Krischer, André, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft. Politischer Zeichengebrauch in der frühen Neuzeit (= Symbolische Kommunikation in der Vormoderne). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006. VII, 460 S. Ill. Ill. Besprochen von Klaus-Peter Schroeder.

 

 

Für den Rechtshistoriker beschreitet André Krischer mit seiner von Barbara Stollberg-Rilinger betreuten Dissertation ein Gebiet, das außerhalb seines herkömmlichen Forschungsinteresses liegt. Im Mittelpunkt der Studie stehen die vielfältigen Kontakte auf nahezu sämtlichen Handlungsebenen zwischen den einzig Kaiser und Reich unterworfenen Kommunen und der adligen Fürstengesellschaft. In den Worten des Autors fragt seine Abhandlung „nach der reichsstädtischen ‚Politik’ im vormodernenen Sinn dieses Wortes aus der Perspektive des Zeichengebrauchs.“ Obgleich die Reichsstädte ebenfalls den Kaiser als das Reichsoberhaupt anerkannten, nahm die fürstlich-höfische Gesellschaft die Kommunen als minderwertige Fremdkörper wahr, den sie ignorierte oder bestenfalls mit Gleichgültigkeit begegnete. Suspekt waren der Adelswelt das Fehlen eines adligen Stadtoberhaupts, die aus Handwerkern und Kaufleuten bestehenden Ratsgremien. wie auch ihre weitgehend autonome Selbstregierung. Ebenso ließen sich die nahezu republikanisch anmutenden städtischen Korporationen nicht in die bis zum Ende des Reiches formal bestehende Lehensordnung einfügen. Die Städte leisteten auch keinen Lehenseid, sondern einen echten Huldigungseid, in dem die unmittelbare Herrschaftsunterworfenheit gegenüber Kaiser und Reich ihren sichtbaren Ausdruck fand. Sie waren, wie Krischer betont, ein „problematischer Fall“ innerhalb der nur scheinbar festgefügten europäischen Fürsten- und Adelsgesellschaft. Obgleich die reichsunmittelbaren Städte sich selbst gerne als „Republiken“ bezeichneten, waren sie sich ihres strukturellen Defizits stets bewußt und versuchten es auf den unterschiedlichsten Ebenen auszugleichen. Nirgendwo wurde aber ihnen ihr struktureller „Mangel“ deutlicher vor Augen geführt als bei der Inszenierung der altüberlieferten Herrschaftsstrukturen auf dem Reichstag. Zwar hatte der Friedensschluss zu Münster und Osnabrück mit dessen Art. VIII § 4 IPO den Reichsstädten das seit langem begehrte votum decisivum auf den Reichstagen eingeräumt. Aus der Sicht der Städte bildete diese Bestimmung die Grundlage für eine neue Bewertung des verfassungsrechtlichen Gewichtes der reichsstädtischen Kurie. Ihr Anspruch aber auf simultane Relation und Korrelation fand jedoch den heftigsten Widerspruch der beiden höheren Kurien, welche darin einen unerträglichen Eingriff in ihre Praeeminenz und Prärogative bei öffentlichen Reichshandlungen sahen. Die mindere Qualifikation des reichsstädtischen Corps spiegelte sich ebenso im äußeren Erscheinungsbild und im Verlauf des streng gehandhabten Zeremoniells des Reichstags wider. Während die Bank des Kurfürstenkollegiums allein vom Sessel des Prinzipalkommissars überragt wurde, folgten eine Stufe tiefer die Bänke des Fürstenrats, welche aber die ebenerdig angeordnete schwäbische und rheinische Bank der Städte noch um eine Staffel überragte. Im sog. Re- und Korrelationssaal mussten die Vertreter der Städte vor einer durch den Raum gezogene Schranke stehend verharren.. Die seitens der Reichsstädte wiederholt geführten Remonstrationen gegen diese Prozedur wurden unter Hinweis auf den „seit unvordenklichen Zeiten“ geübten Beratungsmodus ebenso oft abgewiesen. Man duldete keinen Einbruch in die Vorrechte der höheren Stände. Der Konflikt um das letztlich fundamentale Problem der städtischen Gleichberechtigung wurde auf dem Reichstag nicht mehr ausgetragen; es verlor in der Folgezeit seine praktische Bedeutung und verkümmerte zu einer ermüdenden, langweilig anmutenden akademischen Kontroverse. Mit Recht stellt der Autor bei seiner Erörterung dieser Thematik fest, dass sich für die Reichsstädte die so mühsam und teuer erkämpfte Repräsentation auf dem Reichstag langfristig als letztlich nutzlos erwies; eine Notiz aber, die nichts Neues beinhaltet und längst rechtshistorisches Allgemeingut ist.. Weitaus anregender sind die Ausführungen Krischers zu den symbolischen Dimensionen der Interaktionen zwischen Reichsstädten und Vertretern der adligen Gesellschaft. Letztlich ging es den Reichsstädten, wie der Autor anhand seiner weiteren Untersuchungen ausführt, um die schwierige und schließlich zum Scheitern verurteilte Anpassung an die sie umgebende Welt des Adels.

 

Wenn auch die Ergebnisse der Abhandlung Krischers für den Rechtshistoriker nichts Überraschendes und kaum Verwertbares beinhalten, so ist doch der von ihm gewählte Ansatz (politischer Zeichengebrauch als Medium zur Anmeldung sozialer Geltungsansprüche) zumindest originell. Die Lektüre der Studie wird aber durch den „verblasenen“ Schreibstil, die unsäglichen Leerformeln und die krampfhaft gesuchte terminologische Umnebelung banaler Aussagen zu einer Qual. Aufgabe eines Doktorvaters - im vorliegenden Fall einer Doktormutter – sollte es aber ebenso sein, die eigenen Schüler zu einer schnörkellosen und unprätentiösen Sprache anzuhalten. Auch das „Lesevergnügen“ ist ein wichtiger Bestandteil des wissenschaftlichen Diskurses, an dem ja gleichfalls der Autor der vorliegenden Untersuchung teilhaben will.

Heidelberg                                                                              Klaus-Peter Schroeder