Henry II: New Interpretations, hg. v. Harper-Bill, Christopher/Vincent, Nicholas. Boydell & Brewer. Woodbridge 2007. XVII, 403 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Die Regierungszeit Henrys II. ist für die englische Rechtsgeschichte von exponierter Bedeutung, weshalb es gerechtfertigt erscheint, das vorliegende Buch für diese Zeitschrift zu rezensieren, auch wenn es nur einen dezidiert rechtgeschichtlichen Beitrag enthält. Der Band, Ergebnis einer im September 2004 an der Universität von East Anglia, Norwich, abgehaltenen Tagung aus Anlass des 850. Jahrestages der Thronbesteigung Henrys II., beginnt mit der lesenswerten Einleitung Nicholas Vincents (Introduction: Henry II and the Historian, S. 1-23), der einen elegant geschriebenen, mitunter sogar humorvollen, fundierten Literaturüberblick vorlegt und auf Desiderata der Forschung verweist. Edmund King (The Accession of Henry II, S. 24-46), analysiert – ausgehend von einer Bemerkung Ralph de Dicetos – die Umstände, die dazu führten, dass der Herzog der Normandie als Nachfolger Stephans den englischen Thron ohne Blutvergießen besteigen konnte, und sieht die Nachfolgeregelung eher als Ergebnis eines von geistlichen wie weltlichen Fürsten getragenen, auf einen allgemeinen Konsens beruhenden Friedensprozesses denn als Folge eines Friedensabkommens. Jean Dunabin (Henry II and Louis VII, S. 47-62) untersucht die wechselhaften Beziehungen des englischen König zum Kapetinger Ludwig VII. John Gillingham (Doing Homage to the King of France, S. 63-84) legt in überzeugender Manier dar, dass die Mannschaft, die Henry II. 1156 angeblich Ludwig VII. leistete, nicht stattgefunden hat, und räumt mit dem Missverständnis auf, dass homage was the cement that held kingdoms together (S. 67). In der Mehrzahl der Fälle überredeten nämlich die englischen die französischen Könige aus einer Position der Stärke heraus, die Mannschaft ihrer Söhne zu akzeptieren. Dies änderte sich allerdings im Dezember 1183, als die Huldigung aus einer Position der Schwäche heraus geleistet wurde. Daniel Power (Henry, Duke of the Normans [1149/50-1189], S. 85-128) konzentriert sich in seinem Beitrag auf die normannische Aristokratie sowie die Beziehungen des Herzogs der Normandie zu seinen normannischen Untertanen und seinen Kapetinger Herren, während Seán Duffy (Henry II and England’s Insular Neighbours, S. 129-153) Henrys Umgang mit den Königreichen Schottland, Wales und Irland untersucht. Anne J. Duggan (Henry II, the English Church and the Papacy, 1154-76, S. 154-183) widmet sich Henrys Umgang mit der Kirche, wobei sie das Hauptaugenmerk auf die Zeit vor dem Becket-Konflikt legt. Die 1140er Jahre waren von normale Beziehungen geprägt, die sich allerdings nach der Thronbesteigung verschlechterten, als Henry versuchte, die Anrufung des Papstes als Appellationsinstanz einzuschränken. Schon vor 1162 befand sich Henry also auf Kollisionskurs mit der Kirche. Matthew Stickland (On the Instruction of a Prince: The Upbringing of Henry, the Young King, S. 184-214) beschäftigt sich mit dem Sohn Henrys II, der als einziger englischer König seit der Eroberung 1066 bereits zu Lebzeiten seines Vaters gekrönt (1170) wurde, um darzulegen, welche Einblicke die Erziehung dieses Jungkönigs, der das Idealbild eines angevinischen Königs verkörperte, auf das Wesen der angevinischen Königsherrschaft geben kann. Paul Brand (Henry II and the Creation of the English Common Law, S. 215-241) gibt zunächst einen Überblick darüber, was während der Regierungszeit Henrys II. auf dem Gebiet des Rechts geleistet worden ist, und welche Entwicklungen in der Zeit danach zu beobachten sind, damit die Leistung Henrys II. richtig eingeschätzt werden kann. Darüber hinaus werden einige neue Gedanken vorgestellt. So wird zum Beispiel in Bezug auf die so genannte Assize of Northampton von 1176 eine Neuinterpretation vorgelegt. Die Assize