Krey, Hans-Josef, Herrschaftskrisen und Landeseinheit. Die Straubinger und Münchner Landstände unter Herzog Albrecht IV. von Bayern-München (= Berichte aus der Geschichtswissenschaft). Shaker, Aachen 2005. XL, 288 S. Besprochen von Christof Paulus.

 

Herzog Albrecht IV. († 1508), den schon Zeitgenossen den Weisen oder den Witzigen nannten, gilt der bayerischen Landesgeschichte als einer der bedeutendsten Wittelsbacher. Die Primogeniturordnung von 1506, von Albrecht und, meist verschwiegen, von seinem Bruder Wolfgang ausgestellt, beendete das Zeitalter der bayerischen Landesteilungen. Fürderhin sollte ein Wittelsbacher in Gesamtbayern regieren.

 

Ein Widerspruch besteht zwischen der allenthalben eingestandenen Größe des Bayernherzogs und der Forschung über ihn. Die immer noch eingehendste Auseinandersetzung stammt vom Altmeister des Fachs, Sigmund von Riezler, in dessen „Geschichte Baierns“. Umso bedeutender ist nun die Eichstätter Dissertation Hans-Josef Kreys, die in vielem Riezler folgt, doch das Bild Albrechts IV. um wichtige Profilierungen erweitern kann.

 

Kreys Arbeit und die bisherige Albrecht-Forschung verbindet eine teleologische Lesart des herzoglichen Lebens. Das Handeln Albrechts IV. ab der Regierungsbeteiligung im Herzogtum Bayern-München Mitte der 60er Jahre des 15. Jahrhunderts wird auf den Orientierungspunkt der Primogeniturordnung von 1506 hin interpretiert. Diese Einschätzung hat ihre grundsätzliche Berechtigung, doch fordert ein Blick in die archivalische Überlieferung durchaus eine zeitlich differenziertere Betrachtungsweise.

 

Ebenfalls gängig ist die Deutung der Regierung als Zeit des Übergangs, als „Schwellenzeit“ (234, 268). Krey gliedert seine Untersuchung weitgehend chronologisch. Hauptquellen sind die von Franz von Krenner am Anfang des 19. Jahrhunderts herausgegebenen, mittlerweile als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek zugänglichen „Landtags-Handlungen“. Doch bezieht Krey auch Münchner archivalische Überlieferung in seine Arbeit ein. Die Dissertation beschließen eine den Arbeiten Heinz Lieberichs folgende Zusammenstellung der Beamten, ein systematischer Überblick zur „Organisation der Münchner und Straubinger Landschaft“ und ein nicht ganz vollständiges Register.

 

Krey sieht in der landschaftlichen Integrationsproblematik ein Leitthema der Regierung Albrechts IV. Nach schwierigen, durch unterschiedliche Rechtstraditionen erschwerten Anfängen werden die Landstände, die wichtige Vermittlerfunktionen in der krisen- und konfliktreichen Zeit ausübten, letztlich als Garanten der Einheit gedeutet. Eine finanzielle und rechtliche Verlässlichkeit habe die Hinwendung der Landschaft zu Albrecht IV. bedingt, ein Urteil, was in seiner grundsätzlichen Formulierung vor allem bezüglich des Adels eine Differenzierung benötigt.

 

Für Krey legen die Landstände in der Regierungszeit Albrechts IV. einen Weg hin zu zunehmender Institutionalisierung zurück, was sich in die Forschungen Peter Moraws einfügt. Die Vereinheitlichungstendenzen mündeten in die Primogeniturordnung, die als „Konsensverfassung zwischen Herzog und Ständen“ (275) gedeutet wird. Wie in vielen vergleichbaren Arbeiten zu politischen oder rechtlichen Fragestellungen des Spätmittelalters werden die Ergebnisse weitgehend aus der Ereignisgeschichte abgeleitet.

 

So berichtet Krey vieles Bekanntes zum Böckler- und Löwlerbund, zum Verhältnis zu Erzherzog Sigmund, zur kurzzeitigen Mediatisierung Regensburgs oder zum Landshuter Erbfolgekrieg. Hier liegt eine vergleichbar reiche Forschung bereits vor. An dieser Stelle sei nur auf die Arbeiten von Wilhelm Baum, Stefan Rudolf Mayer, Alois und Peter Schmid oder Reinhard Stauber verwiesen. Doch ist dies dem methodischen Ansatz geschuldet, wenngleich die Verbindung mancher ereignisgeschichtlicher Episoden zum eigentlichen Thema der Arbeit, den Landständen, nicht auf den ersten Blick zwingend erscheint.

 

Nicht alles überzeugt in der vorliegenden Dissertation vollends. So nimmt Krey offensichtlich eine Trennung von Politik und Gericht an (5f.), ist doch auch von einer „Herrschaft durch Verfahren“ auszugehen. Zu bezweifeln sind die vom Autor mehr festgestellten denn nachgewiesenen Wendepunkte für die landständische Politik Albrechts IV. (1485, 1489, 1496, 1503, vgl. 233). Hier hätte eine Differenzierung zwischen dauerhaften Räten und Räten auf Zeit auch eine andere Schwerpunktsetzung ergeben können.

 

Manche Schlüsse, mögen sie auch durchaus ihre grundsätzliche Berechtigung haben, gehen nicht ganz zwingend aus dem Dargelegten hervor, etwa dass sich die Finanzpolitik Herzog Albrechts IV. neben den Klöstern und Stiften vor allem auf die Städte und Märkte gestützt habe (119) oder dass die wittelsbachischen Bemühungen um Regensburg und das Abensberger Erbe (auch) der Neuorganisation der herzoglichen Besitzungen im Straubinger Niederland gegolten hätten (144). Methodisch bedenklich ist, aus einem Einzelfall das Nachgeben als Charakteristikum der herzoglichen Politik abzuleiten (115).

 

Auch sind manche Formulierungen wie „Stadium der Landsässigkeit“ (2), „Verdinglichungsprozess“ (5, gemeint ist wohl Verdichtungsprozess), die Charakterisierung des Landshuter Erbfolgekriegs als „Stellungskrieg“ (191) oder die Verwechslung Nürnbergs mit Regensburg (192) nicht recht glücklich. Ob es sinnvoll ist, in einer Dissertation über die bayerischen Landstände erst ab Seite 234 auf Grundsätzliches wie Terminologie, Einberufung, Teilnahmepflicht und Aufgaben einzugehen, ist wohl fraglich.

 

Trotz dieser Einwände ist insgesamt Kreys Arbeit ein wichtiger Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Politik des Bayernherzogs Albrecht IV. Denn es gelingt, die Landschaft als wichtigen Bestandteil innerhalb des dichten, durch vielfältige Bindungen und Möglichkeiten zusammengehaltenen, spätmittelalterlichen Beziehungsgeflechts zu profilieren, innerhalb dessen die Politik des Bayernherzogs zu verankern ist. Es zeigt sich, in welch starkem Maße „Innenpolitik“ und „Außenpolitik“ miteinander verwoben waren.

 

Seehausen am Staffelsee                                                         Christof Paulus