Ludwig Hassenpflug. Denkwürdigkeiten aus der Zeit des zweiten Ministeriums 1850-1855, hg. v. Grothe, Ewald (= Veröffentlichungen der  historischen Kommission für Hessen 48, 11 = Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen 34). Elwert, Marburg 2008. XXVI, 425 S., 18 Abb. Besprochen von Wilhelm A. Eckhardt.

 

Ludwig Hassenpflugs zweite Amtszeit als kurhessischer Staatsminister war es vor allem, die hierzulande seinen schlechten Ruf als konservativer, ja reaktionärer Politiker begründet hat („Hassenpflug der Hessen Fluch”). „Erneut drangsalierte er Parlament [und Presse, erneut ließ er es auf einen heftigen Konflikt mit den Liberalen] ankommen. Die Steuerverweigerung des Landtags beantwortete er mit der Verhängung des Kriegszustands. Und anschließend ließ er eine Bundesexekution mit dem Einmarsch von Bundestruppen nach Kurhessen durchführen“ (Grothe S. XII-XIII; die letzte Zeile der S. XII ist beim Druck verloren gegangen und wurde hier in [ ] ergänzt). Seine eigene Schilderung dieser Jahre ist natürlich subjektiv und dient letztlich auch der eigenen Rechtfertigung, aber sie ist gleichwohl eine wichtige Ergänzung der Quellen für diese Zeit. „Gegenüber den gleichfalls recht zeitnahen liberalen Schilderungen des Verfassungskampfes durch Heinrich Gräfe, Friedrich Oetker u. a. bildet sie gewissermaßen ein konservatives Pendant“; aber nicht nur die politische Richtung sei eine andere, sondern auch der Blickwinkel, denn hier berichte eben kein Parlamentarier und kein Publizist, sondern ein Mitglied der Regierung (Grothe S. XXI-XXII). So ist die Veröffentlichung der „Denkwürdigkeiten“ Hassenpflugs nur zu begrüßen.

 

Die Editionsgrundsätze (Grothe S. XXV) und die Gestaltung des Drucks sind zweckentsprechend. Leider hat Grothe jedoch die Seitenzahlen der Vorlage, nach denen Rüdiger Ham in seiner Hassenpflug-Biographie (Studien zur Geschichte der Neuzeit 50, Hamburg 2007) zitiert, nicht angegeben. Das erschwert die vergleichende Arbeit mit diesen beiden Publikationen.

 

Zum Anmerkungsapparat sagt Grothe (S. XXV): „Der Kommentar erfüllt die Aufgabe, alle Personen, Ereignisse und unbekannten Zusammenhänge zu erläutern.“ Bei 1593 Anmerkungen zu 388 Seiten Text scheint diese Aufgabe erfüllt zu sein. Aber es bleiben doch noch Wünsche offen. Das liegt zum Teil an Beschränkungen, die sich Grothe selbst auferlegt hat: „Sekundärliteratur wird nur ausnahmsweise in den Anmerkungen aufgeführt. Insbesondere wird auf biographische Nachweise verzichtet, wenn diese bekannten Nachschlagewerken entnommen wurden.“

 

Nehmen wir als Beispiel die Personalien der Mitglieder des kurhessischen Landtags. Ich stimme mit Grothe überein, dass es nicht nötig ist, bei jedem Abgeordneten auf Philipp Losch, Die Abgeordneten der Kurhessischen Ständeversammlungen von 1830 bis 1866, Marburg 1909, zu verweisen (ich würde allerdings Loschs Arbeit im Literaturverzeichnis nennen, solange sie noch nicht durch ein besseres Werk ersetzt ist[1]). Wenn es aber für einzelne Abgeordnete Biographien in der Allgemeinen Deutschen Biographie, in der Neuen Deutschen Biographie oder in den 6 Bänden der „Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830 bis 1930“ gibt, dann würde ich einen Hinweis darauf in der betreffenden Anmerkung schon für nützlich halten. Das betrifft z. B. Rudolph v. Buttlar-Elberberg (Anm. 358), Bernhard Eberhard (Anm. 35), Heinrich Gräfe (Anm. 421), Heinrich Henkel (Anm. 75), Friedrich Oetker (Anm. 419) und Wilhelm Schenck zu Schweinsberg (Anm. 1011).

