Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache, hg. v. d. preußischen Akademie der Wissenschaften bzw. v. d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Band 7-11, bearb. v. Speer, Heino. Böhlau/Böhlaus Nachfolger, Weimar/Stuttgart 1972-2007. ca. 4000 S., 8000 Spalten. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Gerade war das neue deutsche, erstmals weitgehende Rechtseinheit für das Privatrecht im größten Teil des deutschen Sprachraumes herstellende Bürgerliche Gesetzbuch abgeschlossen, dessen Entwurf Otto von Gierke als undeutsch und unsozial gegeißelt hatte, da entschied sich die königlich preußische Akademie der Wissenschaften in Erwartung ausreichender Mittel der Hermann und Elise geb. Heckmann Wentzel-Stiftung zu einer Kommission für ein seit mehreren Jahren (1893 Heinrich Brunner, Karl Weinhold) vorgeschlagenes und in Aussicht genommenes Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Ihr gehörten die namhaften Rechtshistoriker Karl von Amira, Heinrich Brunner, Ferdinand Frensdorff, Otto von Gierke und Richard Schröder, der Historiker Ernst Dümmler und der Sprachhistoriker Karl Weinhold an. Sie befürwortete neben dem seit 1837 vorbereiteten, 1854 veröffentlichten - und 1971 mit einem Quellenverzeichnis abgeschlossenen - Deutschen Wörterbuch Jacob und Wilhelm Grimms, vom dem zu dieser Zeit die ersten Bände bereits vollständig und weitere Bände teilweise vorlagen und das in der ersten Auflage rund 350000 Stichwörter enthielt und nach Abschluss der Neubearbeitung der älteren ersten Bände vielleicht 470000-500000 Stichwörter aufweisen wird, ein eigenes Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, über dessen Grundzüge sie in ZRG GA 18 (1897), 211ff. sorgfältig Rechenschaft legte.

 

Deutsch war dabei zwar an sich weniger als Germanisch. Es war hier aber gleichzeitig doch mehr als sonstiges Deutsch, es wurde nämlich von den Gründern als Westgermanisch verstanden. Zu ihm wurde außer dem Friesischen und dem nur Weniges umfassenden Langobardischen auch das gesamte Angelsächsische gezählt.

 

Im Unterschied zu dem Grimmschen Gesamtwörterbuch war es enger auf den Rechtsterminus ausgerichtet. Darunter verstand die Kommission jeden Ausdruck für eine rechtlich relevante Vorstellung mit Einschluss der Symbole, Maße und Münzen. Ausgeschlossen sollten freilich (bedauerlicherweise) die Fremdwörter bleiben.

 

Im Einzelnen wurden bald Rechtswörter im engeren Sinn von Rechtswörtern im weiteren Sinn und Nichtrechtswörtern unterschieden. Als Rechtswörter im engeren Sinn wurden alle Wörter angesehen, die ohne rechtliche Beziehung in keiner Weise denkbar sind, als Rechtswörter im weiteren Sinn alle Wörter, die in irgendeiner rechtlichen Beziehung einen besonderen Sinn haben (sollten). Sie waren aufzunehmen, während Wörter, die ein außerrechtliches Verhältnis bezeichnen (Nichtrechtswörter), nur dann zu behandeln waren, wenn sie einen rechtlichen Inhalt aufweisen.

 

Bei den ausgeschlossenen Fremdwörtern kam es noch zu einer Abmilderung. Nicht wirklich ausgeschlossen werden sollten Lehnwörter, was beispielsweise der Aktie zugute kam. Ausgeschlossen blieben Fremdwörter (im engeren Sinn), was der Appellation (zu Unrecht) den Einzug verwehrte.

 

Dem Ausschluss fremder Wörter im Deutschen entsprach logisch die Aufnahme deutscher Wörter in fremden Sprachen. An sie wurde vor allem hinsichtlich der nordgermanischen und romanischen Sprachen gedacht. Wegen der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten wurde sie freilich niemals verwirklicht.

 

Als zeitlicher Rahmen der älteren deutschen Rechtssprache wurden Ulfilas als Beginn und Goethe als Ende gesetzt. Das bedeutete anfangs als grundsätzliche, die Berücksichtigung jüngerer Quellen nicht in jedem Fall verwehrende Grenze das Geburtsjahr Goethes (1749), wegen des großen Gewichts der Gesetzbücher Bayerns, Preußen, Badens und Österreichs zwischen 1751 und 1811 aber eigentlich bereits 1903 die Verlegung auf das Todesjahr Goethes (1832) und damit eine wichtige, aber zugleich gewichtige Ausweitung. Damit wäre (1896) für die neuere deutsche Rechtssprache nur eine Lücke von knapp 70 Jahren geblieben, die vom jeweiligen Gegenwartsverständnis noch einigermaßen zu überbrücken gewesen wäre.

 

Belegstellen sollten in Auswahl gebracht werden, wo möglich aus allen Rechtsgebieten und Zeitaltern, wichtigere Stellen in extenso. Bei allgemein gebräuchlichen Wörtern sollte es genügen, Anfangs- und Endpunkte des Gebrauches zu fixieren. Besondere Berücksichtigung sollten Stellen verdienen, die Etymologien, Definitionen, Synonyma, Glossen oder Gegensätze enthalten.

 

Bei allem war die Kommission der Ansicht, dass das Werk in zehn bis zwölf Jahren hergestellt sein werde und dass der Umfang des Wörterbuches sechshundert Druckbogen doppelt gespaltenen Quartformats jedenfalls nicht überschreiten werde. Das hätte einen Abschluss zwischen 1906 und 1908 bedeutet. Nimmt man einen Druckbogen zu 16 Seiten, so kommt man auf einen geplanten Umfang von 9600 Seiten.

 

Diese ehrgeizige Zielsetzung ließ sich freilich aus den verschiedensten Gründen nicht verwirklichen. Die erste Lieferung des von Richard Schröder (1838-1917) in Heidelberg zur tatsächlichen Durchführung übernommenen Werkes erschien erst 1914 kurz vor dem Tod Heinrich Brunners (1915), als das Wörterbuch planmäßig eigentlich längst fertiggestellt hätte sein sollen. Der erste Band (11224 Wortartikel von Aachenfahrt bis Bergkasten und damit mehr als 7 Artikel pro Spalte, etwa 9,55 Prozent des einem Vergleichswörterbuch mit etwa 270000 Einträgen zu entnehmenden deutschen Gesamtwortschatzes) konnte erst 1932 abgeschlossen werden, als bereits 1209000 Belegzettel vorlagen.

 

In der Folge nahm die Zahl der Artikel pro Band fast stetig ab (Band 10 [Notsache bis Raeswa] 5858 Artikel, 3,66 Artikel pro Spalte, 66 Prozent des einem Vergleichswörterbuch zu entnehmenden deutschen Gesamtwortschatzes). Nach dem Tod des Richard Schröder nachfolgenden Eberhard Freiherr von Künßberg (1941) blieb die Stelle eines wissenschaftlichen Leiters bis 1949 (Otto Gönnenwein) unbesetzt. Mit dem Tod Heinrich Mitteis’ (1952) endete auch die Tätigkeit der von der Akademie eingesetzten Kommission.

 

Erst 1972 gründete die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die seit 1959 die eigentliche Trägerschaft übernommen hatte, eine neue Kommission. Sie entschied sich auf der Grundlage von 6 bis Kanzelfahrt (43 Prozent des einem Vergleichswörterbuch zu entnehmenden deutschen Gesamtwortschatzes) reichenden Bänden für eine Straffung der mangels straffer Führung durch einen seine Lebensleistung im Abschluss des Werkes erblickenden Leiters immer mehr in Einzelheiten ausufernden Tätigkeit und gegen eine weitere Vermehrung der inzwischen auf fast 2,5 Millionen ungefähr verdoppelten Zahl der Belege. Nur so schien der von Götz Landwehr geäußerte Wunsch erfüllbar, dass die seinerzeitige Forschergeneration noch das Ende des – ohne Zweifel – wichtigen Unternehmens erleben werde, wofür die Kommission selbst einen Zeitraum von 30 Jahren (also bis etwa 2002) in Aussicht nahm oder setzte.

 

Seitdem sind 35 Jahre vergangen. Sie sind im Wesentlichen geprägt von Heino Speer (geb. 1942, Promotion über Herrschaft und Legitimität – Zeitgebundene Aspekte in Max Webers Herrschaftssoziologie, Bielefeld 1977), dem 1973 die Leitung der Forschungsstelle und nach dem Tod des 1971 mit der wissenschaftlichen Leitung betrauten Heidelberg/Bielefelders Günther Dickel (1985) auch dessen Aufgaben übertragen worden waren. Das Wörterbuch ist in diesen dreißig Jahren um fünf weitere Bände (Kanzlei-[geplant] schaffen [bzw. verwirklicht anscheinend Schaden]) bis zum Band 11 vorangeschritten (online im Augenblick bis Reich).

 

Nach seinem aktuellen Internetauftritt im Herbst 2007 umfasst es von Aachenfahrt bis Reich auf 8406 Druckseiten 83777 Wortartikel (rund 5 Artikel pro Spalte), die seit 1999 allmählich auch elektronisch und damit global überall und sofort abrufbar sind, und reicht in der Druckfassung mit Abschluss des elften Bandes im Januar 2008 bis Satzzettel. Dies ist eine eindrucksvolle Leistung. Möge sich die Hoffnung des zum 31. August 2007 mit großen Verdiensten ausgeschiedenen Heino Speer, dass das unter ihm in einer Lebensdienstzeit in rund einem Viertel des einem Vergleichswörterbuch zu entnehmenden deutschen Gesamtwortschatzes vorangebrachte Werk – unter der Verantwortung Andreas Deutschs als seines jungen Nachfolgers - spätestens 2036 mit (16 Bänden, rund 25600 Spalten, rund 12800 Seiten und) rund 120000 Stichwörtern abgeschlossen sein wird, auch tatsächlich erfüllen, damit die Vorstellungen seiner Gründerväter zwar viel später als gedacht, zugleich aber wohl doch deutlich umfangreicher als seinerzeit denkbar zum Wohle aller an der älteren deutschen Rechtssprache (bis 1832/1700) Interessierten Wirklichkeit werden und danach ausreichende Kräfte für ein in hoffentlich kürzerer Zeit abschließbares Wörterbuch der neueren deutschen Rechtssprache für die Zeit von 1700 für Zusammensetzungen bzw. 1832 für Grundwörter (bis 2036) zur Verfügung stehen.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler