Wörner, Bernd, Adelbert Düringers Einfluss als Richter am Reichsgericht in Leipzig auf dem Gebiet des Personengesellschaftsrechts (= Rechtshistorische Reihe 340). Lang, Frankfurt amMain 2007. 227 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

1995 hat Michael Steitz in seinem Werk: „Adelbert Düringer am Reichsgericht (1902-1915)“ die von Düringer als Berichterstatter abgefassten aktienrechtlichen Entscheidungen des Reichsgerichts und dessen Einfluss auf das Aktienrecht in Deutschland untersucht. Nach ähnlichem Muster geht Wörner in seiner Darmstädter Dissertation auf den Einfluss des Reichsgerichtsrats Düringer auf dem Gebiet des Personengesellschaftsrechts ein. Dies ist mit der Verfügbarkeit aller Reichsgerichtsurteile in der „Sammlung sämmtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts“ (Bibliothek des Bundesgerichtshofs; teilweise auch im Bundesarchiv vorhanden) und den Prozesslisten der Zivilsenate des Reichsgerichts (Bundesarchiv Berlin) seit der Wiedervereinigung möglich. Nach Wörner ließen sich 68 von Düringer als Berichterstatter betreute Urteile aus dem Recht der Personengesellschaften nachweisen, von denen er sieben Urteile (davon ein Urteil vom 30. 10. 1912 in dreifacher Hinsicht; vgl. S. 19-58) detailliert auswertet. Ausgewählt hat Wörner Entscheidungen, in denen eine juristische oder wissenschaftliche Erörterung oder eine Auseinandersetzung mit damals bestehenden Rechtspositionen stattfand. Entscheidungen, die juristisch keine vertieften materiellen Ansätze boten, blieben dagegen unberücksichtigt. Die ausgewählten Entscheidungen befassen sich u. a. mit der Abbedingbarkeit der Pflicht der Gesellschafter zur Geschäftsführung (§ 109 HGB), mit der Auslegung der §§ 142 und 24 HGB, mit der Haftung des neuen Gesellschafters für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 130 HGB), mit der von Düringer bzw. seinem Senat abgelehnten Möglichkeit einer Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft im Liquidationsstadium (§§ 140, 142 HGB), mit § 138 Abs. 1 S. 3 HGB und mit der Pflicht zur Mitwirkung der Kommanditisten bei außergewöhnlichen Geschäften einer Kommanditgesellschaft.

 

Im Einzelnen berichtet Wörner über Sachverhalt und Prozessgeschichte der jeweiligen Reichsgerichtsentscheidung und behandelt anschließend die betreffende Rechtsthematik und die Rechtslage vor Veröffentlichung der Entscheidung. Nach Darstellung der in der Entscheidung zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung Düringers folgen Ausführungen zur Rechtslage nach Veröffentlichung der Entscheidung und zum Ergebnis (verbunden mit einer etwaigen Stellungnahme). In den von ihm als Berichterstatter betreuten Entscheidungen vertrat Düringer überwiegend Auffassungen, die sich als allgemeingültige oder absolut vorherrschende Meinungen in der Rechtsprechung oder der Literatur etablieren konnten (vgl. S. 201). Nur mit der in einem Urteil vom 18. 2. 1905 zu § 142 HGB vertretenen Auffassung (Ablehnung der Ausschließungsmöglichkeit eines Gesellschafters im Stadium der Liquidation einer offenen Handelsgesellschaft) konnte sich Düringer auf die Dauer in der Literatur und der späteren Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht durchsetzen (S. 77-138).

 

Fast alle der besprochenen Entscheidungen werden auch heute noch in der juristischen Literatur erwähnt, ein Beweis für die unveränderte Aktualität insbesondere der Reichsgerichtsentscheidungen aus der späten Kaiserzeit (hierzu W. Schubert, JR 2007). Es fällt auf, dass die Urteilsanalyse mitunter sehr knapp ist (vgl. nur S. 81), wobei nicht immer deutlich wird, inwieweit Wörner das vollständige Urteil herangezogen hat. Demgegenüber fällt die Darstellung der Entwicklung nach Erlass der Entscheidung oft sehr breit, m. E. zu breit aus. Im Übrigen fehlt eine hinreichend aussagekräftige, auch auf das materielle Gesellschaftsrecht bezogene Gesamtwürdigung der Ergebnisse der Untersuchungen, in der man vielleicht auch noch weitere, im Hauptteil nicht untersuchte Entscheidungen Düringers hätte berücksichtigen können. Hingewiesen sei noch darauf, dass der von Wörner erwähnte Präsident des I. Zivilsenats, dem auch Düringer angehörte, Hugo Wilhelm Planck (1846-1922) war (unklar S. 2 wegen des Hinweises auf Gottlieb Planck, den Mitverfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Insgesamt ist die Arbeit Wörners im Hinblick auf die Rechtsprechungsgeschichte des 20. Jahrhunderts und auf die Bedeutung des Reichsgerichts für die Herausbildung der modernen deutschen Zivilrechtsordnung uneingeschränkt zu begrüßen.

 

Kiel

Werner Schubert