Koop, Volker, „Dem Führer ein Kind schenken“. Die SS-Organisation Lebensborn e. V. Böhlau, Köln 2007. X, 306 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Der Verein „Lebensborn“ wurde auf Betreiben Heinrich Himmlers durch eine Reihe namentlich nicht bekannter SS-Führer am 12. 12. 1935 gegründet und am 23. 3. 1936 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin eingetragen. Er unterstand zunächst dem Rasse- und Siedlungshauptamt (Sippenamt), ab 1938 als Amt L unmittelbar dem Persönlichen Stab Himmler, nachdem die Ummeldung des Vereins zum Vereinsregister des Amtsgerichts München beschlossen worden war (S. 60f.). Koop legt mit seinem Werk unter Einbeziehung umfangreicher archivalischer Quellen eine Gesamtdarstellung der NS-Organisation Lebensborn vor, die im Rahmen der nationalsozialistischen Rassehygiene das Ziel hatte, in Heimen anonyme Entbindungen lediger Mütter zu gewährleisten. Darüber hinaus beteiligte sich der Verein insbesondere im Osten an den sog. Eindeutschungsaktionen, bei denen aus den besetzten Gebieten geeignete Kinder entführt, dann in den Heimen ihrer Identität beraubt und „eingedeutscht“ wurden. Den Rechtshistoriker interessiert vor allem, wie weit der Lebensborn das geltende Personenstands-, Familien- und Jugendfürsorgerecht eingehalten bzw. verletzt hat. Hierzu enthält das Werk wichtige Hinweise. Seit 1937 verfügte der „Lebensborn“ über geheime Standesämter. So hatte der Potsdamer Regierungspräsident 1937 angeordnet, dass für das Heim Klosterheide ein eigenständiger Standesamtsbezirk eingerichtet wurde (S. 142). 1943 verfolgte die Lebensborn-Zentrale in München über das „Standesamt“ L, nachdem in weiteren Heimen eigene Standesämter eingerichtet worden waren. Leider nennt Koop nicht die genaue Rechtsgrundlage für die Errichtung dieser Standesämter. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass das vom nationalsozialistischen Staat geplante Unehelichengesetz die geheime Beurkundung auf Wunsch der Mutter ausdrücklich vorsah (vgl. W. Schubert, Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus. Ausgewählte Quellen zu den wichtigsten Gesetzen und Projekten aus den Ministerialakten, Paderborn 1993, S. 511ff.). Wichtig ist auch die Einrichtung einer polizeilichen Meldestelle beim Lebensborn e. V. in München (S. 141f.). Über die Frage, inwieweit es zu einer „Rechtsbeugung“ bei Adoptionen von in den Lebensborn-Heimen geborenen unehelichen Kindern gekommen ist, enthält das Werk Koops keine konkreten Hinweise. Jedenfalls wurden 1942 die Gerichte durch das Innenministerium aufgefordert, von sich aus auf die Mitwirkung weiterer Behörden bei Adoptionen zu verzichten. Untersuchungen, wie weit sie dem Folge leisteten, liegen noch nicht vor, ebenfalls nicht über die Frage, wie weit Adoptionen unter Verletzung des § 1741 BGB a. F. („Wer keine ehelichen Abkömmlinge hat, kann durch Vertrag mit einem Anderen diesen an Kindes Statt annehmen“.) zustande gekommen ist. Ausführlich geht Koop auf die Ausschaltung der Jugendämter aufgrund des § 29 JWG bei der Mitwirkung von Adoptionen ein (S. 143ff.). Über die rechtliche Handhabung der sog. Eindeutschung (Identitäts- und Namensänderung; fiktiver Geburtsort) fehlen detaillierte Ausführungen (S. 164ff.). Das Werk wird abgeschlossen mit einer Dokumentensammlung (u. a. S. 255 die Lebensborn-Satzung) und mit Kurzbiographien der wichtigsten Lebensborn-Verantwortlichen (u. a. über Guntram Pflaum, ab 1. 1. 1938 Geschäftsführer des Lebensborn e. V., S. 243f.). Insgesamt liegt mit dem Werk Koops, das leider eine Auseinandersetzung mit der Fachliteratur (insbesondere mit G. Lilienthal, Der „Lebensborn e. V.“. Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, 1985) vermissen lässt, eine lesenswerte allgemeinhistorische Darstellung der Geschichte des Lebensborn e. V. vor, die für die Handhabung des Familien- und Personenstandsrechts durch den Lebensborn e. V. noch einer vertiefteren und detaillierteren rechtshistorischen Darstellung bedürfte.

 

Kiel

Werner Schubert