Jaeschke, Frauke, Pflichtteilsentzug – Historische Entstehung und Entwicklung unter dem BGB seit 1900 (= Europäische Hochschulschriften 2, 3521). Lang, Frankfurt am Main 2002. 274 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Jörn Eckert betreute, im Wintersemester 2001/2002 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie geht von der neueren Diskussion um das Pflichtteilsrecht und die vollständige Testierfreiheit aus. Ziel ist es, die historischen Beweggründe für die Anerkennung des Pflichtteilsrechts den veränderten gesellschaftlichen Wirklichkeiten gegenüberzustellen und dadurch eine Bewertung der Frage zu ermöglichen, ob das Pflichtteilsrecht in seiner bestehenden Dogmatik und Formulierung noch seine Berechtigung im heutigen Rechtsleben habe.

 

Im ersten der insgesamt fünf Teile leitet die Verfasserin in die Problematik ein. Danach behandelt sie Deutschland im 19. Jahrhundert. Dabei steht die Arbeit am Bürgerlichen Gesetzbuch im Mittelpunkt, bei der die Entstehungsgeschichte des Pflichtteilsrechts seit der Novelle 115 Justinians über das gemeine Recht, das preußische Allgemeine Landrecht, das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens, das französische Recht des Code civil, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs und den Entwurf Mommsens bis zum Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs sorgfältig dargestellt wird.

 

Der dritte Teil verfolgt die Spruchpraxis zum Pflichtteilsentzug seit 1900 im Wandel der Zeit. Dabei unterscheidet die Verfasserin drei Untereinheiten bis 1933, 1945 und 2000. Eingang in ihre Untersuchung fanden insgesamt 30 Entscheidungen, in denen sich hauptsächlich eine Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen erkennen lässt.

 

Hinsichtlich der Zukunft des Pflichtteilsrechts stellt die Verfasserin am Ende ihrer Würdigung der verschiedenen Stimmen fest, dass das Pflichtteilsrecht in keinster (!) Weise als überflüssig erscheine. Zwar treffe es zu, dass es auf der Grundlage eines anderen Familienverständnisses geschaffen worden sei, doch machte die veränderte Wirklichkeit die Einrichtung nicht entbehrlich. Für gewünschte Abänderungen müsse, so schließt die sachgerechte Arbeit, der Gesetzgeber durch Erhebung aussagekräftiger empirischer Daten die Veränderungswünsche der Bevölkerung ergründen und umsetzen.

 

Innsbruck                                Gerhard Köbler