gibt nicht die tatsächlichen in Northampton beschlossen Gesetze wider, sondern wiederholt oder paraphrasiert lediglich diese Verordnungen. Zudem enthält die Assize die Instruktionen, die den Reiserichtern mit auf den Weg gegeben werden, und daher wird die Aufteilung des Landes in die sechs Bereiche, die von diesen Reiserichtern besucht werden sollten, und die beim Chronisten Howden unmittelbar vorher notiert sind, als Teil der Assize angesehen. Die „Assize of Essoiners“ wird nicht als Teil des Inquest of Sheriffs von 1170 gesehen, sondern als eigenständiges Gesetzeswerk, das eventuell während derselben Versammlung wie der Inquest erlassen wurde und möglicherweise daher auch auf 1170 zu datieren ist. Da eine Reihe anderer Gesetze nicht überliefert ist, wird vermutet, dass es the lack of any written archive of legislation, rather than any regular practice of legislating without recording the terms of that legislation war, that led Glanvill … to describe ‚English laws’ in his prologue as being ‚unwritten’. (S. 228). Zu der Würdigung der Regierungszeit Henrys II. gehört auch die Fragen, welchen Einfluss Personen oder Personengruppen außerhalb des engsten Beraterkreises des Königs auf neue Gesetze ausübten, wann die grundlegenden Neuerungen eintraten und welche Motivation dahinter steckte. Die Antworten darauf ergeben das Bild eines activist king, interested in justice and the law, and determined to find a more active role for the monarchy in their provision (S. 241). Nick Barratt (Finance and the Economy in the Reign of Henry II, S. 242-256) zeigt, welche Muster in den Staatsfinanzen auftauchen und geht der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen Henrys Finanzpolitik und den wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit gab. 1166 wird dabei als Wendepunkt herausgestellt: sahen die Jahre vor 1166 eine Konsolidierung der Staatsfinanzen nach dem von König Stephen hinterlassenen Chaos, so nahmen die Staatsausgaben nach 1166 immer mehr zu. Da diese Mehrausgaben nicht durch die neuen Finanzquellen (unter anderem die neuen Rechtsverfahren) gedeckt werden konnten, hatte dies Auswirkungen auf die Wirtschaft, die besonders unter den Nachfolgern Richard I. und John sichtbar wurden. Martin Allen (Henry II and the English Coinage, S. 257-277) erläutert die Veränderungen bei den Münzstätten (drastische Reduzierung der Anzahl der Prägestätten, von denen keine mehr in kirchlicher Hand war) während der Regierungszeit Henrys II., die als period of fundamental change for the adminstration of the English coinage umschrieben wird (S. 276). Nicholas Vincent (The Court of Henry II, S. 278-334) beginnt seinen Beitrag mit einer Quellenkritik (Urkunden, Pipe Rolls, Chroniken) und widmet sich dann den Zeugenlisten in den ca. 3000 überlieferten Urkunden aus der Zeit Henrys II. Dass unter den Zeugen zahlreiche Kleriker waren (allein Thomas Becket bezeugt an die 600 Urkunden) und alle häufig auftretenden geistlichen Zeugen – mit Ausnahme von Hugh Murdac – entweder zu Bischöfen oder Erzbischöfen ernannt wurden, wird als Beleg dafür gewertet, dass Henry II auch nach dem Becket-Konflikt großen Einfluss auf die Ernennung von kirchlichen Würdenträgern nahm. Abschließend werden die Informationen aus den Pipe Rolls und den Chroniken zusammengetragen und so ein umfassendes Bild des königlichen Hofes entworfen, wobei resümiert wird, dass es insbesondere die Betonung von Etiquette und Formalien war, die diesen von anderen unterschied. Die beiden abschließenden Beiträge von Ian Short (Literary Culture at the Court of Henry II, S. 335-361) und Martin Aurell (Henry II and Arthurian Legend, S. 362-394) widmen sich künstlerischen Aspekten des Hofes. Ein Index schließt diesen sorgfältig edierten Band ab.

 

London                                                                                                                      Susanne Jenks