Koal, Valeska, Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen des Frühmittelalters (= Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 13). Lang, Frankfurt am Main 2001. 253 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Hubert Mordek betreute, durch eine dreijährige wissenschaftliche Mitarbeit am von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekt Edition der fränkischen Kapitularien 507-814 an der Universität Freiburg im Breisgau gestützte, 1998 von der philosophischen Fakultät der Universität angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie  befasst sich erstmals besonders mit der Nachwirkung der fränkischen Kapitularien(gesetz)gebung in der frühmittelalterlichen Kanonistik. Dazu sollen Ursprung, Rezeption und Fortleben der Kapitularien an Hand von Kanonessammlungen des späten 9. bis mittleren 11 Jahrhunderts untersucht werden, wobei der Bezug zwischen Ursprung der Kapitularien und Fortleben im 9. bis 11. Jahrhundert leicht verwirrend wirkt.

 

Nach der Verfasserin ist besonders zu prüfen, ob die fränkischen Erlasse auf direktem Weg über bestimmte Handschriften in die Sammlungen gelangt sind oder mittelbar über ältere Kapitularienkompilationen bzw. Kanonessammlungen. Von zentralem Interesse ist ihr die Frage nach Funktion und Bedeutung der Kapitularien innerhalb der kirchenrechtlichen Überlieferung. Insgesamt geht es über die Entstehungsgeschichte hinaus auch um Überlieferungszusammenhänge.

 

Noch in der Einleitung geht die Verfasserin zutreffend auf die bisherigen Forschungsansätze ein und beschreibt die sich mit dem Fortleben mittelalterlicher Rechtstexte befassenden Studien als rar. Immerhin kann sie für die Libri duo de synodalibus Reginos von Prüm, das Decretum Burchardi, die Sammlungen der Handschrift Mailand A. 46 inf., die Vier-Bücher-Sammlung der Handschrift Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek 124, die Sammlung der Handschrift Troyes 1979, die Sammlung der Handschrift Salzburg, Sankt Peter a. IX. 32, die Excerptiones Pseudo-Egberti und die Collectio Diessensis der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 5541 auf weitgehend erforschte Kapitularienrezeption hinweisen. Gleichwohl bleibt ihr genug zu tun.

 

Dementsprechend sucht sie nach Kapitularien in der Collectio Anselmo dedicata, in der 98-Kapitel-Sammlung, in der Collectio Sancti Emmerami, in der Neun-Büchersammlung der Handschrift Rom, Biblioteca Vaticana Vat. Lat. 1349, in Abbo von Fleurys Collectio canonum, in der Fünf-Bücher-Sammlung und in der Collectio XII partium. Dabei kann sie feststellen, dass sich für die frühere Zeit die Nachwirkung der Kapitularien im ottonischen Reich konzentriert, während etwa die fast 2000 Kapitel umfassende italienische Collectio Anselmo dedicata nur zwei Kapitularienkapitel enthält. Wichtige Quellen waren die Kapitulariensammlung des Ansegis und das Sendhandbuch Reginos von Prüm.

 

Im Vergleich zur geringen Rezeption der Kapitularien in den Sammlungen des ausgehenden 9. und 10. Jahrhunderts nehmen die fränkischen Erlasse in den beiden Sammlungen des 11. Jahrhunderts einen wichtigen Platz ein. Dies führt die Verfasserin ansprechend auf das universale Reichskonzept Heinrichs II. und seiner Nachfolger zurück. Mit dem Beginn des Investiturstreits ergibt sich dann freilich wieder ein Einschnitt.

 

Im Anhang dokumentiert die Verfasserin ihre sorgfältig ermittelten Befunde sehr übersichtlich in Tabellen. Mit ihrer Arbeit hat sie die Kapitularienforschung in einer wichtigen Hinsicht bereichert. Sehr zu bedauern ist, dass es ihrem Lehrer nicht vergönnt war, die Ergebnisse in ein abgeschlossenes Projekt einer Neuedition der Kapitularien einzubinden.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler