – herangezogen zu haben; in den Anmerkungen wird beispielsweise bei den welfischen Teilungen nicht auf „meine“ 1987 erschienenen „Landesteilungen der Welfen im Mittelalter“ verwiesen; auch wird in den Anmerkungen der „Geschichtliche Handatlas Niedersachsens“ von 1939 angeführt und nicht die 1989 edierte Neubearbeitung „Geschichtlicher Handatlas von Niedersachsen“. Inwiefern diese Beobachtung für weitere Literaturnennungen zutrifft, sollte bei Benutzung dieser doch verdienstvoll bleibenden Arbeit bedacht und geprüft werden. Für die aus der Teilung des Herzogtums Braunschweig entstandenen welfischen Fürstentümer und deren weiteren Teilungen sollte nicht der vom Verfasser verwendete Begriff Teil-Herzogtum fortan Verwendung finden, sondern es sollte an der Gepflogenheit festgehalten werden, den späteren Begriff Fürstentum auf die aus den Teilungen hervorgegangenen Herrschaftsbereiche einzelner Herzöge (und ihrer Nachkommen) anzuwenden.

 

Für sich mit dem nördlichen Vorharzbereich im Hoch- und Spätmittelalter befassenden Arbeiten, sei es unter orts-, adels-, wirtschafts-, landes- oder weiteren geschichtlichen Aspekten, auch und gerade länderübergreifend, wird diese Untersuchung zu den Edelherren von Meinersen heranzuziehen sein.

 

Bovenden                                                                               Gudrun Pischke