Schwertmann, Malte, Gesetzgebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen Bayern. Die Beteiligung der Ständeversammlung an der Gesetzgebung in der parlamentarischen Praxis von 1819 bis 1848 (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften 67). Ergon, Würzburg XXX, 262 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Verfasser, zeitweise wissenschaftlicher Mitarbeiter Dietmar Willoweits in Würzburg, untersucht die interessante Frage, inwieweit die durch die Verfassung Bayerns vom 18. Mai 1818 (so der werbende Verlag) in die Gesetzgebung einbezogene Ständeversammlung die ihr eingeräumten Rechte bis 1848 wahrnehmen konnte. Dazu gliedert er seine Arbeit in drei ungleiche Teile. Zunächst behandelt er die Organe der Gesetzgebung nach der Verfassung, dann bietet er einen kurzen Überblick über die Landtage von 1819 bis 1848 und ermittelt schließlich auf dieser Grundlage den Umfang der ständischen Beteiligung an der Gesetzgebung auf unterschiedlichen Sachgebieten (Verfassungsgesetzgebung, einfache Gesetzgebung, Finanzgesetzgebung).

 

Voranstellt er eine kurze Einleitung, in der er eingangs betont, dass Bayern nach Nassau und Sachsen-Weimar-Eisenach als erster deutscher Mittelstaat am 26. Mai 1818 eine Verfassung mit repräsentativen und demokratischen Elementen erhalten habe und insgesamt bis 1821 immerhin 28 Verfassungen der insgesamt 41 Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes zustande gekommen seien. Die Forschung habe diese frühkonstitutionelle Zeit eher vernachlässigt. Auch für Bayern habe die vorliegende Literatur wesentliche Fragen nicht gründlich genug untersucht.

 

Im ersten Teil befasst er sich dann zunächst mit dem König und der Staatsregierung. Danach wendet er sich der Ständeversammlung zu und greift für sie auch auf die Vorläufer zurück. Für das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren trennt er naheliegenderweise zwischen Gesetzesinitiative, Gesetzesberatung und Gesetzesbeschluss.

 

Sein kurzer Überblick über die einzelnen Landtage zeigt, dass in Bayern zwischen 1819 und 1848 insgesamt 11 Landtage unterschiedlicher Dauer und Intensität abgehalten wurden. Dem ersten Landtag vom 1. Februar bis 25. Juli 1819 folgte ein zweiter Landtag erst vom 21. Januar bis 2. Juni 1822 und ein dritter Landtag vom 25. Februar bis 12. September 1825. Die Gesamtentwicklung wurde dabei durch defensiveres Verhalten der Regierung und liberalere Mitglieder in den Versammlungen geprägt.

 

Die Gesamtbetrachtung erweist, dass die ohne Mitwirkung einer Volksvertretung geschaffene Verfassung zur Sicherung der monarchischen Rechte ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen König und Staatsregierung einerseits und Ständeversammlung andererseits festgelegt hatte, dass aber die Ständeversammlung trotzdem erheblichen Einfluss gewann. Ihr gelang es nämlich sich zumindest hinsichtlich der Beratungsgegenstände der Bevormundung durch die Regierung zu entziehen. Insbesondere bei der Verfassungsgesetzgebung konnten einzelne Abgeordnete der Abgeordnetenkammer der Regierung nicht genehme Gegenstände (z. B. Pressefreiheit, Gesetzesinitiative, Ministerverantwortlichkeit) zur Sprache bringen.

 

Darüber hinaus gab es Bereiche, in denen es zu einer ergebnisorientierten Zusammenarbeit kam. Dementsprechend entstand bis 1848 keine ernsthafte Krise. Voraussetzung dafür war freilich, dass die Ständeversammlung an sich die monarchischen Rechte bzw. Vorrechte grundsätzlich anerkannte.

 

Im Ergebnis kommt der Verfasser zur Bestätigung der bereits in der Literatur vertretenen Ansicht, dass die Ständeversammlung die Regierung zur Begründung ihrer Handlungen und letztlich auch zur Rechtfertigung zwang und dadurch die Entwicklung von einer kryptokonstitutionellen Monarchie zu einer konstitutionellen Monarchie erreichte. Im langsamen, aber stetigen Fortschreiten gelang ihr der Gewinn wichtiger Gestaltungsmöglichkeiten für das gesetzgeberisch-parlamentarische Wirken. 1848 konnten so mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts die Grundlagen für das konstitutionelle System geschaffen werden.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler