Festschrift für Wilhelm Brauneder zum 65. Geburtstag. Rechtsgeschichte mit internationaler Perspektive, hg. v. Kohl, Gerald / Neschwara, Christian / Simon Thomas. Manz, Wien 2008. 730 S. Besprochen von Louis Carlen.

 

Die Festschrift umfasst neben den Einleitungsworten der Herausgeber und dem imponierenden Werkverzeichnis Wilhelm Brauneders 45 Beiträge. Sie beginnt mit dem Beitrag von Ludwig Adamovich über „Wege zur Überwindung von Missverständnissen zwischen Rechts­positivismus und Naturrechtslehre“ und dem Hinweis, dass „eine unhistorisch verfahrende Rechtsphilosophie“ „nicht anders als steril sein“ kann. Festgestellt wird, dass die positivierten Menschenrechte, also die Grundrechte, heute an der Stelle des Naturrechts stehen. Günter Baranowski befasst sich mit der Vorgeschichte und dem Inhalt des Entwurfs einer Verfassungsurkunde für Russland von 1804, wobei er den konstitutionellen Projekten Alexanders I. in seinen ersten Herrschaftsjahren besondere Aufmerksamkeit schenkt.

 

Elisabeth Berger weist auf „Normenvielfalt im liechtensteinischen Privatrecht“ hin, das eine ganze Reihe österreichischer Gesetze, besonders das ABGB, rezipiert hat sowie schwei­zerisches Recht beginnend 1923 mit dem Zollanschluss an die Schweiz. So entstand eine kleinstaaten­spezifische Mischrechtsordnung, was sich auf Rechtsvergleich und die Normen­vielfalt bei der Rechtsanwendung und ihre besonderen Probleme auswirkte.

 

Pio Caroni nennt historische Gründe, die dazu führten, dass privatrechtliche Gesetzbücher in der Forschung bevorzugt wurden und aus welcher faktischen Situation sich das ergab. Er zeigt, wie es dem Strafrecht gelang, zu seiner inhaltlichen und methodischen Eigenständigkeit zu gelangen und wie es zu einer „mehrgleisigen“ Kodifikationsgeschichte kam, „ein Anliegen, das zudem die Einsicht steigert, wonach Kodifikationsgeschichte nur als Teil der Sozial­geschichte erkenntnisfördernd wirkt“. Anhand verschiedener Fälle kann Bernhard Diestel­kamp nachweisen, dass die „Prozesskosten“ in Verfahren am Reichskammergericht zur Minderung der Kosten beitrugen und die Untersuchung der Kosten verschiedener Fälle auch Einblicke in sonst nicht erkennbare Gerichtsinterna gibt wie zum Beispiel in einen Wandel in der Einschätzung der juristischen Tätigkeit von Advokaten und Prokuratoren. Unter dem Titel „Zeremoniell und Politik“ untersucht Barbara Dölemeyer die beiden letzten Kaiserkrönungen, nämlich von Leopold II. 1790 und Franz II. 1792 gegen Ende des Alten Reiches in ihrem Wahl- und Krönungszeremoniell in der Sicht der Zeitgenossen, wobei vor allem Diarien, die halboffizielle Publikationen waren, ausgewertet werden. Es äußern sich, „reichspartriotische“Gefühle, eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber dem Reich und dem Kaiser mit der Ansicht, durchgreifende Reformen seien notwendig.

 

Helmut Gebhardt beschreibt „Die Entwicklung des Waffengebrauchsrechts von Österreichs Polizei und Gendarmerie vom 18. Jahrhundert bis zum Waffengebrauchsgesetz 1969“. Unter­schieden werden die Entwicklung vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die Abschnitte von 1849-1918 und von 1918 bis zum geltenden Waffengebrauchsgesetz von 1969. Peter Goller behandelt die juristischen und rechtspolitischen Abhandlungen von Otto Bauer (1881-1938) und dessen Stellung in der marxistischen Rechtstheorie, wobei gleichzeitig ein Einblick in die Stellungnahmen sozialistischer Juristen aus dem Umfeld Bauers gewährt wird. In seinem Beitrag „Pressefreiheit contra Republikschutz?“ zeigt Christoph Gusy, dass die Presse in Deutschland zwischen 1918 und 1933 ein wichtiges Kampfmittel für und gegen die Republik war. Er nennt die Rechtsgrundlagen und den Vollzug des Presserechts, wobei sich die Verbote einzelner Zeitungen teilweise zu ihrem publizistischen Erfolg auswirkten. Milan Hlavacka, „Der Sprachengebrauch in einer bürokratisierten Kommunikation und die Selbst­verwaltung im Königreich Böhmen 1898-1914“ stellt fest, dass Deutschkenntnisse in Wort und Schrift für die Erreichung höherer Karriere- und Lebenschancen nötig waren. Lothar Höbelt befasst sich mit der Stellung und den Auffassungen von „Bismarcks widerwilligem Widerpart: Alexander Mensdorff (1813-1871)“, einem Mann mit französischen Wurzeln, europäischen Verwandtschaften, einer Berufslaufbahn von Italien bis Russland, der politisch in allen entscheidenden Fragen auf Seiten der Deutschen Österreichs stand.

 

Diethelm Klippel behandelt „Grundfragen des Deutschen Privatrechts am Ende des 18. Jahrhunderts“, womit Inhalt und Grenzen des Deutschen Privatrechts in dieser Zeit berührt werden, seine Quellen, die Methode, die Art und Weise der Geltung und der Stellenwert im Kontext der juristischen und politischen Entwicklung der Zeit um 1800 und im Kontext der Kodifikationsbewegung.

 

Gerhard Köbler beschreibt in einem quellen- und kenntnisreichen Beitrag die Entwicklung „Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte“. Er kommt zum Schluss, dass Verfassung „ursprünglich keine besondere Beziehung zum Recht, zum Gesetz oder zum Staat“ aufweist. Das wird mit Hilfe der lateinisch-altdeutschen Übersetzungsgleichungen überprüft. Die Entwicklung wird verfolgt für Griechenland, Rom, das Mittelalter bis in die Neuzeit, an deren Beginn Neuerungen auftreten, was Köbler u. a. für England, Frankreich, Nordamerika und Deutschland zeigt. Die Verfassung wird jetzt mit dem Staat und dem Recht eng verbunden. Wie der Staat hat auch die Verfassung ihre Geschichte und Köbler legt dar, wie bekannte Juristen diese Geschichte würdigten, und erwähnt, „dass Wilhelm Brauneder die bisher wohl erfolgreichste deutschsprachige Verfassungsgeschichte verfasst hat“.

 

Gernot Kocher stellt und beantwortet die Frage, ob „Bilder - eine Nebenquelle der Rechtsge­schichte“ sind und weist darauf hin, dass die Arbeit mit Bildquellen im juristisch/rechts­historischen Bereich eine bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende Tradition hat und dass sich unter dem Namen „Rechtsikonographie“ ein neuer Forschungsbegriff gebildet hat. An einigen Beispielen ausgehend vom Sachsenspiegel, zeigt Kocher die Verbindungslinie zwischen Text und Bild auf. „Das ABGB in den ,Vaterländischen Blättern für den österreichischen Kaiserstaat’, Franz von Zellers ,dritter Kommentar’“ beschäftigt Gerald Kohl. Er nennt es eine „eigenständige Leistung im Sinne einer populären Erläuterung“. Es handelt sich um eine Auswahl wörtlich abgedruckter Gesetzesbestimmungen, um die durch die Kodifikation eingetretenen Neuerungen zu veranschaulichen.

 

Michael Kunze zeigt den Weg auf, den „Der Student Jhering“ ging, berichtet, dass dieser zuerst ernsthaft erwog, Literat zu werden und schildert sein Verhältnis zu den einzelnen Rechtslehrern und zum Protest der 7 Professoren gegen König Ernst August von Hannover, das Rechtsstudium und die Prüfungen. Es entsteht ein besonderes Bild des berühmten Rechtslehrers. Gerhard Lingelbachs beschreibt „Stationen auf Sachsens Weg zu einer Landes­verfassung“. Ausgehend von der Teilung Kursachsens und ihren verfassungsrechtlichen Folgen werden die Verwaltungsreformen in Sachsen im 16. Jahrhundert und die Neuordnung des kursächsischen Gerichtswesens erläutert sowie der Konstitutionalismus im Königsreich Sachen im 19. Jahrhundert.

 

Die Verdienste des Niederösterreichers Franz Klein-Bruckschwaiger (1912-1976) um die Geschichte von Magdeburg schildert Heiner Lück. Dabei wird das Institut zur Erforschung des Magdeburger Stadtrechts e. V., dessen Arbeitsprogramm, Arbeitsweise und Ergebnisse vorge­stellt, da Klein-Bruckschwaiger 1941-1944 an diesem Institut tätig war. (Der Rezensent erinnert sich, dass Klein-Bruckschwaiger 1966/67 bei der Besetzung einer Innsbrucker Lehrkanzel für Rechtsgeschichte sein unterlegener Konkurrent war.)

 

Mit dem Beitrag „Zwischen Verfassungs- und Verwaltungsreform“ liefert Anna Gianna Manca eine Voruntersuchung der parlamentarischen Inkompatibilitäten in der spanischen Verfassung vom 19. März 1812. Die Grundlagen und die Vorbereitungsphase der Ver­fassungsgebung werden erläutert. Barna Mezey beleuchtet die Rolle der Regierung in der geänderten Gesetzgebung in seinem Beitrag über „Gesetzesvorbereitung in Ungarn zur Zeit des Dualismus“ in der 1867 entstandenen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Reform­prozesse aus rechtshistorischer Perspektive beleuchtet Heinz Mohnhaupt in seiner Abhandlung „Reform zwischen Revolution und Restauration“, deren Definitions- und Bewertungs­zusammenhänge und der historischen Bezeichnungen im römischen Recht und auf der Wörterbuch- und Lexikonebene nachgegangen wird. Aufgezeigt werden die historischen Anwendungsfelder der Begriffe „Reform“ und „Reformation“ und Reform und Verfassung in der Folge der Französischen Revolution und Fragen zur Diagnose moderner Rechtsreform.

 

Christian Neschwara würdigt „Johann Baptist Suttinger (1608-1662)“ als bedeutenden Juristen Österreichs im Rechtsleben seiner Zeit. Der in Wien Geborene, wo er auch studierte, in den Ritterstand aufstieg und verschiedene Ämter bekleidete, hinterließ mehrere juristische Veröffentlichungen und war Koordinator des Landesordnungs-Projektes 1650-1658. Gerhard Oberkofler berichtet über „Begegnungen zwischen Hans Lentze und Nikolaus Grass. Notizen zur Kommunikation in der österreichischen Rechtswissenschaft nach 1945“. Nach der Schilderung der Anfänge der beiden Gelehrten in Innsbruck berichtet Oberkofler über das Konkurrenzverhältnis um die Wiener Lehrkanzel nach Hans Planitz und den Briefwechsel zwischen Innsbruck und Wien, der einen guten Einblick in die Haltung zweier österreichischer Rechtshistoriker in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. zur Wissenschaft und zu Wissenschaftlern vermittelt. Behandelt wird auch die Studie, die Guido Kisch auf Vermittlung von Grass Lentze widmete, sowie das spätere gespannte Verhältnis der beiden. Oberkofler kann dabei auf Briefe aus dem Nachlass Grass als Quelle zurückgreifen. (Über 250 für die Wissenschaftsgeschichte interessante Briefe, die Nikolaus Grass an mich richtete, sind deponiert und katalogisiert im Forschungsinstitut zur Geschichte des Alpenraumes in Brig, dessen Ehrenmitglied Grass war.)

 

Theo Öhlinger schildert die Bedeutung Hans Kelsens für das österreichische Verfassungs­recht. Er erläutert, wie Kelsen an der Entstehung der Bundesverfassung mitwirkte, welchen Einfluss Kelsen auf deren Inhalt ausübte und wie er die richterliche Auslegung der Verfassung beeinflusste. Kelsens Rechtstheorie hat die österreichische Verfassungsrechtswissenschaft stark beeinflusst. Öhlinger zeigt auch den methodischen Wandel von Rechtslehre und Judikatur auf und wieweit sich bei der heutigen Methodenvielfalt die Kelsenianische Position gehalten hat.

 

Thomas Olechowski behandelt „Rechtsphilosophie gegen Rechtsgeschichte? Ein Juristenstreit aus der Zwischenkriegszeit an der Wiener Rechtsfakultät“. Es geht um die Kontroverse zwischen den beiden Wiener Professoren Ernst Schwind (1865-1932) und Hans Kelsen (1881-1973), deren Abstammung und Leben gestreift wird, und um die allgemeinen Zustände an der Universität Wien in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für beide Gelehrten hatte die Kontroverse persönliche Folgen, obwohl Kelsen obsiegte. Zu Recht weist Olechowski darauf hin, dass „die Interdisziplinarität zum Wesen der Rechtsgeschichte“ gehört.

 

Henryk Olszewski macht historische und zeitgenössische Überlegungen über „den demokrati­schen Rechtsstaat in Polen und die Rechtskultur“. Er blickt bis ins 15. Jahrhundert zurück und verfolgt das Geschehen über die Jahrhunderte hindurch bis in die letzten Jahre, zu denen er bemerkt, dass „sich die Unzulänglichkeiten in der konstitutionellen Praxis Polens zugespitzt“ haben, wozu er zwei Wege zum Reformieren aufzeigt. Als einen „Seitenaspekt der Pariser Friedensordnung“ bezeichnet Matthias Pape den „Ausschluss der deutschen und öster­reichischen Wissenschaftler aus den internationalen Forschungsorganisationen nach dem ersten Weltkrieg“. Dazu kamen auch Erklärungen aus London und Brüssel 1918/19 und andere Maßnahmen zum Boykott der deutschen Wissenschaft, deren Weltrangstellung aber nicht zu übergehen war. Nach 1945 lief alles anders. Josef Pauser benutzt seinen Beitrag über „Das Seuchentestament der Wiener Stadtordnung von 1526“, um das rechtliche Umfeld und das historische Wiener Testamentsrecht zu skizzieren sowie die Beschwerde der Stadt Wien gegen die Stadtordnung von 1526 und das weitere Schicksal des Testamentsrechts.

 

Claes Peterson wandelt ein rechtsphilosophisches Thema unter dem Titel „Der erste unbewegte Beweger“ ab. Es ist ein aristotelisches Thema in der Geschichte der Rechts­wissenschaft und wird von Platon und Aristoteles über Thomas von Aquin bis zum Ende der Wesensmetaphysik bei Kant und Schelling geführt. „Über Aspekte der Nachhaltigkeit im Umfeld der Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg“ verbreitet sich Peter Putzer. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich von den im frühen 16. Jahrhundert einsetzenden Waldordnungen bis 1803/04, als Umbrüche in der Verfassungsentwicklung Salzburgs erfolgten. Die Waldordnungen enthalten Maßnahmen, die den Holzverlust eindämmen sollten und solche, die genügend Holz für eine gleichförmige Versorgung sichern sollten. Ilse Reiter befasst sich mit Leben und Tätigkeit Gustav Harpners (1864-1924) in Wien. Er war Anwalt der Sozialdemokratie, hatte prominente Klienten und führte spektakuläre Prozesse, wurde aber nach 1918 vor allem bekannt als „Anwalt der Republik“, der sich mit dem Habsburgergesetz und dem „Habs­burgervermögen“ befasste und als Präsident der Kriegsgeschädigtenfonds fungierte.

 

Stefen Rowan fragt: „Ist die Veröffentlichung von Konsilien Vertrauensbruch?“ Er orientiert, wie diese Frage unter den Juristen im ersten Jahrhundert des Druckwesens diskutiert und interpretiert wurde. Besonders werden die Traktate Tiberio Deccans für die Veröffentlichung und von Alciatos dagegen aufgeführt. Herbert Schambeck zeigt die Zusammenhänge auf zwischen „Verfassungsrecht, Religion und Geschichte“. Das Verfassungsrecht ist ein Richtmaß für die Ausübung der Staatsfunktionen und für dieses Richtmaß war das Christentum, wie es abend­ländische Rechtsphilosophie zeigt, wegweisend. Schambeck betont: „Geschichte lebt im Verfassungsrecht in geistiger Auseinandersetzung fort, aber auch in Institutionen, und das in unterschiedlicher Weise“.

 

Bei kriegerischen Auseinandersetzungen besetzten die Sieger Zürich und Bern 1712 das Kloster St. Gallen und führten verschiedene Wertgegenstände als Kriegsbeute weg. In den letzten Jahren stellte St. Gallen Rückforderungen an Zürich. Clausdieter Schott behandelt diesen Tatbestand und seine historischen und rechtlichen Bezüge unter dem Titel „Beuterecht und Eigentum. Der Kulturgüterstreit zwischen St. Gallen und Zürich aus verfassungs­geschichtlicher Sicht.“ Er umreißt die Auffassungen über das Beuterecht und dessen Stellung im Bürgerkrieg, die Frage der Souveränität und des Rechts zur Kriegsführung der Beteiligten. 2006 kam unter den Parteien eine Vereinbarung zustande. „Zum Gesetzespositivismus in der Rechtssprechung des Reichs­gerichts“ äußert sich Jan Schröder. Es geht vor allem um die Fragen, wie das Reichsgericht zum Gewohnheitsrecht stand und zum Problem der Korrektur "ungerechter" Gesetze. Zum Gewohnheitsrecht war die Rechtssprechung gesetzesposi­tivistisch, zum anderen Problem griff man auf überpositives Recht oder richterliches Gerechtigkeitsgefühl zurück.

 

Im Beitrag „Der Zugriff von Staat und Kirche auf die Ehe – eine historische Reflexion“ macht Dieter Schwab darauf aufmerksam, dass die Ehe bei den germanischen Völkern und im Früh­mittelalter als von „Natur“ und „Sitte“ erscheint, dass sie durch Theologie und Kirchenrecht seit dem 11. Jh. „individualisiert“ wird, dass im späten Mittelalter die Obrigkeit auf die Ehe zugriff und in der Neuzeit die obrigkeitliche Gestaltung des Eherechts durchbrach, wodurch Kirche und Staat in die Lage versetzt wurden, die Heirat mit juristischen Mitteln zu kontrollieren. Neue Aspekte zeigen sich in der Gegenwart, wo der Formzwang sich ändert.

 

„Die Wiener Apothekerordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts als Teil strafrechtlicher Prä­ventivmaßnahmen“ behandelt Markus Steppan. Die Verflechtung von sanitätspolizeilichen, standesrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften wird anhand des Giftmordes erläutert, wobei auch die dazu ergangenen Resolutionen und die im 18. Jh. geltenden Strafrechts­aufzeichnungen beigezogen werden.

 

Der Beitrag von Michael Stolleis nennt sich „Reine Rechtslehre in Erlangen“, wo an der juristischen Fakultät die Hans-Kelsen Forschungsstelle besteht. Er äußert sich über das Reinheitspostulat, das sich in zahlreichen kulturellen Zusammenhängen findet, auch in archai­schen Vorstellungen, die in ethnologischen Beobachtungen bestätigt werden. Auf diesem Hintergrund fügt sich der Ausdruck „Reine Rechtslehre“ ein, den der Erlanger Professor Gottlieb Ernst August Mehmel (1761-1840) erstmals verwendet, und auf den Stolleis näher eingeht und den er in Beziehung zu Kelsen bringt.

 

Josef Szalma untersucht „Den Einfluss des ABGB in der Rechtsprechung des ungarischen Obersten Gerichtshofes (Curia)“. Es geht hier um Präzedenzien zum Schadenersatzrecht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Rechtsprechung wandte, wenn einheimische Normen fehlten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Normen des ABGB zum Schadensrecht an. Ungarische Spezial­gesetze in den Siebzigerjahren nennen besondere Fälle des Schadenersatzes. Die Theorie befruchtete Ende des 19. Jahrhunderts das moderne ungarische Haftungsrecht.

 

Kazuhiro Takii befasst sich mit „Lorenz von Steins vergleichender Rechtswissenschaft“. Er kennzeichnet von Stein als Rechtsvergleicher, der die Lebensverhältnisse als Volksleben und den konkreten Inhalt der Lebensverhältnisse zur Gesellschaft untersuchte und zwar über Europa hinaus. Stein forderte die Rechtswissenschaft auf, das Recht in weltgeschichtlicher Dynamik zu erfassen.

 

Gunter Wesener schreibt über „Adoptio – Adfiliatio – Anwünschung – Ankindung – Wahl­kindschaft“ und gibt einen quellenreichen Überblick vom Recht der Römer, der Germanen, des Mittelalters, wo für Österreich das Recht von Wiener Neustadt zwischen 1310 und 1340 erwähnt wird. Beigezogen wird auch die gemeinrechtliche Literatur der frühen Neuzeit (Johannes Schneidewin 1519-1568) und das Stadtrecht von Freiburg von 1520. Ebenso werden das Recht der altösterreichischen Länder im 16./17. Jh. und die neuzeitlichen Privat­rechtskodifikationen, die durchwegs die Adoption aufgenommen haben, erläutert.

 

Erwähnen wir noch die Beiträge, die dem geltenden Recht gewidmet sind: Bernardino Bravo Lira, „Die europäische Verfassung – ein Maßanzug für einen Kontinent. Aus der Sicht Amerikas“; Hans Hoyer, „Die Dereliktion von Liegenschaften und deren Verbücherung“; Bernhard Raschauer, „Staatsaufgaben“; Thomas Simon, „Was ist und wozu dient Gesetz­gebung? Kodifikation und Steuerungsgesetzgebung: Zwei Grundfunktionen legislativer Normsetzung“.

 

Brig                                                                                                       Louis Carlen