 

Ohne Hinweis auf Sekundärliteratur können auch Sachanmerkungen fragwürdig sein. S. 157 spricht Hassenpflug davon, dass Landgraf Philipp „gegen Ende des 17ten Jahrhunderts der Beiname ‚magnanimus’ von Historikern beigelegt worden, ein Beiname, der jetzt als ‚Philipp der Großmüthige’ in Jedermanns Munde ist.“ Dazu Grothe in Anmerkung 718: „Angeblich haben bereits die Zeitgenossen von ‚Philipp magnanimus’ gesprochen.“ Was bringt diese Bemerkung ohne irgendeinen Beleg? Der Verweis auf Wilhelm Schmitt, Landgraf Philipps Beiname „Der Großmütige“, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 64, 1953, S. 144-147, würde dagegen etwas gebracht haben.

 

Schließlich sei noch eine Korrektur erlaubt. Graf Leiningen, der österreichische Feldmarschallleutnant Christian Graf zu Leiningen-Westerburg-Neu-Leiningen (1812-1856), einer der zwei Bundeszivilkommissare für Kurhessen, der bei Grothe im Index aus unerfindlichen Gründen unter Neu-Leiningen-Westerburg erscheint, erzählt S. 142f. Spukgeschichten aus seinem Schloss Westerburg. Es handelt sich dabei nicht um einen kleinen Ort südlich von Oldenburg (so Grothe Anm. 665), sondern um die namengebende Stammburg der Grafen zu Leiningen-Westerburg über der Stadt Westerburg im Westerwald; vgl. Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Rheinland-Pfalz, Saarland, 2. Auflage, München, Berlin 1984, S. 1129f.; Ludwig Petry (Hrsg.), Rheinland-Pfalz und Saarland (Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 5), 3. Aufl., Stuttgart 1988, S. 401f. Zu den Westerburger Spukgeschichten vgl. Hans Heiberger, Die Westerburg. Stammhaus der Grafen zu Leiningen-Westerburg, 1978, S. 60-62, wo auch wieder der Adjutant des Grafen, Hauptmann Baron Uracca erwähnt wird; ob der Adjutant mit dem späteren österreichischen Generalmajor Josef Freiherr von Uracca (1824-1879)[2] identisch ist, müsste überprüft werden.[3] Die Westerburg gehörte später der Linie Alt-Leiningen, die 1929 mit Gustav Graf zu Leiningen-Westerburg-Alt-Leiningen im Mannesstamm erloschen ist. Der Adoptivsohn seiner Schwester Eleonore, Konrad Graf zu Leiningen-Westerburg-Alt-Leiningen, hat bis 1993 im Schloss gewohnt und es vor dem Ruin bewahrt; er ist kurz nach seinem 100. Geburtstag am 18. September 1993 gestorben. Seitdem ist das Schloss nicht mehr im Familienbesitz.

 

Marburg                                                                                                          Wilhelm A. Eckhardt



[1] Jochen Lengemann, MdL 1808-1996. Biographischer Index (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 48, 7 = Politische und Parlamentarische Geschichte des Landes Hessen 14), Marburg 1996, will (vgl. S. 11f.) und kann mit seinen Kurzbiographien die Langfassungen mit Literaturhinweisen bei Losch nicht ersetzen.

[2] So Antonio Schmidt-Brentano, Die k.k. bzw. k.u.k. Generalität 1816-1918, Österreichisches Staatsarchiv 2007 (im Internet), S. 191.

[3] Auf Anfrage teilte Frau Kollegin Renate Domnanich vom Österreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv am 25. Juli 2008 mit, daß der spätere Generalmajor (* Wien 26.11.1823, † Czernowitz 12.2.1879) Anfang der 1850er Jahre Brigade- und Truppendivisionsadjutant war, anschließend Bundestruppen Oberkommandoadjutant zu Frankfurt am Main, dann dem Feldmarschallleutnant Graf Leiningen-Westerburg zur Dienstleistung zugeteilt war. Nähere Angaben waren also (entgegen Grothe Anm. 666) durchaus ermittelbar.