Capelle, Torsten, Widukinds heidnische Vorfahren. Das Werden der Sachsen im Überblick. Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2008. 80 S., 40 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Von Torsten Capelle vom historischen Seminar, Abteilung für ur- und frühgeschichtliche Archäologie, der Universität Münster, dem Vorsitzenden der Altertumskommission für Westfalen, sind im Laufe eines überreichen Forscherlebens neben mehr als hundert Aufsätzen zahlreiche Monografien vorgelegt worden. Sie beginnen mit dem Metallschmuck von Haithabu (1968) und Studien über altgermanische Gräberfelder in der ausgehenden Latènezeit und der älteren römischen Kaiserzeit (1971) und betreffen außer Norddeutschland auch die meisten Teile Nordeuropas. Aus einer Reihe von Vorträgen, die bei der interessierten Museumsöffentlichkeit große Resonanz hervorrief, entstand als jüngstes Werk ein archäologischer Blick auf die Frühzeit des heutigen Westfalen, der dem nach Widukind benannten Museum in Enger gewidmet ist.

 

Das mit 21 Abbildungen und 16 Tafeln geschmückte, durch Saxe (z. B. Langsax von 61,5 cm), Fibeln, Knöpfe, Karten und vieles mehr veranschaulichte schlanke Buch gliedert sich in fünf Kapitel. Sie sind chronologisch geordnet. Literaturhinweise und Bildnachweise ermöglichen die eigenständige Vertiefung.

 

Den Beginn bilden die Quellen und Wurzeln der Sachsen, für die der Verfasser annimmt, dass sie vor ihrer ersten Nennung den Römern bereits bekannt waren und ihre Urheimat nördlich der Niederelbe hatten. Nach ihrer ersten Erwähnung bei Ptolemäus von Alexandrien in der Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts weiteten sie ihren Interessenraum nach Südwesten in das Elbe-Weser-Dreieck aus, was durch zahlreiche sächsische Urnenfriedhöfe bezeugt scheint. Seit der Völkerwanderungszeit finden sie sich als Piraten und Söldner, wobei ihre Identität sich in kultureller und personeller Gebundenheit des Trachtenschmucks (oder vielleicht auch typisch sächsischen Buckelurnen) äußert.

 

Während sie in Britannien das Erbe der Römer antreten, geraten sie am Rhein und an den Mittelgebirgen in Gegnerschaft zu den Franken. Für das achte Jahrhundert lassen sich neue Siedlungen und Gräberfelder in Westfalen nachweisen (frühmittelalterliche Fundorte Heck-Nienburg, Münster, Wethmar, Unna, Beelen, Warendorf-Milte, Engter, Ellerbeck, Oldendorf, Bad Oeynhausen, Minden Petershagen). Ihr Führer Widukind bzw. ihr Stamm unterliegt aber Karl dem Großen, so dass sie unter Christianisierung bis 804 in das karolingische Reich eingegliedert werden können.

 

Insgesamt sichert dieser gefällige Überblick die Sachsen als eine der wirklich großen germanischen Gruppen des frühen Mittelalters, die bis zu ihrer Unterwerfung keine Schrift, keine Münzen, kein Christentum (Kirchbau in Enger um 800) und keinen König kannten. Gleichwohl stiegen nach dem Aussterben der fränkischen Karolinger führende sächsische Familien zum vorherrschenden ostfränkischen Reichsadel auf. In den Bundesländern Sachsen und Niedersachsen lebt das Volk der Sachsen noch in der Gegenwart erkennbar in gewisser mittelbarer Weise nach.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler