Dzeja, Stephanie, Die Geschichte der eigenen Stadt. Städtische Chronistik in Frankfurt am Main vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (= Europäische Hochschulschriften 3, 946). Lang, Frankfurt am Main 2003. 294 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Günther Lottes betreute, vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Universität Gießen angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie geht davon aus, dass das Selbstverständnis einer Gesellschaft entscheidend durch die Vorstellung einer besonderen gemeinsamen Vergangenheit geprägt wird. Einleuchtend will sie die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Geschichte am Beispiel einer Stadt wie Frankfurt am Main beantworten, weil die Mauer einen Raum schafft, in dem etwa soziale und politische Wechselbeziehungen und andere für die Entstehung und Verbreitung von Historiographie wichtige Voraussetzungen gut in den Blick zu bekommen sind.

 

Die Fragestellung steht in engem Zusammenhang mit dem Projekt „die Erinnerungskultur der Stadt vom 14. bis zum 18. Jahrhundert“ im Sonderforschungsbereich Erinnerungskulturen der Universität Gießen. Deswegen war die Verfasserin dort auch Mitarbeiterin. Zugleich war sie Stipendiatin des Graduiertenkollegs „Mittelalterliche und neuzeitliche Staatlichkeit der Universität Gießen“.

 

Gegliedert ist die Arbeit nach einer einleitenden Übersicht über Stadtchronistik, kulturelles Gedächtnis und Stadtchronistik, Überlieferungssituation der Frankfurter Chronistik und Frankfurt als Untersuchungsraum in drei Teile. Davon beschreibt der erste Teil insgesamt 12 bzw. 29 Frankfurter Chroniken von Johannes Latomus (1525) bis 1718, wobei am Ende der Dissens in der Erinnerung steht. Der zweite Teil befasst sich mit den Themen, der dritte Teil mit den Intentionen und Funktionen (Sammeln und Speichern, Identitätsstiftung und Traditionsbildung).

 

Im Ergebnis sind nach der Verfasserin das späte Einsetzen, die unvollendete Form und das Fehlen einer Leitchronik wesentlich darauf zurückzuführen, dass es keinen alten autoritativen Text in Frankfurt am Main gab, wo der städtische Rat auch kein Monopol auf die Formulierung der Frankfurter Geschichte gewonnen hatte. Tatsächlich zeigten sich neben einem Grundkonsens über Alter, Bedeutung und Reichsfreiheit viele Differenzen. Ziel war die Konstruktion städtischer Identität und Tradition, wobei die Verfasserin gerade im unvollendeten Charakter, der Einfachheit der Darstellung, dem nichtgelehrten Duktus und den deswegen kaum standardisierten Aussagen einen hervorragenden Fundus sieht, um den Vorstellungen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbewohner von ihrer Vergangenheit nachzugehen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler