Festschrift für Ulrich Eisenhardt zum 70. Geburtstag, hg. v. Wackerbarth, Ulrich/Vormbaum, Thomas/Marutschke, Hans-Peter. Beck, München 2007. XV, 607 S. Besprochen von Urs Reber.

 

Ulrich Eisenhardt wirkte als Assistent am Institut für Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte der Universität Bonn, wo er sich 1970 bei Hermann Conrad habilitierte. Anschließend lehrte er dort zunächst als Wissenschaftlicher Rat und dann als Professor Zivilrecht und Deutsche Rechtsgeschichte. 1973 hielt er im Rahmen der Zürcher Ausspracheabende von Karl Siegfried Bader einen Vortrag über Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der kaiserlichen privilegia de non appellando[1]. 1975 wurde er zum ersten Professor der Fernuniversität in Hagen für die Lehrgebiete Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht ernannt. Seine wissenschaftlichen Wurzeln liegen aber bis heute in der Rechtsgeschichte. Entsprechend beginnt denn die Festschrift auch mit Beiträgen aus Rechtsgeschichte und Rechtstheorie. Das soll Gegenstand der Rezension in dieser Zeitschrift sein: An der Spitze steht ein Beitrag von Hidetake Akamatsu (Okayama/Japan) über „Savignys Vorlesungen der Rechtsgeschichte“. Diese sind im wissenschaftlichen Nachlass nur teilweise erforscht. Der Autor nennt mehrere Quellen, so Manuskripte von Savigny selbst in der Zeit von 1801-1841 (169 Blätter im Marburger Nachlass) und mehrere Nachschriften von studentischer Seite (darunter Jacob Grimm 1803). Savigny geht von der Einheit der Rechtsgeschichte und des Systems aus. Im Unterschied zu Gustav Hugo beschränkt er sich auf das Privat- und Strafrecht und schließt das Staatsrecht aus. Zu den modernen Kodifikationen äußert sich Savigny kritisch: Die Gesetzgeber, die sich rühmen, neue Rechte zu schaffen, können sich von der Geschichte der Vorzeit nicht lösen. Bernhard Diestelkamp berichtet über zwei Prozesse aus Stettin vor dem Hofgericht des deutschen Königs (1427-1434 und 1443) mit interessanten verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Konsequenzen. Im ersten Fall ging es um die Folgen einer Bürgerunruhe, im zweiten um einen durch die Stadtbehörden zu verantwortenden Totschlag (anstelle der Durchführung einer Acht). Die Tätigkeit des Herrschers als Richter gewährleistete regelmäßige Publizität und damit Akzeptanz seiner königlichen Stellung. Anderseits ist anzumerken, dass sich weder die Streitparteien noch die Landesherren durch die weite Entfernung der Aufenthaltsorte des Herrschers davon abhalten ließen, in den laufenden Verfahren immer wieder den König zu bemühen. Der Beitrag Gerd Kleinheyers mit dem Titel „Ratsherr contra Reichsstadt“ gewährt für die Jahre 1612 bis 1617 ähnlich interessante Einblicke in die damaligen Verfahrensabläufe. Es ging um die Suspendierung eines Mitgliedes der drei alternierend eingesetzten Ratskurien in Mühlhausen/Thüringen, weil dieses mit der Witwe eines Pfarrers eine außereheliche Beziehung unterhalten, sie geschwängert hätte und ein gegebenes Eheversprechen nicht einlösen wollte. Der Betroffene stellte verschiedene Begehren um Restitution, da er die Anwartschaft auf ein Amt als sein persönliches Recht betrachtete. Beide Parteien beriefen sich zudem auf Rechtsautoritäten (u. a. Ulrich Zasius). Peter Raisch steuert Erinnerungen an seine Zusammenarbeit mit dem Geehrten bei. Es ging um die Ausarbeitung des Studienplanes für die Fernuniversität. Für die Einführung im ersten Studienjahr hielt man sich entgegen anderen Optionen an den Aufbau des BGB. Die Darlegungen der Vorteile dieses Vorgehens geben dem Leser des Beitrags nebenher in seltener Kürze einen guten Überblick über die Entwicklung der deutschen Rechtsgeschichte und insbesondere der Rezeption des römisch-kanonischen Rechts (vgl. S. 82-85).

 

Katharina Gräfin von Schlieffen liefert ausgehend von der Unverständlichkeit, die Friedrich II. am Kanzleistil des 18. Jahrhunderts bemängelte, einen originellen Beitrag über „Altes und Neues zur Rechtssprache als Fachsprache“. Jan Schröder gibt in seinem Beitrag „Rechtsbegriff und Auslegungsgrundsätze im frühen 20. Jahrhundert“ Anmerkungen zum Streit zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Interpretationstheorie. Zudem weist er als dritte Variante auf die normative Theorie Kelsens aus dessen „Reiner Rechtslehre“ hin. Wolfgang Sellert äußert sich über „Verfahrensbeschleunigung am Reichskammergericht durch Reformen seiner Spruchkörperstruktur“. Mit der Aufteilung des Spruchkörpers in Senate konnte das Ziel nur unvollkommen erreicht werden. Bemerkenswert sind unter anderem die Darlegungen zu der wenig bekannten und bisher noch nicht ausgewerteten Stellungnahme des langjährigen Reichskammergerichtsassessors Franz Diedrich von Ditfurth zu der 1788 mit kaiserlichem Reskript verbindlich erklärten Reform des Spruchkollegiums. Thomas Vormbaum führt in seinem Beitrag einige historische und systematische Anmerkungen zum vielschichtigen Verhältnis von Straf- und Strafprozessrecht an. Die historische Entwicklung charakterisiert er dahin, dass das materielle Strafrecht sich allmählich vom Strafprozessrecht abgelöst hat. So hatte beispielsweise die Carolina von 1532 ihren Schwerpunkt noch im Verfahrensrecht. Die Ablösung des materiellen Rechts wurde von den naturrechtlichen Denkern – u. a. Pufendorf - gefördert (besonders auch durch die Einführung eines Allgemeinen Teils in die Kodifikationen). Die beiden Bereiche sind jedoch bis heute trotz ihrer kodifikatorischen Trennung in vielfacher Weise verschlungen. Elmar Wadle präsentiert ein Projekt mit längerer Vorgeschichte zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck, das 1829 allerdings ad acta gelegt wurde, da Preußen am Bundestag eine entsprechende neue Initiative ergriffen hatte, die zum Bundesbeschluss von 1832 führte. In diesem Zusammenhang stehen später auch die – allerdings gescheiterten - Bemühungen des Fürsten Metternich für eine Organisation des deutschen Buchhandels[2].

 

Die Festschrift enthält am Schluss ein Verzeichnis der Veröffentlichungen des Geehrten.

 

Zürich                                                                                                Urs Reber



[1] Vgl. meinen Bericht in ZRG Germ. Abt.96 (1979) S. 465, Anm. 26.

[2] Dazu Elmar Wadle in Humaniora, Festschrift für Adolf Laufs, Berlin 2006, S. 431ff., und meine Rezension in ZRG Germ. Abt. 125 (2008) S. 570.