Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit in der bayerischen Geschichte, hg. v. Hecker, Hans-Joachim/Heydenreuter, Reinhard/Schlosser, Hans (= Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Reihe B, Beiheft 30). Kommission für bayerische Landesgeschichte, München 2006. 262 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Seit 1999 veranstaltet die von Rechtshistorikern, Landeshistorikern, Archivaren und weiteren Interessierten gegründete Gesellschaft für bayerische Rechtsgeschichte Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen der bayerischen Rechtsgeschichte. Sie versucht, dadurch dem trotz des großen Interesses an der bayerischen Rechts- und Verfassungsgeschichte angesichts des Abbaus einschlägiger Stellen im Hochschulbereich sowohl an den juristischen Fakultäten wie auch im Bereich der Landesgeschichte drohenden Verlust in Ausbildung und Forschung zu begegnen, weil Rechtsgeschichte und Verfassungsgeschichte für Landeshistoriker, Archivare und Juristen eine unverzichtbare Grundlage darstellen. Vom 4. bis 5. Juli 2003 führte sie aus diesem Grund auch erstmals eine Jahrestagung durch, die an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt einen Platz in der geographischen Mitte Bayerns fand und unter einem scheinbar vielversprechenden, tatsächlich aber ziemlich blässlichen Titel die ganze Fülle der bayerischen Rechtsgeschichte vom Mittelalter bis an den Anfang des 19. Jahrhunderts widerspiegelt und dadurch einen Einblick in aktuelle Forschungen an Hochschulen und Archiven vermittelt.

 

Im schmalen, ansprechend mit einem Fehdebrief von 1436 geschmückten Band sind insgesamt acht Referate abgedruckt. Etwa zur Hälfte stammen sie von Historikern. Sie sind nicht streng chronologisch geordnet, doch steht die Lex Baiuvariorum fast ganz am Anfang und das Reichskammergericht ganz am Schluss.

 

Für die Rechtsgeschichte bietet Harald Siems ein umfassendes, in einzelnen Bereichen unterschiedliche Wirtschaftsumstände aufzeigendes Lebensbild des Volksrechts der Bayern, das er als Werk rechtserfahrener Leute stufenweise im Bewusstsein steten Erneuerungsbedarfs entstanden sein lässt. Hans-Georg Hermann berichtet aus seiner Habilitationsschrift des Wintersemesters 2003/2004 über Potentiale stadtherrlicher Normenkontrolle im oberbayerischen Stadtrecht des 14. Jahrhunderts und weist dabei Reaktionen an der Reibungsfläche der Rechtsräume von Stadtrecht und Landrecht nach, deren kollisionsrechtliche Anlage in der Rechtsetzung des Landrechts der Rechtswirklichkeit nicht gewachsen gewesen sei. Christiane Birr schildert Strafandrohungen und ihre Umsetzung in einem Dorf der hohen Rhön im 16. Jahrhundert.

 

Außerdem stellt Barbara Dölemeyer in ihrem Beitrag Bavaria in nummis bayerische Rechtsgeschichte auf Münzen dar. Joachim Wild untersucht den Fehdebrief und Ingo Schwab das Manuale des Münchener Handelsmannes Heinrich Lerer. Mit der Policey im regionalen Kontext (Frankens) befasst sich eine um Wolfgang Wüst gescharte Arbeitsgruppe, mit der Bedeutung des Reichskammergerichts für die bayerischen Justizreformen Eric-Oliver Mader.

 

Insgesamt ein buntes Bild vielfältiger Forschungsansätze, in dem Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit an verschiedenen Stellen begegnen. Erschlossen sind die Beiträge durch ein zusammenfassendes Orts- und Personenregister Horst Gehringers. Der Gesellschaft und ihren Gründern und Leitern sei Dank für ihre Verdienste um die bayerische Heimat und deren Geschichte.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler