Dictionnaire historique des juristes français (XIIe-XXe siècle), hg. v. Arabeyre, Patrick/Halpérin, Jean-Louis/Krynen, Jacques. Presses universitaires français, Paris 2007. XXXVI, 828 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Während Spanien bereits über zwei neue biographische Juristenlexika und Deutschland über die Juristenlexika von Michael Stolleis (1995) und von Gerd Kleinheyer/Jan Schröder (4. Aufl. 1996) verfügen, liegt nunmehr auch für Frankreich ein umfangreiches historisches Lexikon über französische Juristen des 12.-20. Jahrhunderts vor. Das Lexikon erfasst 1278 Juristen, davon 168 aus dem Mittelalter, 688 Juristen des 16.-18. Jahrhunderts und 422 Juristen aus dem 19. und 20. Jahrhundert, soweit ihr Geburtsdatum vor dem Ersten Weltkrieg liegt. Das Lexikon berücksichtigt nicht nur Wissenschaftler, sondern in gleicher Weise auch Richter und Advokaten sowie auch als Herausgeber oder Verleger tätige Juristen wie Jean-Baptiste Sirey und vor allem Victor-Alexis-Désiré Dalloz (1795-1869), den Begründer umfassender juristischer Repertorien (S. 229f.), eine Verlegerpersönlichkeit, wie sie es in Deutschland des 19. Jahrhunderts für juristische Werke nicht gab. Die Biographien stammen von 152 Autoren (Übersicht S. XXIXff.), die von den drei Herausgebern und einem Redaktionskomitee von weiteren elf Autoren (S. XII) betreut wurden. In einem Table des entrées (S. XVff.) sind sämtliche behandelten Juristen (einschließlich der Autoren der Biographien, unter denen insbesondere die Herausgeber, vor allem aber Halpérin herausragt), aufgeführt. Die einzelnen Beiträge sind mit Recht unterschiedlich umfangreich. Die wichtigeren Juristen haben Beiträge mit ca. 3-4 Seiten (6-8 Spalten) erhalten, die auch eine kritische Analyse ihrer juristischen Werke oder ihrer rechtspolitischen Tätigkeit bringen.

 

Ein nicht geringer Teil der Namen ist auch den deutschen Rechtshistorikern bekannt. Für das Mittelalter gilt dies für die Juristen an den Universitäten Toulouse, Montpellier und vor allem von Orléans (hierzu inzwischen Hermann Lange/Maximiliane Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2, München 2007, S. 123ff., 518ff.). Auch eine Reihe von Werken, deren Verfasser nicht bekannt ist, werden besprochen wie einzelne Coutûmes (S. 211ff.) und die Livres des jostice et de plet (S. 512f.). Die Biographien für die Juristen des 16.-18. Jahrhunderts machen über die Häfte des Gesamtumfangs des Werkes aus. Neben den Beiträgen zu den international bekannten Juristen wie Bodin, Hotman, die Brüder Godefroy (Gothofredus), Doneau (Donellus), Domat, Barbeyrac, Montesquieu, Pothier und Jousse (Letzterer als Verfasser von Kommentaren zu den Königlichen Ordonanzen des 16. Jahrhunderts; ausführliche Würdigung auch seiner strafrechtlichen Werke) sind die zahlreichen Beiträge über die für die innerfranzösische Rechtsgeschichte wichtigen Juristen dieser Zeit zu erwähnen. Besonderes Interesse im Hinblick auf die Rezeption des französischen Rechts in ganz Europa können die Juristen des französischen Staatsrats beanspruchen, die mit der Abfassung der Cinq Codes befasst waren. Hinzuweisen ist hier u.a. auf die Biographien über Portalis, Cambacérès, Bigot de Péameneu, Berlier, Chabot d’Allier, Renaud de Saint-Jean-d’Angély, Tronchet und Maleville sowie über den Generalsekretär des Staatsrats Locré, von dem das wichtigste Quellenwerk zur Entstehung der französischen Kodifikationen stammt. Ein längerer Beitrag findet sich ferner über Joseph-Jérôme Siméon (gest. 1842), dessen Tätigkeit als Justiz- und Innenminister des Königreichs Westphalen erwähnt ist, und vor allem über Treilhard (gest. 1810), der sich für die Beibehaltung der Ehescheidung und der Jury einsetzte (S. 749f.). In dem Beitrag über Merlin, der selbst keine Rolle bei der Redigierung der Codes hatte, wird vor allem sein Beitrag zur Beseitigung des Feudalsystems und zur Reform des Erbrechts hervorgehoben (S. 559ff.). Für das 19. und 20. Jahrhundert sind vor allem die Autoren der Kommentare und Lehrbücher zum Zivilrecht bzw. Code civil behandelt wie Toullier, Duranton, Troplong, Aubry/Rau, Demolombe, Mazeaud, Carbonnier, Planiol/Ripert/Boulanger usw. Detaillierte Beiträge sind auch über Gény und Salleiles zu finden, dessen für Frankreich wichtige Arbeiten insbesondere zum deutschen Zivilrecht erwähnt werden (S. 894ff.). Auch die Juristen, deren Wirken in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und zum Teil noch darüber hinaus fällt, kommen nicht zu kurz, so etwa Hauriou (S. 396 ff.), Eugène Gaudement und dessen Sohn Jean Gaudemet (gest. 2001), Carbonnier (gest. 2003) und Donnedieu de Vabre, ein international bekannter Strafrechtler, der 1935 im Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht für Völkerrecht einen Vortrag über die internationale Bekämpfung der Delikte des Völkerrechts gehalten hat (wiedergegeben bei W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht, Protokolle der Ausschüsse, Bd. XIV, 2002, S. 17ff.). Berichtet wird auch über die Aktivitäten und das Schicksal französischer Juristen zwischen 1940 und 1944 (vgl. etwa die Biographie über Henri-Isaac Lévy-Bruhl, der untertauchen musste und sich aktiv an der Résistance beteiligte, S. 506).

 

Mit dem französischen Juristenlexikon liegt ein Arbeitswerkzeug vor, das auch für die gesamteuropäische und für die deutsche Rechtsgeschichte von großer Bedeutung sein dürfte. Trotz des knappen Raums, der zur Verfügung stand, haben es die Autoren verstanden, wichtige Teile des Werks und der Aktivitäten der behandelten Juristen auch inhaltlich zu beschreiben und kritisch zu bewerten. Das gilt etwa für die Beiträge der Staatsratsjuristen zum Code civil. Auch wenn die deutschen Juristen im Ganzen biographisch besser erschlossen sein dürften als bisher die französischen Juristen, so ist angesichts der bewundernswerten und glänzenden Pionierleistung der französischen Rechtshistoriker zu überlegen, ob nicht auch für die deutschen Juristen ein ähnlich kompaktes und zugleich hinreichend detailliertes historisches Lexikon in Angriff genommen werden sollte.

 

Kiel

Werner Schubert