Leicht-Scholten, Carmen, Die Gleichberechtigung im Grundgesetz. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1949 bis heute. Campus, Frankfurt am Main 2000. 268 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Christine Landfried betreute, durch ein Promotionsstipendium der Frauenanstiftung geförderte, im Januar 1998 von der philosophischen Fakultät der Universität Hamburg angenommene, einem Mann gewidmete Dissertation der Verfasserin, die ihr Vorwort damit beginnt, dass die Gleichstellung der Frau auch ein halbes Jahrhundert nach der Festschreibung des Rechts auf Gleichberechtigung in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ein zentrales politisches Thema ist und trotz einer Vielzahl formalrechtlicher Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung die gesellschaftliche Wirklichkeit weit hinter dem Verfassungspostulat zurückbleibt. Ihr Anliegen ist die Klärung des Zusammenhangs zwischen gesellschaftlichem Wandel und Interptetation der Verfassungsnorm.

 

Zu diesem Zweck zeigt sie als erstes die verfassungsrechtlichen und theoretischen Hintergründe der Gleichberechtigung auf. Dem schließt sie den sozialen Wandel und Frauenleitbilder in Gesellschaft und Politik der Bundesrepublik an. Danach wendet sie sich dem Verhältnis von sozialer Realität und Verfassungsrechtsprechung zu.

 

Dabei legt sie zunächst in chronologischer Abfolge die Fälle der Berücksichtigung des sozialen Wandels in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dar (Witwenrente, Namensrecht, Scheidungsrecht). Dem stehen Stagnation und Rückschläge der Gleichberechtigung durch die Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber (z. B. Steuerprivilegien für Verheiratete). Als Indikator für Gleichberechtigung in Selbstbestimmung und Menschenwürde verwendet sie § 218 StGB und stuft das nach wie vor überwiegend mit Männern besetzte Bundesverfassungsgericht als retardierendes Moment der Gleichberechtigung ein, hält aber eine Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in dem von ihr beschriebenen Maße durchaus für möglich.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler