Düwel, Klaus, Runenkunde (= Sammlung Metzler 72), 4. Aufl. Metzler, Stuttgart 2008. XII, 278 S., 40 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Grundsatz gilt, so schreibt der Verfasser 40 Jahre nach der Erstauflage seines erfolgreichen Werkes: Alles ist denkbar, vieles ist möglich, wenig ist wahrscheinlich, nichts ist sicher, so dass es insgesamt kaum eine Runeninschrift gibt, die übereinstimmend gelesen und gedeutet wird. Deswegen ist es für den Sachkenner ein gelegentlich halsbrecherisches und hazardöses Unternehmen, einen Überblick über die etwa 6500 bisher bekannten Runeninschriften (Schweden 3600, darunter gut 2500 Runensteine, Norwegen 1600, Dänemark 850, Island 100, England 90, Deutschland 80, Orkneys 50, Irland 20, Niederlande 20, Färöer 10) von den Anfängen im zweiten nachchristlichen Jahrhundert (?) bis in die frühe Neuzeit zu geben. Der Erfolg zeigt freilich, dass Nachfrage dafür besteht und der hierfür beschrittene Weg als überzeugend anerkannt wird.

 

Gegliedert ist das Werk nach Vorwort und Abkürzungsverzeichnis in 20 Einheiten. Sie wechseln zwischen Allgemeinem und Besonderem. Im Grunde führen sie dabei von den Anfängen bis zur Gegenwart.

 

Die Einführung legt den Nachdruck auf das ältere Futhark. Von seinen (S. 3) etwa 350 oder (S. 11) rund 370 Inschriften lassen sich nur wenige einhellig lesen und deuten. Als Sprache ermittelt der Verfasser neben Ostgermanischem und Südgermanischem vor allem das Nordwestgermanische.

 

Bei der näheren Betrachtung der Runeninschriften aus der älteren, bis etwa 700 n. Chr. reichenden Runenperiode geht er von der ältesten Runeninschrift auf der 1979 als Runenträger erkannten Fibel von Meldorf im Kreis Süderdithmarschen aus, die aus typologischen Gründen in die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus gesetzt wird. Sorgsam erörtert er die mit ihren vier Zeichen verbundenen Deutungsschwierigkeiten. Zu Recht weist er darauf besonders hin, dass die zeitlich nächsten Runendenkmäler erst 100 bis 150 Jahre später folgen.

 

Im dritten Abschnitt werden die südgermanischen Inschriften vorgestellt. Danach werden die Runeninschriften aus England und Friesland behandelt. Dem wird das jüngere Futhark mit Runeninschriften der Wikingerzeit und des Mittelalters angeschlossen, wobei jeweils Dänemark, Norwegen und Schweden auseinander gehalten werden.

 

Nach den Runeninschriften außerhalb Skandinaviens stellt der Verfasser die verschiedenen noch nicht zu Übereinstimmung gelangten Ansichten über den Ursprung der Runenschrift vor und behandelt die Sonderfragen der Verschlüsselungen, Runica manuscripta, Runennamen, literarischen Zeugnisse, Runenmagie und Fälschungen (einschließlich der umstrittenen Weserrunen). Den Beschluss bildet die in die Gegenwart führende Geschichte der Runologie. Wertvolle Verzeichnisse betreffen die Aufbewahrungsorte der Runendenkmäler, die Konkordanz für Runeninschriften im älteren Futhark, die Literatur und die Fundorte, so dass auf neuestem Stand ein vielseitiger, zuverlässiger, vorsichtig abwägender und bestens verständlicher Führer durch alle wichtigen Fragen der geheimnisumwitterten Runenkunde vorliegt, für dessen Erarbeitung und weiterführende Betreuung über viele Jahrzehnte dem Verfasser sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler