Steiger, Uli, Die Schenken und Herren von Erbach. Eine Familie zwischen Reichsministerialität und Reichsstandschaft (1165/70 bis 1422) (= Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 12). Winter, Heidelberg 2007. 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Buch ist eine überarbeitete Fassung der von Stefan Weinfurter betreuten, im Sommer 2005 von der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommenen Dissertation des Verfassers. Sie beruht auf umfangreichem Quellenmaterial. Sie gliedert sich in fünf Teile.

 

In der Einleitung beschreibt der Verfasser Forschungslage und Themenstellung. Dabei zeigt er, dass die Herren von Erbach bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gegenstand wissenschaftlichen Interesses sind. Gleichwohl bestehen noch viele nicht befriedigend beantwortete Fragen, die für den Verfasser eine Untersuchung und Beschreibung der erbachischen Landesherrschaft bzw. ihrer Entstehung begründen, wobei eine eigenständige Erörterung der Genealogie ihm an sich ebenso entbehrlich erscheint wie eine ausführliche Beschreibung der Güterentwicklung und er als übergreifend die Frage formuliert, ob es sich bei der erbachischen Entwicklung um einen planmäßig verfolgten Aufstieg handelt oder ob nicht auch hier die für den Adel typische Dynamik und Einwirkung anderer Kräfte berücksichtigt werden müssen.

 

Vorweg befasst sich der Bearbeiter dabei mit Archiv und Quellenlage. Zu Recht weist er darauf besonders hin, dass das vielleicht seit der Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene erbachische Gesamthausarchiv mit 5100 Originalurkunden und etwa 350 Laufmetern Territorialakten in der Nacht vom 11. auf 12. September 1944 einem alliierten Fliegerangriff auf Darmstadt zum Opfer fiel. Dementsprechend schwierig ist die Überlieferungslage.

 

Der erste Teil verfolgt umsichtig und gründlich die Schenken von Erbach mittels politisch-struktureller und genealogischer Betrachtungen. Die Anfänge zeigen einen Eberhardus de Ertbach im Lorscher Codex der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zwischen Kloster Lorsch und staufischer Pfalzgrafschaft. Zwischen königlichem Schenkenamt und pfalzgräflicher Klientel und im Spannungsfeld zwischen Pfalzgrafschaft und Erzstift Mainz gelingt den Herren trotz der Krise der Jahre 1307/1311 aber 1422 die erstmalige Nennung in der Reichsmatrikel.

 

Der zweite Teil behandelt entsprechend knapp das Hofamt der Herren von Erbach. Dabei geht der Verfasser von den Hofämtern im mittelalterlichen deutschen Reich überhaupt aus. Auf diesem Hintergrund untersucht er das Schenkenamt in der Hand der Herren von Erbach.

 

Der dritte Teil fasst Herrschaftsrepräsentation und Herrschaftsausübung zusammen. Die Herrschaftsrepräsentation wird so gut wie möglich an Hand der Titel und Epitheta in den Urkunden, an Hand der Sterbeinschriften, der Grabmäler, der Grablegen und der Amtsinsignien erkundet. Für die Herrschaftsausübung werden Verschriftlichung und Gerichtswesen untersucht.

 

Im vierten Teil geht der Verfasser der territorialen Entwicklung der Herrschaft nach. Ausgangspunkt ist der Odenwald vor dem Aufscheinen der Herren von Erbach. Danach werden von der Mark Michelstadt aus die Güter an der nördlichen Bergstraße und im Raum Darmstadt, entlang der Gersprenz und im nördlichen Odenwald-Vorland, in Breuberg, am unteren Neckar und im Bauland sowie zwischen Jagst und Kocher samt weiterem Streugut betrachtet.

 

Den Beschluss bilden die Beziehungsfelder. Dabei steht der König an der Spitze. Danach werden Lehenhof und die Heiratsbeziehungen getrennt nach Söhnen und Töchtern ermittelt.

 

In seiner abschließenden Zusammenfassung bezeichnet der Verfasser den Weg zu den wesentlichen Bedingungen der Reichsunmittelbarkeit überzeugend als steinig. Nach seiner Ansicht zählten die Herren bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts nicht mehr zur Ministerialität Lorschs, sondern zum Verband der Pfalzgrafen bei Rhein und damit nach 1156 der Staufer, unter denen sie vielleicht schon 1218 (staufische) Schenken sind. Die Belehnung mit dem Erbschenkenamt der Pfalz setzt der Verfasser mit ansprechenden Überlegungen in die Mitte des 13. Jahrhunderts.

 

In der Krise von 1307/1311 erkennt der Verfasser dann auch neue Chancen, wobei zur neuerlichen Konsolidierung auch die lange Lebenszeit Schenk Konrads IV. aus der alten Erbacher Hauptlinie beigetragen habe, unter dem für den Verfasser erste Ansätze einer Verwaltung sichtbar werden. Gleichzeitig lässt sich auch im rund 100 Familien einbindenden Lehenhof und im familiären Bereich durchdachtes Handeln feststellen. Mit dessen Hilfe vereinten die Schenken von Erbach nach Ansicht des Verfassers am Ende des 14. Jahrhunderts alle Voraussetzungen bei sich, die für die Reichsstandschaft der Pfälzer Lehensleute bleibenden Herren notwendig waren, allerdings nicht als einfaches Ergebnis eines planmäßig verfolgten Aufstiegs, sondern als Verbindung von wechselndem Geschick und nicht vorhersehbarem Glück.

 

Der ansprechenden Arbeit angeschlossen sind drei urkundliche Anhänge. Drei einfache Abbildungen versuchen ebenso eine Veranschaulichung wie vier Karten und zwei Stammtafeln. Quellen- und Literaturverzeichnis schließen die interessante Untersuchung ab.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler