Goslar im Mittelalter. Vorträge beim Geschichtsverein, hg. v. Engelke, Hansgeorg (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar - Goslarer Fundus 51). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2003. 271 S. mit teils farbigen Abb. Besprochen von Hans-Michael Empell.

 

Der Herausgeber hat acht, 1995-2000 gehaltene Vorträge zusammengestellt, von denen zwei kunsthistorischer Natur sind, einer archäologische Fragen behandelt und fünf allgemeingeschichtlichen Inhalts sind. Die Vorträge wurden überarbeitet und ergänzt sowie mit Literaturnachweisen, zwei von ihnen auch mit Literaturverzeichnissen versehen. Der erste Vortrag, nur punktuell auf Goslar bezogen, gleichwohl von hohem Interesse, stammt von Marita Blattmann: „Ein Unglück für sein Volk“ – Der Zusammenhang zwischen Fehlverhalten des Königs und Volkswohl in Quellen des 7. bis 12. Jahrhunderts (S. 9ff.). Die Autorin behandelt ein von der Forschung bisher nicht beachtetes Thema: die Figur des „unheilbringenden Königs“. Dargestellt wird die Entwicklung der Vorstellung von einem König, der für Naturkatastrophen und andere Unglücksfälle verantwortlich ist, weil er gegen Gottes Ordnung verstoßen hat, zu einem König, der als unfähig eingestuft wird und abgesetzt werden kann. Eine entscheidende Wende in dieser Entwicklung sieht die Autorin in der Beseitigung des „Sakralkönigtums“ durch den Ausschluss Kaiser Heinrichs IV. aus der Kirche (1076). Der Vortrag Hartmut Röttings behandelt ein archäologisches Thema: Ältere Siedlungsspuren und Baubefunde auf dem Liebfrauenberg in Goslar. Ein Resümee zu den Ergebnissen der Probegrabung 1977 bis 1982 (S. 29ff.). Wolfgang Huschner geht in seinem Vortrag: Aachen – Goslar – Speyer. Politische Vororte des mittelalterlichen Reiches in der Regierungszeit Heinrichs III. (1039-1056) (S. 51ff.) der Frage nach, welche Bedeutung Aachen, Goslar und Speyer für die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Herrscher und den geistlichen und weltlichen Fürsten und damit für die politische Organisation des Reiches in frühsalischer Zeit zukommt. Die drei genannten Orte repräsentierten jeweils einen der drei politischen Zentralräume in der Regierungszeit Heinrichs III. Wolfgang Beckermann ist der Autor des Aufsatzes: Das Grabmal Kaiser Heinrichs III. in Goslar (S. 87ff.). Michael Lindners Vortrag trägt den Titel: Friedrich Barbarossa, Heinrich der Löwe und die ostsächsischen Fürsten. Alle gegen einen oder einer gegen alle? (S. 175ff.). Der Autor widmet sich dem allseits als grausam, rücksichtslos und machtbesessen eingeschätzten Welfen Heinrich dem Löwen und geht der Frage nach, welches der Sinn seines Handelns war, gegen wen es sich richtete und wie es auf seinen Urheber zurückschlug. Elfie-Marita Eibl gelangt in ihrem Vortrag: Goslar – Ein Herrschaftsvorort Kaiser Friedrich I. Barbarossas (S. 199ff.) zu dem Resultat, Goslar sei zwar nur einer von mehreren Herrschaftsvororten Barbarossas gewesen, habe aber durch seine nördliche Lage besondere Bedeutung gehabt. Goslar sei der Stachel im Fleisch des sächsischen Herrschaftsbereiches der Welfen gewesen, der nicht aufgegeben werden durfte, wollte Barbarossa den Norden nicht völlig preisgeben. Evamaria Engel behandelt unter dem Titel: Goslar und die Hanse (S. 215ff.) ein bisher wenig beachtetes Thema. Die Autorin stellt fest, für die Zeit vom letzten Drittel des 13. Jahrhunderts bis 1566 sei urkundlich bezeugt, dass Goslar der Hanse zugehörte, wenngleich Goslar für die Hanse und diese für Goslar nur von marginaler Bedeutung gewesen sei. Der kunsthistorische Vortrag Kirsten Weinigs trägt den Titel: Der Huldigungssaal im Goslarer Rathaus. Neue Aspekte, Entdeckungen und weiterhin Rätselhaftes (S. 229ff.).

 

Die Beiträge zeichnen, wie bei einer Sammlung von Vorträgen nicht anders zu erwarten, kein umfassendes oder gar vollständiges Bild der Geschichte Goslars im Mittelalter, bieten aber eindrucksvolle Facetten. Die Aufsätze werden durch ein nützliches Orts- und Personenregister erschlossen. Leserfreundlich wäre es gewesen, alle Beiträge einheitlich mit Literaturverzeichnissen zu versehen und darin auch die (in den Fußnoten verwendeten) Abkürzungen (zum Beispiel von Zeitschriftentiteln) aufzulösen oder ein eigenes Abkürzungsverzeichnis anzulegen. Auch hätten knappe biographische Angaben zu den Verfassern und ihren Forschungsschwerpunkten zusammengestellt werden können. Diese kleinen Versäumnisse können jedoch den positiven Eindruck des Bandes, der durch die zum Teil farbigen Abbildungen und die insgesamt ansprechende Ausstattung abgerundet wird, nicht mindern.

 

Heidelberg                                                                              Hans-Michael Empell