Panorama 400 Jahre Universität Gießen. Akteure, Schauplätze, Erinnerungskultur, hg. im Auftrag des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität v. Carl, Horst/Felschow, Eva-Marie/Reulecke, Jürgen/Roelcke, Volker/Sargk, Corina. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2007. 320 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

!527 gründete Landgraf Philipp von Hessen in Marburg die erste protestantische Universität des heiligen römischen Reiches. Bei der Teilung des Landes unter seinen Söhnen fiel Marburg 1567 an Hessen-Marburg, bei dem söhnelosen Tode Landgraf Ludwigs IV. von Hessen-Marburg 1604 an Hessen-Kassel. Als Landgraf Moritz von Hessen-Kassel 1605 seine Landeskirche calvinisierte, bot Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt den lutherischen Professoren Marburgs in dem mit etwa 3000 Einwohnern an ihn gefallenen Gießen eine feste Burg an einem neuen Gymnasium, für das er am 19. Mai 1607 auch ein kaiserliches Universitätsprivileg erhielt.

 

Vierhundert Jahre später ist auf Hochglanzpapier ein großformatiger schwergewichtiger Jubiläumsband erschienen. In drei Abteilungen gegliedert erinnert er an bedeutsame Personen, Orte und Angelegenheiten der Universität. Nach Angabe des Verlags war er so rasch vergriffen, dass für eine Rezension nur die kurzfristige Ausleihe verblieb.

 

Nach einem Grußwort des Ministerpräsidenten Hessens und Vorworten des Präsidenten und der Herausgeber beginnt der Band mit 23 Beiträgen über Akteure. In diesem Rahmen befasst sich Heinhard Steiger mit Gottfried Antonius und den Anfängen der juristischen Fakultät, Diethelm Klippel mit Johann August Schlettwein und Gerhard Menk mit Erwin Stein. Außerdem werden etwa behandelt Landgraf Ludwig V., Landgraf Moritz, Balthasar Mentzer, Georg Büchner, Justus Liebig, Adolf Harnack, Otto Behaghel, Hermann Aubin, Theodor Mayer, zwei Rektoren im Nationalsozialismus sowie Helene von Bila, Wissenschaftspolitikerin in der Nachkriegszeit.

 

Bei den Schauplätzen steht die unbestreitbare amoenitas loci an der Spitze. Danach erscheinen Kollegiengebäude und Universitätshauptgebäude, botanischer Garten, Studenten in der Kneipe, Schloss und Park Rauischholzhausen, die Universitätsbibliothek, das Klinikviertel, als Turmbau zu Babel die Osswaldsgrube, der akademische Forstgarten, die nach 1946 die Fortdauer der geschlossenen Universität sichernde Hochschule für Bodenkultur und Veterinärmedizin, die Hochschule für Erziehung und die Abteilung für Erziehungswissenschaften sowie als Achterbahnfahrt zum Erfolg die Geschichte des interdisziplinären Forschungszentrums. Am Ende steht als modernes highlight das erste mathematische Science Center der Welt.

 

Als dritter Teil wird die Erinnerungskultur zusammengefasst. Dort finden sich Hoheitszeichen, Professorengalerie, Friedhöfe, Gießener Studenten als Krieger, studentische Stammbücher, Karl Follen und die Gießener Schwarzen, das Röntgen-Denkmal, das Schicksal der Margarete Bieber, die Gießener Universität in der NS-Zeit sowie studentische Protestformen wie Sit-in, Go-in und Teach-in. Den Beschluss bilden einleuchtend die Gießener Universitätsjubiläen, in deren Rahmen höflichst gebeten wird, Reden erst nach dem 3. Gang zu halten, weil schließlich auch hier der gesunde Geist einen gesunden Körper voraussetzt.

 

Am Ende wird zusammenfassend Literatur zur Gießener Universitätsgeschichte (in Auswahl) geboten und werden die 42 Verfasser vorgestellt. Ein Register erschließt schätzungsweise 700 Personen, ein Bildnachweis die etwa 100 zur Veranschulichung eingefügten Abbildungen. Insgesamt ein eindrucksvolles Panorama zu vierhundert Jahren Universitätsgeschichte in einer liebenswerten kleinen Stadt im Herzen der Deutschen.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler