Wirtschaft – Gesellschaft – Mentalitäten im Mittelalter. Festschrift zum 75. Geburtstag von Sprandel, Rolf, hg. v. Baum, Hans-Peter/Leng, Rainer/Schneider, Joachim (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 107). Steiner, Stuttgart 2006. 792 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Rolf Sprandel ist durch zahlreiche wichtige Schriften, beginnend mit dem merowingischen Reichsadel und den Gebieten östlich des Rheins und dem Kloster Sankt Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches zu einem der führenden Wirtschaftshistoriker des mittelalterlichen deutschen Reiches geworden. Seit 1961 hat er auch die Zeitschrift für Rechtsgeschichte durch eine ganze Reihe vorzüglicher Rezensionen unterstützt. Zu seinem 75. Geburtstag haben ihm 36 Kollegen, Freunde und Schüler eine Festschrift gewidmet, die ein strenger Gelehrter in höchstem Maße verdient hat. Sie ist zwar im Kern nicht eigentlich rechtshistorisch, verdient aber auch in dieser Zeitschrift zumindest einen kurzen Hinweis auf ihren reichen, vielfältigen Inhalt, den eine Einleitung der Herausgeber für jeden Interessierten knapp und klar aufschließt.

 

Von ihren drei Teilen befasst sich der erste Teil mit Wirtschaft und materiellen Lebensverhältnissen: Banque et Banquiers à Sienne au Moyen Age (Cassandro), Die Gesellschaft der Schonenfahrer in Hamburg im 15. Jahrhundert (Gabrielsson), Hansischer Handel mit Schiffbauholz (Ellmers), Pumpen und andere „Wasserkünste“ bei Konrad Gruter aus Werden (Lohrmann), Neue Wege zur Renaissance (North), Wirtschaftsgeschichte in einer „Einöde“? (Himmelsbach), Ewigrenten und Leibgedinge in der ältesten Heidingsfelder Stadtrechnung (Baum), Jüdischer Geldverleih und christliche Konkurrenz (Leng), Die Folgen einer neuen, an Gewinnsteigerung orientierten Landwirtschaftspolitik im 13. Jahrhundert (Nitschke) und „Auf keinen Fall mehr als dreimal Krebse, Lachs oder Hasenbraten essen müssen“ (Herrmann). Im Rahmen der mittelalterlichen Gesellschaft zwischen Konflikt und Konsens werden untersucht Soziale Kategorisierung oder historische Phantasmagorie (Morsel), das jütische Recht (Friedland), die Territorialisierung der Blutgerichtsbarkeit im späten Mittelalter (Willoweit), Waren die Landgrafen von Thüringen, die sogenannten Ludowinger, Nachkommen Ludwigs und Sophies von Bar und Mousson/Mömpelgard? (Hlawitschka), Adelige Herrschaft und Repräsentation im hohen Mittelalter (Rückert, Peter), Dynastische Historiographie und Totenmemoria beim Niederadel in sozialgeschichtlicher Sicht (Schneider, Joachim), Grablegen des Niederadels im spätmittelalterlichen Franken (Wagenhöfer), Das aristokratische Moment in Ansbach-Kulmbach (Zmora), Die Ritterschaft in den Hochstiften Würzburg und Münster im Spätmittelalter (Cord), Schuld und Sühne (Paravicini), Byberstein was ir geschrey (Arnold, Klaus), Eid und Huldigung als Seismograph (Flachenecker), Das Würzburger Bürgermeisterzinsbuch von 1382 (Wagner, Ulrich) und Vorreformatorische Brüderschaften in Stade (Bohmbach). Unter der zusammenfassenden Überschrift Geschichtsschreibung, Anthropologie und Mentalitäten werden Franken und Merowinger im Spiegel der hochmittelalterlichen Universalchronistik in Frankreich (Kaiser, Reinhold), Universalgeschichtsschreibung in den mittelalterlichen böhmischen Ländern (Bláhová), hie enist niht aventiure! Bilder des Krieges in einigen nachklassischen Artusromanen (Brunner, Horst), Kirche und Krieg im Mittelalter (Sarnowsky), Der Schleier der Erinnerung um die Burg Ottersberg (Vogtherr), Der deutsche Orden in Preußen in politischen Visionen und Prophezeiungen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts (Kwiatkowski), Eschatologie bei Heinrich von Neustadt (Dinzelbacher), Anmerkungen zum Thema Kinder im Kloster (Wollasch), Buchbesitz als Altersvorsorge (Fuchs), Kreuzzug und Pilgerfahrt nach Jerusalem (Schwarzmaier), The Crusader’s Wife (Luchitskaya) sowie die Abenteuer eines Kölner Kaufmanns auf Zypern (Schmugge) erörtert.

 

Am Ende dokumentiert ein sorgfältiges Schriftenverzeichnis die vorbildlichen Leistungen Rolf Sprandels. Erfreulicherweise ist dem sorgsam und gediegen ausgestatteten Band auch ein Register der Ortsnamen und Personennamen aus dem Haupttext beigegeben. Dadurch wird insgesamt ein sehr hilfreiches Gesamtbild um die Person eines vielseitigen Forschers geschaffen, das die Mediävistik in vielfacher Hinsicht eindrucksvoll bereichert.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler