Dieses Haus ist gebaute Demokratie. Das Ständehaus und seine parlamentarische Tradition, hg. v. Flemming, Jens/Vanja, Christina (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien 13). euregioverlag, Kassel 2007. 147 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Band vereint zwischen einem kolorierten Stich des 19. Jahrhunderts vom Palais der Stände in Kassel und einer Fotografie des preußischen Kommunallandtags im Ständehaussaal von etwa 1900 sowie einer Fotografie des nach der Zerstörung im zweiten Weltkrieg 1952 von Arnold Bode neu gestalteten Ständehaussaals von 1952 10 Aufsätze einer Tagung im November 2006. Sie spannen einen weiten Bogen von den Anfängen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Dabei legen sie Zeugnis ab vom fortwährenden Wandel der Verfassung.

 

Den Beginn bildet Gerd Fenners Beschreibung des Ständehauses in Kassel als eines sichtbaren Denkmals der Verfassung. Sie erweist das am 22. November 1836 eingeweihte Gebäude als eines der interessantesten und bedeutendsten Baudenkmäler der Stadt. Im Frühling der kurhessischen Freiheit nach einem großartigen Plan im Stil der italienischen Hochrenaissance entworfen, wurde es infolge der Knappheit der Mittel eingeschränkt und eingezwängt, behielt aber für das heutige Hessen den Rang des ersten und einzigen historischen Parlamentsgebäudes, weil in Hessen-Darmstadt und in Nassau vergleichbare Planungen niemals verwirklicht wurden.

 

Auf der Grundlage der anregend illustrierten Baugeschichte behandelt Winfried Speitkamp vorkonstitutionelle Landtage, Reformpolitik und Verfassungsfrage in Kurhessen. Ewald Grothe untersucht im Zeichen des permanenten Verfassungskonflikts den Parlamentarismus in Kurhessen zwischen Verfassungsgebung und Annexion Kurhessens durch Preußen. Dem Eindringen des preußischen Geistes in die neuen Landesteile an Hand des Kommunallandtags für den Regierungsbezirk Kassel zwischen 1868 und 1919 widmet sich Jens Flemming, während Dirk Hainbuch den Kassler Kommunallandtag in der Weimarer Republik bis zu seiner Auflösung im Jahr 1933 darstellt.

 

Mit der Nachkriegszeit befassen sich die fünf weiteren Beiträge. Sie betreffen den Kommunalausschuss im Wiederaufbau 1945-1953 (Walter Mühlhausen), die Gründung und Aufbaujahre des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Christina Vanja), das hessische Sozialparlament (Peter Barkey), Das LWV-Parlament und die Psychiatriereform (Heinrich Kunze mit einem Rückblick aus persönlicher Erfahrung) und die Aufgabenentwicklung der überörtlichen Sozialhilfe beim Landeswohlfahrtsverband Hessen 1953 bis 2003 (Peter Barkey). Eine Reihe von Abbildungen veranschaulicht die interessanten Ausführungen, die das Gebäude angemessen würdigen und Interesse für die aktuelle Arbeit in ihm wecken.

 

Innsbruck                                                                                                                              Gerhard Köbler