Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale e. V. Mecklenburg-Vorpommern. Ingo Koch Verlag, Rostock 2006. 148 S., Ill. Tab. Besprochen von Heinz Müller-Dietz.

 

Von den sieben Beiträgen des Bandes – die vorwiegend von Historikern stammen – befassen sich sechs mit der Geschichte des Freiheitsentzugs in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Arbeit thematisiert die mecklenburgische Justiz während der NS-Zeit (Kai Langer). Im Mittelpunkt dieser Darstellung stehen die damalige, dem Regime dienstbar gewordene Personalpolitik sowie Aufbau und Tätigkeit der NS-geprägten Gerichtsbarkeit (unter Einbeziehung der Sondergerichte). Angereichert wird sie durch eine kurze Wiedergabe von straf- und zivilgerichtlichen Entscheidungen, die sich an der damals vorherrschend gewordenen  (rassischen) Ideologie orientiert haben.

 

Der Schwerpunkt des Bandes, der den verschiedenen Formen des Freiheitsentzugs gewidmet ist, liegt im Zeitraum zwischen 1933 und 1989. Lediglich der erste Beitrag rekapituliert – wenngleich in gedrängter Fassung – die Vorgeschichte von der Entstehung der ersten Zucht- und Arbeitshäuser über die Entwicklung der Strafvollzugspraxis und der Haftbedingungen in der wilhelminischen Ära sowie in der Zeit der Weimarer Republik. Daran schließt sich aber auch hier eine quellengestützte Darstellung des NS-Strafvollzugs an, die namentlich die zunehmend repressivere und schlechtere Ausgestaltung der Haftbedingungen – vor allem für politische Häftlinge – herausarbeitet (Andreas Wagner). In einem weiteren Beitrag werden am Beispiel der Bautzener Strafanstalten und deren damaligem Direktor Rudolf Plischke einmal mehr die Indoktrinierung und Instrumentalisierung des Strafvollzugs im Sine der NS-Ideologie veranschaulicht (Jörg Morré).

 

Die folgenden Beiträge nehmen die Entwicklung des Strafvollzugs sowie die Herausbildung besonderer rechtsstaatswidriger Formen der Internierung und Inhaftierung zwischen 1945 und 1989 in den Blick. Nur knapp zwei Jahre lang existierte das sowjetische Repatriierungslager in Bützow; der Darstellung zufolge litten die Insassen vielfach unter dem Druck der an Erpressungsmethoden grenzenden geheimdienstlichen Verhöre des NKWD (Natalja Neske). Als wenigstens ebenso belastend für die Betroffenen erwiesen sich die Haftbedingungen in den Untersuchungshaftanstalten, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in Rostock, Neustrelitz (bis 1981) und in Neubrandenburg unterhielt. Sie waren durch das „Feindbild der MfS-Mitarbeiter“ (S. 116), durch vielfach strafprozessual unzulässige Methoden der Beweissicherung und durch „die permanente Einschränkung der Rechte der Beschuldigten“ (S. 118) gekennzeichnet (Johannes Beleites). Anhand einschlägiger Quellen wird nicht zuletzt der Einfluss des MfS in Gestalt des DDR-typischen Spitzel- und Zuträgersystems in der Haftanstalt Bützow-Dreibergen dokumentiert (Tobias Wunschik). Ferner werden am Beispiel der Haftanstalt Bützow die Veränderungen nachgezeichnet, welche die Haftbedingungen des DDR-Strafvollzugs unter dem Einfluss der Partei- und Staatsdoktrin erfuhren (Martin Handschuk).

 

Der Band hält eine Reihe wichtiger Informationen zur neueren Regionalgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns auf den Feldern von Justiz und Strafvollzug bereit. Er ist freilich nicht als geschlossene und lückenlose Darstellung gedacht und zu verstehen. Soweit überregionale Aspekte zur Sprache kommen, setzen sie insoweit keine neuen, über das bisher bekannte Bild hinausführenden Akzente.

 

 

Saarbrücken                                                                                       Heinz Müller-Dietz