Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, Louis/Eisfeld, Jens (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 13). Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. X, 292 S. Besprochen von Wolfgang Pöggeler.

 

Das Recht des geistigen Eigentums ist seit 300 Jahren in Bewegung. Das hat dogmatische, ökonomische und ethische Gründe. Was im 18. Jahrhundert der freche Raubdrucker aus Köln oder Stuttgart war, das ist heute der Design- und Markenpirat aus Fernost genauso wie Otto Normalverbraucher, der hemmungslos CDs und DVDs brennt, Kopierschutz knackt und drüber lacht. Um Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz also geht es in diesem Buch, das Diethelm Klippel zum 65. Geburtstag gewidmet ist und dreizehn Beiträge enthält, sieben davon rechtshistorisch, die es zu besprechen gilt.

 

Heiner Lück berichtet über den Hallenser Professor Nicolaus Hieronymus Gundling, sein Leben, sein Werk und vor allem seine Schrift mit dem herrlich barocken Titel „Rechtliches und Vernunft-mäßiges Bedencken eins I(uris) C(onsul)TI, Der unpartheyisch ist, Von dem Schändlichen Nachdruck andern gehöriger Bücher“ (1726). Gundling bekämpfte eine Unsitte seiner Zeit, den Nachdruck von Büchern ohne Zustimmung des Autors oder des berechtigten Verlegers. Die damit verbundenen Rechtsfragen waren offensichtlich nicht geklärt. Ein Verbot des Nachdrucks folgert Gundling aus den Ideen Gerechtigkeit und Vernunft. Darüber hinaus stützt er sich auf eine wirtschaftliche Analyse des Buchwesens. Recht lustig ist übrigens die Art und Weise, in der Gundling die Raubdrucker beschimpft: Sie seien „Hottentotten“, ihnen sitze ein hässlicher Wurm in der Seele, und sie möchten doch zu den Tartaren oder nach Irland gehen, wo das Plündern und Rauben erlaubt sei.

 

Dieter Schwab knüpft seine rechtshistorischen Überlegungen am Werk des Göttinger Rechtsgelehrten Johann Pütter „Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts“ (1774) an, geht aber dann weit darüber hinaus und beklagt ein weiteres Mal, dass die Pandektistik keinen rechten Platz in ihrem System fand, um den neuen Gedanken des Urheberrechts unterzubringen, so dass erst die Positivierung durch den Gesetzgeber dem Urheber eine effektive Rechtsposition geben konnte.

 

Jens Eisfeld thematisiert den Gegensatz von historischer Rechtsschule und naturrechtlichem Denken, und versetzt uns tief in das 19. Jahrhundert. Zweck dieser Analyse ist es unter anderem, eine Erklärung für das Versagen der pandektistisch dominierten historischen Rechtschule zu finden, welche die Idee des geistigen Eigentums nicht in den Griff bekam.

 

Elmar Wadle erfreut den Leser mit einer Pretiose aus dem Archiv: einem Kurzgutachten des preußischen Spitzenbeamten Karl Georg von Raumer zur Frage des Büchernachdrucks. Es stammt aus dem Jahr 1825 und beginnt mit deutlichen Worten: „Der Bücher-Nachdruck ist immer und unter allen Umständen ein Betrug: 1. an den Früchten des Talents und Fleißes des Schriftstellers oder Herausgebers, 2. an dem Capital, welches der Verleger…“ investiert hat. Adressat des Gutachtens war der preußische Gesandte beim Bundestag in Frankfurt Karl Friedrich Ferdinand von Nagler. Raumer argumentiert in seinem Gutachten rechtsvergleichend, ökonomisch und vernunftrechtlich. Als wissenschaftlicher  Autorität beruft er sich auf Pütter. Und einmal entfährt ihm ein Stoßseufzer, der hier nicht unterschlagen werden darf: „Hoffentlich wird den Buchhändlern Spitz in Cölln und Manklot in Stuttgart bald ihr Nachdruckerhandwerk gelegt werden.“

 

Barbara Dölemeyer zeigt, wie Argumente der aktuellen Diskussion des Urheberrechts cum grano salis bereits vor 200 Jahren ausgetauscht wurden. Sie spannt den Bogen von der Wahlkapitulation Kaiser Leopolds II. (1790) zu einer aktuellen EU-Richtlinie zum Urheberrecht. Vor diesem Hintergrund bescheinigt sie der aktuellen Diskussion eine Überbetonung  vermögensrechtlicher Aspekte zu Lasten der persönlichkeitsrechtlichen.

 

Aus der gut geölten Feder von Milos Vec kommt ein Beitrag zu verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, die dem Urheberrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz schon im 19. Jahrhundert maßgebliche Impulse gaben. Und wir erkennen, wie sich die Bilder noch nach über hundert Jahren gleichen.

 

Den dritten Beitrag aus dem Frankfurter Max-Planck-Institut steuert Heinz Mohnhaupt bei. Er befasst sich mit der Entstehung der juristischen Disziplin des Urheberrechts im 19. Jahrhundert. Damit endet der rechtshistorische Teil des Buches. Die anschließenden Beiträge zu aktuellen Fragen des geistigen Eigentums von Inge Scherer, Peter W. Heermann, Ansgar Ohly, Gunda Dreyer, Louis Pahlow und Olaf Sosnitza sind alle lesenswert, ihre Besprechung jedoch naturgemäß nicht Gegenstand einer rechtsgeschichtlichen Zeitschrift.

Der Titel des Bandes ist übrigens ein klein wenig überdimensioniert, wenn diese marginale Kritik erlaubt ist. Denn er lässt eine umfassende Monographie vermuten. Das ist zwar nicht der Fall, aber dafür hat man ein anregendes und unterhaltsames Lesebuch zu Geschichte und Gegenwart des geistigen Eigentums in den Händen: mithin eine Lektüre, die ohne weiteres in der Lage ist, beispielsweise ein verregnetes Wochenende in der Puszta zu retten – von andern Vorzügen ganz zu schweigen.

 

Berlin und Nemesnádudvar                                                                             Wolfgang Pöggeler